Ganzes Land trauert

Brezina über Nöstlinger: "Sie zählt zu größten Literaten"

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Der Tausendsassa der Kinderunterhaltung trauert um Christine Nöstlinger.

ÖSTERREICH: Wie sehr trifft Sie der Tod von Christine Nöstlinger?

Thomas Brezina: Natürlich ist es ein großer Verlust. Aber ihr Werk wird noch sehr lange leben.

ÖSTERREICH: Wurden Sie von diesem Werk auch geprägt?

Brezina: Ich komme aus einer Zeit, wo ein braves Kind ein „gutes“ Kind war. Sie hat dann gezeigt, dass ein Kind, das denkt, das tut, was es will, das Erwachsene infrage stellt, ein „gutes“ Kind ist. Diese Ermutigung, man selbst zu sein, hat mir irrsinnig getaugt.

ÖSTERREICH: War sie auch ein Vorbild für Sie?

Brezina: Sie hat vorgelebt, dass man eisern seinen eigenen Weg gehen muss, tun muss, woran man glaubt, und sich nicht von Kritikern beirren lassen darf.

ÖSTERREICH: Was bedeutet sie für Österreichs Kultur?

Brezina: Nöstlinger zählt zu den größten Literaten, die Österreich je hervorgebracht hat. Sie hat ja auch völlig Neues gewagt. Sie hat geschrieben, wie man spricht, das hat sich niemand getraut. Mit ihrem Menschenbild hat sie viele geprägt – ein unglaubliches Verdienst. Das schaffen nicht viele.

ÖSTERREICH: Gibt es auch persönliche Erinnerungen?

Brezina: Wir waren als Andersen-Botschafter gemeinsam in Kopenhagen. Ein sehr netter Abend. Der Respekt vor den Kindern hat uns verbunden.

 

Abschied von der Heldin unserer Kindheit

1970 hat Christine Nöstlinger Die feuerrote Friederike veröffentlicht und ­Österreich nachhaltig geprägt. Generationen sind in ihren unzähligen Büchern versunken. Mit ihrem Stil und ihrer Sicht auf die Kinder hat sie ein Genre revolutioniert. Am Freitag wurde sie im engsten Familienkreis in Hernals beerdigt. „Eine der bedeutendsten literarischen Stimmen“ sei verloren gegangen, würdigte sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
 

"Nicht kinderliebe" Autorin verzauberte Österreich

Prägend. Sie sei „nicht ­speziell kinderlieb“, erklärte Nöstlinger. Vielleicht mache sie gerade das zum Schreiben von Kinderbüchern geeignet, vermutete sie. Der Respekt nicht nur vor Kindern zeichnete sie stets aus. „Mit ihrem Menschenbild hat sie viele geprägt“, weiß auch Kultautor Thomas Brezina (siehe Interview unten).
 
Trauer. Christine Nöstlinger wurde 81 Jahre alt. Ihre Werke wurden in unzählige Sprachen übersetzt. Bücher wollte sie keine mehr schreiben, kündigte sie im Juni an. „Es ist alles sehr anders geworden, und ich verstehe es nicht mehr“, gestand sie über die Welt der Kinder. 
Als abfällig wollte sie das nicht verstanden wissen. ­Politisch bezog sie bis zuletzt Stellung – obwohl sie 2016 zugab: „Ich bin zu alt, um zornig oder wütend zu werden.“
 

Nöstlingers beste Sager

Ihre Zitate sind legendär wie ihre Bücher. Ein Best-of:
 
Über das Alter: „Es ist ja keine Leistung, ein gewisses Alter zu erreichen. Da könnte man eher meiner Internistin und dem Onkologen gratulieren, dass sie mich so weit gebracht haben.“
Über Kinder: „Es gibt unsympathische, grauslige Kinder. Der Mensch wird ja nicht an seinem 18. Geburtstag zum Ungustl, das entwickelt sich früher.“
Über ihr Ziel: „Ich will Kinder aufmüpfig machen, aber doch nicht trösten.“
Über ihre Bücher: „Früher waren Kinderbücher faktisch Pädagogikpillen, eingewickelt in Unterhaltungspapier.“
Über die Schule: „Man muss die Schule halt irgendwo überstehen.“
Über ihre Bedeutung: „Die Kinder wären arm dran, wenn sie nur meine Bücher hätten.“
 

Ihr Werk: Mehr als 100 Bücher und Radio-Kultfiguren

1970 veröffentlichte Nöstlinger Die feuerrote Friederike – mehr als hundert weitere Werke sollten folgen. Mit Büchern wie Maikäfer flieg!, Wir pfeifen auf den Gurkenkönig, Der ­liebe Herr Teufel oder der ­Serie Geschichten vom Franz eroberte sie Generationen von Kindern.
 
Radio. Mit Dschi Dsche-i Wischer Dschunior schrieb sie Radiogeschichte – für Thomas Brezina eine ­„revolutionäre“ Sendung. Auch Rudi Radiohund entsprang der Fantasie Nöstlingers. Außerdem ver­öffentlichte sie Mundart-Gedichte.
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