Jüdische Gemeinschaft fordert aus Respekt die Absage des Stücks
Die geplante erste Deutschland-Aufführung des umstrittenen Fassbinder-Stücks "Der Müll, die Stadt und der Tod" stößt auf scharfe Kritik der jüdischen Gemeinschaft. Das Werk soll am 1. Oktober im Mülheimer Theater an der Ruhr gezeigt werden.
"Aus Respekt verzichten"
Der Zentralrat der Juden in
Deutschland und die Jüdische Gemeinde Duisburg/Mülheim forderten den
Theaterleiter Roberto Ciulli am Donnerstag, 17.9., auf, das Stück
abzusetzen. Das Theater sollte "aus Respekt vor den wenigen Überlebenden des
Holocaust und den Millionen von Toten auf die Aufführung verzichten", hieß
es in einer der dpa vorliegenden gemeinsamen Erklärung. Kritiker werfen dem
1975 entstandenen Werk über einen Frankfurter jüdischen Häuserspekulanten
antisemitische Tendenzen vor.
Gespräche scheiterten
Regisseur Ciulli sei mit dem Versuch
gescheitert, dem Stück von Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) eine
"aufklärerische Zielsetzung zu verleihen, die den Antisemitismus entlarvt
und damit bekämpft", sagten der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan
Kramer, und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Jacques Marx. Beide
hatten am Dienstag, 15.9., mit Ciulli und dem Dramaturgen Helmut Schäfer ein
Gespräch über das Stück geführt. Die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft
hätten auch das Angebot angenommen, einer der Proben beizuwohnen.
"Schablonenhafte Klischees"
"Das Fassbinder-Stück
stellt Charaktere schablonenhaft und mit den üblichen Klischees behaftet
dar", sagte Kramer. Trotz aller Bemühungen des Regisseurs, das Gegenteil zu
bewirken, bleibe der Zuschauer mit dem "Bild eines reichen, raffgierigen und
zerstörerischen Juden zurück, der sein Werk noch dazu auf dem Fundament des
Schuldvorwurfs gegen Deutschland vor dem Hintergrund des Holocausts
heimtückisch verrichtet".
Uraufführung des Skandalstücks scheiterte
Warum Ciulli
ausgerechnet mit diesem Stück einen Beitrag zum Kampf gegen den
Antisemitismus leisten wolle, bleibe das Geheimnis des Regisseurs, sagte
Kramer weiter. Das Werk habe zu "einem der größten Kulturkämpfe" in der
deutschen Nachkriegsgeschichte geführt. Die geplante Uraufführung des 1975
entstandenen Skandalstücks scheiterte schon 1985 an erbitterten Protesten
von Demonstranten. Auch 1998 kam eine geplante Aufführung am
Maxim-Gorki-Theater in Berlin nicht zustande. Uraufgeführt wurde das Stück
in New York 1987, auch in Tel Aviv wurde es gespielt.
Fassbinder-Abend
Der für sein humanitäres Engagement und
künstlerisches Schaffen vielfach ausgezeichnete Cuilli will das umstrittene
Stück einbetten in einen Abend mit drei Werken Fassbinders.