Martin Pollack (63) erhielt den "Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln" im Wiener Rathaus.
Der österreichische Autor, Journalist, Herausgeber und Übersetzer Martin Pollack (63) ist Montag, Abend im Wiener Rathaus zum Auftakt der 60. Österreichischen Buchwoche mit dem "Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln" ausgezeichnet worden. Die Laudatio hielt der Publizist Henryk M. Broder. Pollack liest am Dienstag im Rahmen der Buchwoche aus seinem Buch "Der Tote im Bunker".
Kulturstadtrat
Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S)
begrüßte zu diesem "historischen Abend" mit "einem lachenden und einem
weinenden Auge": Die 60. Buchwoche, die 1948 mit einer Buchausstellung bei
der Wiener Herbstmesse ihren Ausgang nahm und dann vom Messepalast über
Staatsoper, Secession, Künstlerhaus und Hofburg 1987 ins Wiener Rathaus kam,
ist nämlich zugleich die letzte. Ab dem nächsten Jahr wird sie von der
internationalen Buchmesse "Buch Wien" abgelöst. Deren Premiere ist von 20.
bis 23. November 2008 in der Messe Wien geplant. "Das ist ein großer,
vielleicht ein gewagter, jedenfalls ein wichtiger Schritt", sagte der
Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, Alexander
Potyka, und wünschte sich für die kommenden Tage mit viel Gedränge den
Beweis dafür, dass das Rathaus tatsächlich zu klein für die Buchwoche
geworden sei.
Kulturministerin
"In diesen Tagen genieße ich meine schulfreie
Zeit", zeigte sich Kulturministerin Claudia Schmied (S) glücklich über einen
Termin abseits der laufenden Bildungs- und Schuldebatte und gab "ein klares
Bekenntnis" dazu ab, "die bunte Vielfalt der österreichische
Verlagslandschaft" aufrecht zu erhalten. Martin Pollack nannte sie einen
"unermüdlichen Vermittler zwischen den Literaturen und Kulturen".
Kulturschaffender
Martin Pollack entziehe sich einer schnellen
Einordnung, meinte Laudator Henryk M. Broder, der sich als
"Viertel-Österreicher" outete, ein Bibliothekar müsse lange nachdenken, ob
seine Bücher unter Sachbuch oder Belletristik einzuordnen seien. Seine
Tatsachenromane seien "Werke, die jeden Trend, jede Mode, jeden
Schnickschnack überleben, der heute hipp und morgen ex ist". "Anklage
Vatermord" sei "ein grandioses Buch", in "Der Tote im Bunker" erzähle
Pollack "die Geschichte seines leiblichen Vaters mit der Präzision eines
Chirurgen". "Die Bücher von Martin Pollack sind Meisterwerke der
journalistischen Literatur oder des literarischen Journalismus - wie sie es
gerne wollen", sagte Broder und bekannte: "Ich bin kein Anhänger des
Toleranzprinzips, ich halte es für ein überholtes Konzept. (...) In
horizontalen Gesellschaften kommt die Toleranz nicht den Schwachen, sondern
den Rücksichtslosen zugute." Toleranz stehe auf dem Paravent, hinter dem
sich Bequemlichkeit und Feigheit verstecke. "Was wir brauchen, ist nicht
mehr Toleranz, sondern mehr Militanz", forderte der Laudator und wandte sich
abschließend an den Preisträger: "Ob Sie nun für Toleranz oder Militanz
geehrt werden, ist am Ende völlig egal, denn das Einzige, das zählt, ist
Relevanz. Bitte machen Sie weiter!"
Kurzbiografie
Martin Pollack, der 1987-1998 Korrespondent des
deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" war und seit 1998 als freier
Autor und Übersetzer arbeitet, erzählte in seiner Dankesrede von einer Reise
nach Weißrussland, das "im blinden Winkel unserer Aufmerksamkeit" liege.
Präsident Alexander Lukaschenko setze auf Russisch und würde die
weißrussische Sprache lieber heute als morgen ganz aus dem Alltag verbannen,
der Geheimdienst trage noch immer noch stolz den Namen KGB. "Das politische
Klima in Belarus ist dumpf und beklemmend - doch wie kommt es, dass wir so
wenig darüber wissen?"