Burgtheaterstar Joachim Meyerhoff hat seinen ersten Liebesroman geschrieben. .
Am Burgtheater ist der aus dem saarländischen Homburg gebürtige Bühnengigant Joachim Meyerhoff seit zwölf Jahren der meistbeschäftigte Schauspieler. Er hat als Shakespeares Othello brilliert, als Schnitzlers Professor Bernhardi und als Mephisto in Goethes Faust. In Bernhards schwarzer Komödie Der Ignorant und der Wahnsinnige hat er den von allen Details physischer Auflösung faszinierten Anatomen gespielt, in der Antigone des Sophokles den vernunftgesteuerten König Kreon; in Molières Tartuffe begeisterte er als frömmelnder Heuchler, im Eingebildeten Kranken als surrealer Hypochonder.
Bester Schauspieler. In der Konversationskomödie Bella Figura von Yasmina Reza liefert er sich mit Caroline Peters hinreißende Schlammschlachten. Für sein atemberaubendes Solo als Manisch-Depressiver in Die Welt im Rücken von Thomas Melle wurde er von Theater heute zum „Schauspieler des Jahres“ gewählt und bei der Nestroy-Gala am Montag zum „Besten Schauspieler“ gekürt.
Utopisch. Heute hat er als Ibsens Volksfeind Burgtheater-Premiere. In seinem 1882 geschriebenen Drama erzählt der norwegische Naturalist vom Badearzt Stockmann, der aufdeckt, dass das heilkräftige Wasser im Kurort verseucht ist. Von den lokalen Machthabern wird er als Volksfeind an den Pranger gestellt. „Stockmann ist ein Neandertaler der Ehrlichkeit, das Stück ist fast utopisch“, sagt Meyerhoff.
6-teiliger Theaterzyklus »Alle Toten fliegen hoch«
Bestseller. Doch der Burgstar ist nicht nur ein Spitzenschauspieler, sondern auch ein äußerst interessanter Schriftsteller. Im deutschen Verlagshaus Kiepenheuer & Witsch ist letzte Woche sein vierter Roman Die Zweisamkeit der Einzelgänger herausgekommen, der sich derzeit auf dem dritten Platz der ÖSTERREICH-Charts und auf Platz 4 der Spiegel-Bestenliste befindet. Meyerhoffs autobiografische Bestseller-Romane basieren auf seinem sechsteiligen Theaterzyklus Alle Toten fliegen hoch, mit dem er 2008 erstmals auf die Bühne des Burgtheaters getreten war.
Furios. Der 2011 erschienene, vielfach ausgezeichnete erste Roman Amerika handelt von den Erlebnissen des Schülers während seines Auslandsjahres in Laramie, Wyoming/USA. Seinen furiosen, äußerst komischen zweiten Roman Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, den er 2013 seinem nicht weniger furiosen ersten hat folgen lassen, widmete Meyerhoff seinem verstorbenen Vater, der Direktor einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig war. Joachim alias Josse, der Ich-Erzähler, wächst mit seinen zwei Brüdern auf dem Klinikgelände auf, das Wohnhaus der Familie steht im Zentrum des Anstaltsgeländes. 2015 erschien das dritte Buch, Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke, in dem er von seiner Schauspielausbildung auf der hoch angesehenen, aber völlig verstörenden Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München und dem Leben bei seinen großbürgerlichen Großeltern erzählt.
Von seinen ersten drei Romanen hat Meyerhoff weit über eine Million Exemplare verkauft. Der Schauspielstar ist ein begnadeter Fabulierer; er hat ein Gespür für das Szenische, für die Pointe. Jedes Kapitel ist ein kleines Bühnenstück für sich. Meyerhoff legt Wert darauf, dass es sich bei seinen Büchern nicht um Autobiografien, sondern um Romane handelt. „Erfinden heißt erinnern“, sagt er.
Massieren. Die Zweisamkeit der Einzelgänger hat er am Dienstag im ausverkauften Burgtheater präsentiert. „Nach dem Reiseroman, dem Kindheitsroman und dem historischen Roman jetzt der Liebesroman“, sagte Meyerhoff lächelnd. Der fragile und stabil erfolglose Jungschauspieler ist in der Provinz gelandet, in Bielefeld, wo er bei einer Premierenfeier seine erste große Liebe Hanna trifft, eine ehrgeizige und überintelligente Studentin. Ein paar Wochen später tritt Franka in Erscheinung, eine Tänzerin in dauernder Feierlaune, die sich nächtelang massieren lässt. Da Massieren der Schwerpunkt der Schauspielschule war, ist Joachim genau der Richtige dafür. Und dann gibt es noch Ilse, eine vollschlanke Bäckersfrau, in deren Backstube er so glücklich ist wie sonst nirgendwo ...
E. Hirschmann-Altzinger