„Lerne dankbar zu sein“

Ex-‚Vorstadtweib‘ Ebm: Ehrliche Worte über Corona-Alltag

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"Habe jetzt einen viel schwierigeren Job": Martina Ebm spricht vielen Eltern aus der Seele. 

Die Fotoprobe konnte noch stattfinden. Doch zwei Tage vor der für 12. März im Theater in der Josefstadt geplanten Premiere des "Geheimnis einer Unbekannten" von Christopher Hampton nach Stefan Zweig musste Coronavirus-bedingt abgesagt werden. Auch der neue Termin am 9. April hält nicht. Wie gehen die Schauspieler mit der Ausnahmesituation um? Hauptdarstellerin Martina Ebm gab der APA per E-Mail Auskunft.

Abbruch am Tag vor Premiere

Frau Ebm, Sie hätten ja mit "Geheimnis einer Unbekannten" Premiere haben sollen - und landen mitten in einer bisher uns allen unbekannten Situation. Wie geht es Ihnen damit?
Martina Ebm: Na ja, es ist schon schade, so weit in ein Stück einzutauchen, es bis zur Generalprobe zu erarbeiten, um es dann am Tag vor der Premiere abbrechen zu müssen. Aber mir ist der Ernst der Lage durchaus bewusst, und ich weiß, dass diese Maßnahmen jetzt notwendig sind. Aufgeschoben ist ja bekanntlich nicht aufgehoben.

Familie steht Kopf

Wie hat man sich Home-Office bei einer Schauspielerin vorzustellen? Was ist da zu tun?
Ebm: Ehrlich gesagt habe ich jetzt einen viel schwierigeren Job: Ich bin Mutter von drei Kindern und muss mir täglich Neues einfallen lassen, um meine Kinder bei Laune zu halten. Unsere Familie steht Kopf. Nachdem wir alle versorgt und schlafen gelegt haben, kann ich mich Dingen widmen, die ich zu tun habe, wie Text Lernen, Recherchieren oder die Arbeit in meinem neuen Tonstudio. Das habe ich mir jetzt nämlich in meinem Kleiderschrank eingerichtet, damit ich von zu Hause aus arbeiten kann.
 
Bei vielen Menschen ist das derzeit eine Gratwanderung. Plötzlich hätte man mehr Zeit für die Familie, soll aber gleichzeitig arbeiten und Kinder betreuen. Wie lösen Sie das?
Ebm: Ich weiß wirklich nicht, wie das Mütter und Väter schaffen, die Fristen und Deadlines einhalten, Telefonate führen, sich ihrer Arbeit und gleichzeitig den Kindern und dem Homeschooling widmen müssen. Und dabei erwähne ich Alleinerzieherinnen noch gar nicht. Da sieht man jetzt, wer die wahren Helden sind. Menschen, die in systemerhaltenden Berufen arbeiten, für uns jeden Tag aufstehen und ihre Gesundheit riskieren. Der Begriff "Helden des Alltags" wird ja gerade sehr oft strapaziert. Es ist traurig, dass wir erst so eine Krise brauchen, um zu sehen, was diese Menschen tagtäglich leisten. Nur reicht es nicht, für diese Menschen ein paar Mal zu klatschen und Worthülsen von sich zu geben. Ich bin sehr gespannt, wie die nächsten Lohnverhandlungen zwischen den Sozialpartnern verlaufen werden und hoffe inständig, dass man dann nicht die Leistung dieser Menschen vergisst.
 
Als fix in einem Ensemble befindliche Schauspielerin haben Sie vermutlich mehr Sicherheit als viele Kolleginnen und Kollegen. Gibt es aber auch bei Ihnen Absagen oder Unsicherheiten, etwa bei kommenden Festspiel-Einsätzen, die fraglich sind, oder bei Film- und Fernsehdrehs?
Ebm: Ich darf mich in meiner Situation wahrlich nicht beschweren. Für viele meiner Kolleginnen und Kollegen geht es gerade um das pure Überleben. Mir blutet das Herz, dabei zusehen zu müssen, dass diese Menschen so im Stich gelassen werden. Es herrscht leider noch immer das Vorurteil, dass Künstlerinnen und Künstler mit der Entscheidung ihren Beruf ausüben zu wollen ein bewusstes Risiko eingehen, das sie dann auch selbst ausbaden müssen. Das ist traurig, unsolidarisch und untragbar für eine moderne, europäische Gesellschaft.

„Lerne dankbar zu sein“

Wie sehr leiden Sie als Theatermensch bereits unter Entzugserscheinungen? Nicht spielen dürfen, die Kolleginnen und Kollegen nicht sehen zu können - wie nervend ist das bereits?
Ebm: Im Moment bin ich für meine Familie da. Ich nehme die Situation an und freue mich natürlich auch, so eine intensive Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Und das ist gut so, ich lerne dankbar zu sein für ganz selbstverständliche Dinge, die man sonst unhinterfragt hinnimmt. Man kann manche Situationen einfach nicht ändern, aber den eigenen Blick darauf.
 
Wie lässt sich unter solchen Bedingungen eine praktisch fertig geprobte Produktion wie "Geheimnis einer Unbekannten" frisch erhalten, damit sie möglichst rasch wieder "aufgetaut" werden kann?
Ebm: Ich gehe oft vor dem Schlafen das Stück im Kopf noch einmal durch. Aber frisch bleibt es ja nur, wenn man sich spontan beim Spielen auf die Situation einlässt, und das passiert wahrscheinlich und hoffentlich, wenn wir es dann endlich spielen können! Ich gebe zu, dass ich es kaum erwarten kann.
 
Was ist Ihre Prognose: Wann darf wieder gespielt werden?
Ebm: Ach, da gebe ich keine Prognose ab. Ich schaue die Nachrichten wie wahrscheinlich alle ÖsterreicherInnen im Moment und weiß, dass wir derzeit einfach mal abwarten müssen, um zu wissen, wann unser Leben wieder "hochgefahren" wird.
 
Wird sich durch diesen Shutdown das Kulturleben nachhaltig ändern? Werden die Leute am Ende plötzlich draufkommen, dass sich ohne Theater vielleicht auch leben ließe?
Ebm: Ein Leben ohne das Theater wäre ein sehr trauriges. Ich glaube daran, dass die Menschen auf die Magie des Theaters nicht freiwillig verzichten und hoffe sehr, dass es bald wieder so weit sein wird, dass wir spannende und berührende Geschichten auf die Bühne bringen.
 
Laufen Sie derzeit auch Gefahr, Couchpotatoe zu werden und deutlich mehr Zeit vor digitalen Devices zu verbringen als gesundheitlich ratsam?
Ebm: Ich versuche Struktur in unseren neuen Alltag zu bringen. Ich bin nach der Quarantäne wahrscheinlich fitter als vorher, da ich den ganzen Tag drei kleinen Kindern nachrenne. Da laufe ich eher Gefahr, vor lauter Erschöpfung zu Mittag schon einzuschlafen.
 
Manche reden auch jetzt von der "Krise als Chance". Welche Chance könnte Ihnen bzw. der Gesellschaft diese Coronavirus-Krise eröffnen?
Ebm: Ob man das alles nach der Krise noch immer als Chance sehen wird, würde ich sehr gerne glauben, bezweifle ich aber leider. Ich befürchte eher, dass es leider nicht so unwahrscheinlich ist, dass wir in den Wahnsinn des alten Alltags so schnell wie möglich wieder einsteigen werden. Es ist wie mit der Gesundheit, man weiß erst, wie kostbar sie ist, wenn man krank wird, aber die wenigsten denken daran, wenn sie gesund sind. Deswegen ist es jetzt auch eine Chance um zu reflektieren und sich zu überlegen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Ich möchte in einer leben, in der wir aufeinander schauen und solidarisch sind. Hoffentlich ist jetzt die Chance dafür! Wir haben jetzt die Chance, dankbar für die alltäglichen, selbstverständlichen Dinge in unserem Leben zu sein. Diese Krise zeigt uns, wie stark wir zusammen sein können, da jede und jeder Teil dieses Kollektivs ist und mit seinem Tun sehr viel bewirkt.

 

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