"Eastern Promises"

Architektur und Akupunktur im MAK

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Studienausstellung zeigt Raumgestaltung in Ostasien abseits der Megabauten.

Wer an Architektur in Ostasien denkt, dem kommen zunächst Megabauten und spektakuläre Projekte in den Sinn. Dass das nicht alles sein kann, ist eigentlich logisch. Ab morgen, Mittwoch, gibt das Wiener MAK nun Gelegenheit, die "Eastern Promises" genauer - sogar sehr genau - unter die Lupe zu nehmen. Die umfangreiche Ausstellung lädt zum Studieren ein, stellt "Raumproduktion" als soziales, ästhetisches, historisches Phänomen sowohl anhand großer Zusammenhänge, als auch anhand von ausgewählten Projekten dar und macht deutlich, dass Ostasiens "Denken von Raum", so Kurator Christian Teckert, nicht nur zutiefst anders, sondern in vielen gesellschaftlichen Bereichen auch absolut pionierhaft ist.

Architektur abseits des Mainstreams
"Zeitgenössische Kunst aus Ostasien ist überall, über die Architektur ist eigentlich wenig bekannt", erklärte Museumsdirektor Christoph Thun-Hohenstein bei der Presseführung am Dienstag, das MAK sei eines der ersten Museen der Welt, das sich mit dem Phänomen auseinandersetzt. Beauftragt mit einer Durchleuchtung des ostasiatischen Architekturschaffens wurden Andreas Fogarasi und Christian Teckert - entstanden ist eine ungewöhnliche Präsentation, die sich ein "ahierarchisches Verknüpfen von Symptomen" vorgenommen hat. Eine "Map" an der Wand zeigt die Produktionsbedingungen in China, Japan, Taiwan und Südkorea, Einwohnerdichte, durchschnittliche Quadratmeteranzahl, PKW-Dichte, Zugnetz. An den aufgestellten Holzparavans taucht man dagegen tief in Einzelszenen, Dörfer, Wohnungen, Straßenzüge ein.

Intensive Inklusion von sozialen Verhältnissen  
"Es kommen keine internationalen Stararchitekten vor, auch keine Prestigeprojekte wie Museen oder Konzerthallen", erklärte Fogarasi. "Uns ging es um die intensive Inklusion von sozialen Verhältnissen." Schulen, Wohnbauten, Projekte, die sich mit dem Aussterben der Dörfer befassen oder mit gezielten Versuchen, das urbane Leben im Schatten der Großbauten neu zu beleben. Viele ostasiatische Raum-Initiativen seien von der Idee getragen, einen kleinen Impuls ins System zu setzen, anstatt großflächig umzubauen - "wie Akupunktur", so Fogarasi. Gut sichtbar werden solche Entwicklungen etwa in Japan, wo sich nach der Katastrophe im Frühjahr 2011 eine große architektonische Erneuerungsbewegung mit starkem sozio-ökonomischen Bewusstsein entwickelt hat.

Besitz und Anwesen  

Die "fragmentarischen Porträts", wie Teckert die Ländersektionen bezeichnet, verdeutlichen aber nicht nur Entwicklungen in ihrem historischen Kontext, sondern enthüllten eine "völlig andere philosophische Grundlage" im Verständnis und in der Relation von Raum, Architektur, Kunst, Landschaft und Mensch, wie Thun-Hohenstein betonte. "Bei uns geht es um Besitz und Anwesen, dort viel mehr um das Abwesen. Bei uns steht das Ziel im Mittelpunkt, dort viel mehr der Weg." Was sich wie eine Botschaft aus einem esoterischen Meditationsbüchlein anhört, gewinnt inmitten der dicht mit Studienmaterial bestückten Ausstellungshalle eine ganz andere Dimension. Wer in sie eintauchen will, sollte viel Zeit mitbringen und sich am besten auch den Katalog anschaffen. Bis 6. Oktober ist die Ausstellung zu sehen.

Info

"Eastern Promises. Zeitgenössische Architektur und Raumproduktion in Ostasien." 5. Juni bis 6. Oktober, Di 19 bis 22 Uhr, Mi bis So 10 bis 18 Uhr, MAK-Ausstellungshalle. Katalog im Hatje Cantz Verlag, 39 Euro; www.mak.at.

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