Ganzes Land trauert

Kinderbuch-Autorin Christine Nöstlinger gestorben

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Ihre Figuren wie "Die feuerrote Friederike" wurden zu internationalen Klassikern - Vielfach geehrte Autorin war auch gesellschaftlich und politisch engagiert.

Österreichs erfolgreichste Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger ist tot. Die Mutter legendärer Figuren wie der "Feuerroten Friederike" oder "Gretchen Sackmeier" verstarb - wie erst am Freitag bekannt wurde - bereits am 28. Juni mit 81 Jahren in Wien. Die Beerdigung in ihrem Geburtsbezirk Hernals fand im engsten Familienkreis am heutigen Freitag statt, wie Nöstlingers Verlag Residenz mitteilt.

"Mit ihr hat Österreich eine seiner international bedeutendsten literarischen Stimmen verloren", kondolierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen noch am Abend via Aussendung: "Wer je eine Geschichte von Christine Nöstlinger gelesen oder vorgelesen bekommen hat, dem bleibt ihr sprachlicher Witz, ihr Humor in Erinnerung." Nöstlinger habe ein realistisches Bild des Zusammenlebens gezeichnet.

Kinder- und Jugendliteratur revolutioniert

Nöstlinger habe die Kinder- und Jugendliteratur revolutioniert, schreibt ihr Verlag, indem sie sich mit kindlichen Bedürfnissen auseinandersetzte und Autoritäts- und Emanzipationsfragen aufgriff, sich Außenseiterfiguren widmete und auch Eheprobleme der Eltern sowie Kinder in schwierigen sozialen Verhältnissen darstellte. "Sie wurde zur prägenden Autorin der realistischen Kinder- und Jugendbuchliteratur, die sich auch gesellschaftskritischen und politischen Aspekten widmete", so der Residenz Verlag.

Dabei definierte sich die Autorin ungeachtet ihrer großen Erfolge am Buchmarkt für die nachwachsenden Leser stets als nicht "speziell kinderlieb". Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - wurde die am 13. Oktober 1936 als Tochter eines Uhrmachers und einer Kindergärtnerin geborene Wienerin zu einer Stimme für Selbstbewusstsein, die ihren jungen Lesern auf Augenhöhe begegnete, seit sie 1970 ihren Erstling "Die feuerrote Friederike" veröffentlichte. Der Text war so erfolgreich, dass sie sich fortan dem Schreiben widmen konnte.

Am Ende zählte ihr Oeuvre über 100 Werke, wobei zu den prägende Kindertiteln "Wir pfeifen auf den Gurkenkönig" (1972), "Ein Mann für Mama" (1972) oder "Anna und die Wut" (1990) gehören. Nöstlinger beließ es nicht bei der Skizzierung einer heilen Kinderwelt, sondern reflektierte gesellschaftliche Zustände, kombinierte Milieuschilderungen mit Sozialkritik.

Lange Liste der Ehrungen

Dabei blieb ihr Werk nicht auf Kinderliteratur beschränkt. In ihrem autobiografischen Roman "Maikäfer, flieg" (1973) und dem Nachfolger "Zwei Wochen im Mai" (1981) verarbeitete die selbst definierte "Buchstabenfabrik" ihre Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit. Nöstlinger verfasste auch Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke und arbeitete für den Rundfunk und diverse Zeitungen und Magazine. Zu Nöstlingers bekanntesten Texten für Erwachsene zählen die Dialekt-Gedichtbände "Iba de gaunz oaman Kinda" (1974), "Iba de gaunz oaman Fraun" (1982) und "Iba de gaunz oaman Mauna" (1987) - und ihr Kochbuch "Ein Hund kam in die Küche. Kleines Köchelverzeichnis für Männer" (1996).

Entsprechend lang fiel die Liste der Ehrungen für die Erfolgsautorin aus. Vom Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur bis zum Astrid-Lindgren-Preis, den "Nobelpreis für Kinderliteratur", reicht hier die Ehrengarde.

Das resche Gewissen

"Speziell kinderlieb", sei sie nicht, versicherte Christine Nöstlinger stets. Das war jedoch kein Hinderungsgrund, dass die resche Wienerin zur bedeutendste Kinderbuchautorin Österreichs aufstieg - und doch ein Oeuvre schuf, das weit über Kinderliteratur hinausreicht. Nun ist Christine Nöstlinger mit 81 Jahren verstorben, wie am Freitag bekannt wurde.
 
Geboren wurde Nöstlinger am 13. Oktober 1936 als Tochter eines Uhrmachers und einer Kindergärtnerin in Wien - der Stadt, der sie ein Leben lang eng verbunden blieb. Das Kind aus sozialistischem Elternhaus wollte ursprünglich zur bildenden Kunst und begann ein Studium der Gebrauchsgrafik an der Akademie für angewandte Kunst in Wien. Dann kamen jedoch zwei Ehen in die Quere und zwei Töchter (geboren 1959 und 1961). Da sich Nöstlinger als Hausfrau und Mutter eher langweilte, zeichnete und schrieb sie "Die feuerrote Friederike" (1970) - ein Klassiker bis heute.
 
Der Text war so erfolgreich, dass sie sich fortan dem Schreiben widmen konnte. So zählt ihr Oeuvre heute über 100 Werke. Dabei beließ es Nöstlinger nicht bei der Skizzierung einer heilen Kinderwelt, im Gegenteil. Als eine der ersten deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen reflektierte sie in ihrem autobiografischen Roman "Maikäfer, flieg" (1973) und dem Nachfolger "Zwei Wochen im Mai" (1981) Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit.
 
Weitere prägende Titel aus ihrer produktiven Zeit sind etwa "Die Kinder aus dem Kinderkeller" (1971), "Wir pfeifen auf den Gurkenkönig" (1972), von dem über eine Million Bücher verkauft wurden, "Ein Mann für Mama" (1972), "Achtung, Vranek sieht ganz harmlos aus" (1974), "Rosa Riedl Schutzgespenst" (1979), "Der Hund kommt!" (1987), "Der Zwerg im Kopf" (1989), "Anna und die Wut" (1990) oder "Villa Henriette" (1996), die wie zahlreiche weitere Bücher auch verfilmt wurde.
 

Nöstlinger setzte sich humorvoll mit Problemthemen auseinander

Nöstlinger setzte sich auf humorvolle Weise mit Problemthemen auseinander, kombinierte in ihren Büchern realistische Milieuschilderungen, Sozialkritik und Fantastik in einer Sprache mit Dialektanklängen und eigenwilligen Neuschöpfungen. "Ich muß mich nicht dauernd danach richten, was Erwachsene wollen! Ich bin ein freies Kind und weiß selbst am besten, was für mich gut ist", heißt es etwa in "Hugo, das Kind in den besten Jahren" (1984). Eine solche Einstellung markierte in Nöstlingers Anfangsjahren eine Zäsur innerhalb der Tradition der Zeigefinger-Kinderbuchliteratur und traf den liberalen Nerv der Generation nach 1968.
 
Die höchst produktive "Ein-Mann-Buchstabenfabrik" (Nöstlinger über Nöstlinger) verfasste aber auch selbst Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke und arbeitete - unter anderem als Literaturkritikerin - für den Rundfunk und diverse Zeitungen und Magazine. Für den ORF kreierte sie etwa 1979 die Hörfunkserie "Dschi-Dschei-Wischer", in ihren (unter anderen Titeln) auch in Buchform erschienenen Kolumnen für diverse Zeitungen klang stets das gesellschaftliche, politische Engagement der Autorin durch, die 1997 bis 1998 auch Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation "SOS Mitmensch" war. Sie war lakonisch-humorvolle Kommentatorin, das Paradebeispiel einer Wienerin mit Herz, die dabei aber selten einen Mundwinkel verzog.
 
So blieb Nöstlingers Wirken nicht auf die Welt der kleinen Menschen beschränkt. "Eine Frau sein ist kein Sport", heißt etwa eine zum 75er als "Hausbuch für alle Lebenslagen" erschienene Kolumnensammlung (Residenz Verlag). Zu Nöstlingers bekanntesten Texten für Erwachsene zählen die Dialekt-Gedichtbände "Iba de gaunz oaman Kinda" (1974), "Iba de gaunz oaman Fraun" (1982) und "Iba de gaunz oaman Mauna" (1987). An Sachbüchern erschien unter anderem "Ein Hund kam in die Küche. Kleines Köchelverzeichnis für Männer" (1996) und "ABC für Großmütter" (1999) - eine Rolle, die sie zuletzt selbst auch im Privatleben einnahm. Ihre beiden Töchter Christiane Nöstlinger und Barbara Waldschütz steuerten die Illustrationen zu einer Reihe ihrer Bücher bei.
 

Schier endlose Liste an Auszeichnungen

Aber nicht nur innerfamiliär wurde Christine Nöstlinger für ihr Schaffen gewürdigt, schier endlos nimmt sich die Liste der Auszeichnungen aus, welche die Wienerin im Laufe ihres Lebens erhielt. 1974, 1979 und 1987 gab es den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur, 1984 empfing sie für ihr Gesamtwerk den Hans-Christian-Andersen-Preis, 1998 den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln und 2003 den ersten Astrid-Lindgren-Preis, den "Nobelpreis für Kinderliteratur". Im gleichen Jahr wurde Nöstlinger das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen, 2011 das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik. 2014 kam noch der Österreichische Kinder- und Jugendbuchpreis für "Als mein Vater die Mutter der Anna Lachs heiraten wollte" und vor zwei Jahren, 2016, der Lebenswerkpreis des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen hinzu.
 
Zuletzt verschlechterte sich der Gesundheitszustand der legendären Raucherin jedoch zusehends. "Es steht nicht zum Besten - aber es ist noch ein angenehmes Leben", hatte Nöstlinger aus Anlass ihres 80. Geburtstag 2016 der APA versichert. Vor einigen Tagen ist Christine Nöstlinger, wie erst am Freitag bekannt wurde, nun im Alter von 81 Jahren verstorben. Das Begräbnis fand im kleinen Kreis in Wien statt.
 
 
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