Alle rätseln: Wie viel Walser steckt hinter dem mysteriösen Ich-Erzähler?
Den Anfang macht der Satz: „Mir geht es ein bisschen zu gut.“ Dann kommt: „Zu träumen genügt.“ Und weiter: „Unfassbar sein, wie die Wolke, die schwebt.“ Wer diese Sätze spricht? Schwer zu sagen. Der Protagonist – ein Mann, soviel errät man immerhin, schreibt in Ich-Form. Manchmal spricht er aber auch vom Er, redet ein Du an oder bleibt beim Wir.
Martin Walsers neuer Roman Statt etwas oder Der letzte Rank wirft Fragen auf, die beim Lesen nur langsam leiser werden. Besonders dick ist das Buch nicht, knapp 170 Seiten füllt es aus. Doch in sie hineinzukommen, ist nicht leicht.
Alles Ausgeplauderte war peinlich
Auch die anderen Figuren helfen nicht weiter: Seine Frau nennt er Elvira, wenn sie ein bestimmtes grünes und silbernes Kleid trägt. „Und immer, wenn sie Elvira heißt, heiße ich Otto.“ Andere Namen, die sich das Paar gibt: Memle und Müsch, Caro und Elfe, Bert und Chriss. Wer sind sie wirklich? Einen kleinen Hinweis gibt lediglich der Bucheinband: „Hier schreibt einer, der auf sein Leben zurückblickt, und begreift.“
Feinde. Was man herausfindet: Walsers Protagonist will einiges hinter sich lassen. Theorien zum Beispiel, Gegner auch und Feinde. Sein Wesenswunsch sei es, zu verstummen, heißt es zu Beginn. Stattdessen wirft er sich selbst Geschwätzigkeit und Haltlosigkeit vor, ein andauerndes Plappern. „Immer erst nachher merkte er, dass er ununterbrochen geredet hatte. Und alles, was er ausgeplaudert hat, war peinlich. Er konnte nichts für sich behalten. Ihm fehlte eine Schranke.“
Affäre. Als Leser lässt man sich schließlich mittragen von dem Gedankenfluss, in dem Erlebnisse und Erlebtes vorbeiziehen. Ein Traum über einen Zug, vollbesetzt mit Verstorbenen, die Affäre, die an ihrem Erbrochenen erstickt.
Ich hätte ein Medikament nehmen sollen …
Die Frage, wie viel Walser in dem Protagonisten steckt, lässt sich beim Lesen nur schwer unterdrücken. Der Autor, der im März 90 Jahre alt wird, würde sich vielleicht über eine solche Frage ärgern: „Es ist ewig dasselbe. Ganz egal, was ich publiziere, es kommt immer die Frage nach der Wirklichkeit“, sagte er.
Schluss. Und doch: Walser hadert wohl mitunter mit seinem Sich-äußern-Müssen. „Wenn ich mich ganz weit von mir entferne, denke ich manchmal: Ich hätte mich beherrschen müssen. Ich hätte mich nie um etwas Politisches kümmern sollen, sondern einfach Romane schreiben. Schluss, Schluss, Schluss. Aber das habe ich nie gemacht. Ich hätte vielleicht ein Medikament nehmen sollen, irgendetwas Beruhigendes.“