Der Spruch vom "Trend zum Zweitbuch" bleibt angesichts ernüchternder Ergebnisse einer IFES-Studie im Hals stecken.
Volkstümliche Musik und Schlager sind in Österreich nicht beliebter als ein Opernbesuch, und die Österreicher gehen etwa ebenso häufig in klassische wie in Pop-Konzerte. Und Kultur ist hierzulande weiblich: Frauen bringen Kultur ein deutlich größeres Interesse entgegen als Männer, heißt es in einer vom Kulturministerium beauftragten Umfrage, aus der die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" in der am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet
Die IFES-Studie
Die von IFES durchgeführte Studie bei 2.000
Österreichern (Zeitraum Mai und Juni 2007) über ihre kulturellen Aktivitäten
der vorangegangenen zwölf Monate ist die erste derartige Umfrage seit fast
zwei Jahrzehnten. Das Kulturministerium habe ein derartiges Kulturmonitoring
zum ersten Mal seit 1989 wieder ins Leben gerufen, da "Daten und Fakten
als Grundlage für eine moderne Kulturpolitik" dienen sollen, sagte
ein Ministeriumssprecher.
(c) APA
Österreich: die Kultur-Verlierer
Erst kürzlich hat eine
Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission ergeben, dass die Österreicher der
Kultur für sich persönlich die geringste Bedeutung in der gesamten EU
beimessen. Nur 53 Prozent (EU-Durchschnitt: 77 Prozent) halten Kultur für
sich selbst für wichtig.
Die nun bekannt gewordene österreichische Studie zeigt im Vergleich zur letzten derartigen Umfrage aus dem Jahr 1989, dass sich die Teilnahme am kulturellen Leben verbreitert habe, dass jedoch in weniger gebildeten Haushalten das Bedürfnis nach und die Teilnahme an Kultur weiterhin deutlich geringer ausfallen. So haben 40 Prozent der Akademiker innerhalb des vergangenen Jahres eine Oper oder Operette besucht, aber nur zehn Prozent der Pflichtschul- oder Lehrabsolventen. Dies spreche für eine Ausweitung der Kulturvermittlung in der Schule sowie in der Lehrlingsausbildung, u. a. eine Aufwertung der musischen Fächer und zusätzliche Freifächer-Angebote, was laut Studie von einer Mehrheit der Schüler und der Lehrer befürwortet werde.
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Frauen sind "kulturaktiver" als Männer
Durchgängig
haben Frauen mehr Interesse an Kultur und dem kulturellen Leben. Die mit
Abstand Kulturaktivsten sind Frauen unter 45, die zumindest Matura haben.
Die öffentliche Kulturförderung ist umstritten: Immerhin 48 Prozent aller
Befragten sprechen sich zumindest eher dafür aus, dass Künstler nicht
gefördert werden, sondern sich selbst erhalten sollen.
Kein Kunstgenuss für die große Mehrheit
Die größte
Gruppe ist in Österreich immer noch die derjenigen, die nicht an der
kulturellen Vielfalt teilnehmen. Nur 15 Prozent bekundeten ein wirklich
großes Interesse an Kultur. Abgesehen von Museen und Kino hat die Mehrzahl
der Befragten in den vorangegangenen zwölf Monaten keine der abgefragten
Kulturaktivitäten gesetzt. Im Detail: 80 Prozent der Befragten haben im
abgefragten Zeitraum keine Oper besucht, 70 Prozent kein Bundes- oder
Landestheater (kleine Bühnen werden öfter besucht), und rund je 70 Prozent
kein klassisches, Volksmusik- oder Popkonzert (wenn auch diejenigen, die
Popkonzerte besuchen, dies zumeist öfter tun als in anderen Musikbereichen).
Ist Kultur zu teuer?
Überraschend scheint, dass gleichviele
Österreicher (je rund 55 Prozent) zumindest einmal in ein Museum gegangen
sind wie in einen Kinofilm. Kino und Ausstellungen sind auch diejenigen
Bereiche, in denen die Kartenpreise von den meisten als angemessen empfunden
werden. 47 Prozent halten Opernkarten für zu teuer, bei Theatertickets sind
es 41 Prozent, bei Popkonzerten 45 Prozent. Zum Vergleich: 63 Prozent halten
eine Ski-Tageskarte für zu teuer. 40 Prozent der Österreicher geben nicht
mehr als 20 Euro im Monat für Kulturaktivitäten aus. Die hohen
Eintrittspreise sowie mangelnde Zeit sind auch die häufigsten Gegenargumente
derjenigen, die gerne mehr an der kulturellen Vielfalt teilnehmen würden.
Lesen
Im Bereich des Lesens haben sich die Zahlen gegenüber 1989
zwar verbessert, sind jedoch immer noch nicht überragend: Knapp ein Fünftel
liest gar keine Bücher, ein weiteres Drittel ein bis vier Bücher pro Jahr.
Somit hat rund die Hälfte der Österreicher "keinen oder einen
nur sehr bescheidenen Zugang zu Büchern", heißt es in der Studie.
16 Prozent sind Viel-Leser. Ein Drittel der befragten kann sich in keiner
Fremdsprache verständigen, 45 Prozent lediglich in einer. Die Studie sieht
daher Bedarf an einer Fremdsprachenoffensive im Pflichtschulbereich sowie
vermehrter Animation zum Lesen.
Keine aktive Kulturbetätigung
Die große Mehrheit der
Kulturnation ist jedenfalls nicht selbst kulturell aktiv: Zwei Drittel der
Österreicher gehen keiner eigenen kulturellen Betätigung welcher Art auch
immer nach.