ÖSTERREICH-Kritiker ziehen Bilanz der heurigen Salzburger Festspiele.
Zum Auftakt gab’s den neuen Jedermann: Nicholas Ofczarek
verkörperte den Titelhelden als handgreiflichen, infantilen Rüpel (mit
geringer Fallhöhe). Birgit Minichmayr war eine sehr undivenhafte Buhlschaft
(und ließ sich auch privat nicht als neue "Diva vom Domplatz"
vermarkten). Kein Meilenstein, aber eine seriöse Weiterentwicklung.
(hir)
Die Uraufführung
Dass man bei Wolfgang Rihm eine neue Oper
in Auftrag gegeben hatte, ehrte die Festspiele. Dionysos war keine leichte
Kost, forderte dem Zuschauer und -hörer Konzentration und Auseinandersetzung
ab und wurde dank positiver Kritiken bis nach New York schließlich zum
ausverkauften Festspiel-Hit.
(eha)
Enttäuschende Opern, glanzvoller "Ödipus"
Die Opern
Zwiespältig die restliche Opern-Bilanz. So blieben
drei Premieren weit unter dem Anspruch, den man an ein dominantes Festival,
die Erwartungen an ein solches und seine Eintrittspreise stellen muss.
Glucks von Muti und Dorn geschönte Oper Orfeo ed Euridice, Alban
Bergs im falschen Raum (Felsenreitschule) präsentierte, von Nemirova recht
ungeschickt inszenierte Lulu und Strauss’ Elektra mit
unzulänglicher Besetzung der Hauptrolle waren Enttäuschungen.
Zwei Wiederaufnahmen mussten und konnten das Niveau retten. Claus Guths
stimmige Personenregie bei Mozarts Don Giovanni und das Duo Netrebko-Beczala
in Gounods Roméo et Juliette wahrten den hohen Festspiel-Anspruch.
(lö)
Die Konzerte
Markus Hinterthäusers klug, auch publikumswirksam
komponiertes Konzertprogramm war dem Opern-Angebot jedenfalls überlegen.
Hier wurde jene Unverwechselbarkeit geboten, die ich im Opernsektor
großteils vermisste.
(lö)
Das Schauspiel
Eine Produktion überragte alle anderen: Peter
Steins Inszenierung von Euripides‘ Ödipus auf Kolonos
kitzelte aus Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle schauspielerische
Höchstleistungen. Neben dem Jedermann war Ödipus auf
der Perner Insel der Publikumsrenner.
Dass man Stefan Zweig mit der Dramatisierung seiner Novelle Angst im
Landestheater endlich zu Festspiel-Ehren kommen ließ, war lobenswert.
Racines Phädra mit Sunnyi Melles und Paulus Manker lebte von der Virtuosität
der Hauptdarsteller, weniger des Regisseurs Matthias Hartmann.
(eha)