"Holt die Polizei!"

Hochhuth-Eklat im Berliner Ensemble

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Dramatiker verschaffte sich gegen den Widerstand einiger Angestellter Zugang in "sein Haus"

Eklat im Berliner Ensemble: Der Dramatiker Rolf Hochhuth ("Der Stellvertreter") hat sich am Donnerstag, 20.8., gegen den Widerstand einiger Angestellter Zugang in "sein Haus", das noch im Sommerschlaf befindliche Theater am Schiffbauerdamm, verschafft. Theaterleiter Claus Peymann (72) ist noch im Urlaub. "Holt die Polizei, wenn man mich hier rausschmeißen will! Ich bin der alleinige Besitzer dieses Hauses!" rief der 78-jährige Dramatiker und stürmte die Treppen zum oberen Theaterfoyer hoch, wo er neben dem Brecht-Zimmer mit Peymann und der Berliner Kulturpolitik abrechnete.

Danach stellte sich Hochhuth demonstrativ den Kameras und Fotografen auf dem Balkon des Berliner Ensembles über dem Bertolt-Brecht-Platz, bevor er wieder zu Theaterproben in das Veranstaltungszentrum Urania als Ausweichspielstätte fuhr. Ursprünglich hatte der Dramatiker die Presse an das Brecht-Denkmal vor dem Theater eingeladen. Es trägt die Inschrift "Wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?"

Hochhuth ist über die von ihm gegründete Ilse-Holzapfel-Stiftung Eigentümer der Immobilie am Schiffbauerdamm, die er an das Land Berlin vermietet hat (Peymann ist quasi Untermieter). Den Vertrag hat Hochhuth aber inzwischen "fristlos gekündigt", weil Peymann ihm die Aufführung des Stückes "Sommer 14" im Berliner Ensemble verweigert hat. Hochhuth habe sein Projekt nicht vertragsgemäß angemeldet, hieß es, jetzt fänden Bauarbeiten statt.

Dagegen hatte Hochhuth bisher erfolglos eine Einstweilige Verfügung beantragt, an diesem Freitag verhandelt das Berliner Kammergericht über Hochhuths Berufung. Unabhängig davon geht die Premiere von Hochhuths Inszenierung an diesem Sonntag in der Urania über die Bühne, der Ort der nachfolgenden Aufführungen hängt von der neuen Gerichtsentscheidung ab.

"Es kommt einer Tragödie gleich, dass der Kultursenator Berlins es zulässt, dass zwei in der Republik und darüber hinaus nicht unbekannte Persönlichkeiten aufeinanderprallen", betonte Hochhuths Anwalt, der CDU-Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns, vor Journalisten. Er sprach von einer "kulturpolitischen und menschlichen Situation" und versuchte auch, seinen sichtlich erregten Mandanten immer wieder etwas zu besänftigen. Kulturpolitik zeichne sich auch dadurch aus, dass sie als Moderator und Vermittler tätig wird, meinte der Anwalt. Es werde keinen wirklichen Sieger in dieser "Theaterschlacht" geben. Hochhuth sei "tief verletzt", nicht jedes seiner Worte müsse man daher auf die Goldwaage legen. "Ein betagter Schriftsteller, der im In- und Ausland nach wie vor hohes Ansehen genießt."

"Vergessen Sie nicht, dass es sich bei Hochhuth um einen weltbekannten Schriftsteller handelt, der auch kulturpolitisch noch immer an der Aufarbeitung der NS-Zeit beteiligt ist, wie seine Initiative zur Errichtung eines Denkmals für den Hitler-Attentäter Georg Elser zeigt." Hochhuth will das Projekt zusammen mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand auf dem Gelände des einstigen "Führerbunkers" in Berlin realisieren. "Ich wohne dort seit 20 Jahren mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal. Und seit der Wende bin ich der Hausbesitzer des Theaters am Schiffbauerdamm auf Wunsch der Vorgängerfamilie Wertheim, die deshalb dem Autor des "Stellvertreters" dieses Haus gegeben hat, weil sie nicht wollte, dass die Stadt Eigentümer wird, in der der Holocaust auf der Wannseekonferenz beschlossen wurde. Frau Wertheim hat 37 Angehörige im Holocaust verloren."

Hochhuth hatte bereits in der vergangenen Woche "das Ende der Ära Peymann" am Berliner Ensemble verkündet und den Pachtvertrag mit dem Berliner Ensemble "fristlos gekündet". Der Anwalt des Landes Berlin, Peter Raue, sieht die Kündigung allerdings als "gegenstands- und grundlos" an, da das Land Berlin den Vertrag nicht verletzt habe. Der Vertrag laufe bis Ende 2012 mit einer vereinbarten Option auf weitere 15 Jahre. Außerdem wird am 7. September vor dem Landgericht über einen Antrag Hochhuths verhandelt, der Peymann untersagen soll, das BE "nicht mehr an theaterfremde Institutionen und Persönlichkeiten" zu vermieten. "Was dem Schriftsteller und Eigentümer Hochhuth versagt wird, wird Dieter Bohlen gestattet", meinte Hochhuths Anwalt.

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