Anlässlich des nahenden Festtages spricht Marika Lichter über Siege & Niederlagen, schöne & schmerzvolle Erinnerungen.
Stets die Contenance zu wahren, immer stark und fröhlich zu sein, ist Marika Lichters oberstes Gebot. Verletzungen und Enttäuschungen wurden „vergraben“. Zumeist unter der harten Arbeit, die sie Zeit ihres Lebens für ihren Erfolg als Schauspielerin, Sängerin und schließlich renommierte Künstlermanagerin leisten musste. Selten emotional zeigte sich Lichter, die am 24. Oktober ihren 60. Geburtstag feiert, als ihr Uwe Kröger nach 20 Jahren die Zusammenarbeit und somit die Freundschaft kündigte (in MADONNA sprach Kröger letzte Woche erstmals über den Eklat). Einen Einblick in die Hochschaubahn ihrer Gefühle gewährte die „Dancing Queen“ jetzt auch im großen MADONNA-Geburtstagsinterview, in dem sie offen über ihre Scheidung und berührend über ihre jüdischen Wurzeln spricht.
Frau Lichter, in der letzten Ausgabe von MADONNA sagt Uwe Kröger, er sei enttäuscht von Ihnen, weil Sie öffentlich über seine Vertragsauflösung gesprochen haben. Was empfinden Sie, wenn Sie das lesen?
Marika Lichter: Die Sache mit Uwe war sicher die größte Enttäuschung meines Lebens. Aber ich muss meine Seele raushalten aus der Geschichte. Nur eines möchte ich noch bemerken: nämlich, dass nicht ich, sondern Herr Fechter an die Öffentlichkeit gegangen ist. Drei Tage nach Uwes Mail an mich hat er eine APA-Aussendung gemacht und erklärt, dass er ab sofort der neue Manager sei. Geschmackvollerweise hat Herr Fechter den von mir geschriebenen Text aus Uwes Biografie dann auf seine Website gestellt. Alles, was nachher passiert ist, waren ausschließlich Reaktionen auf seine Aktion.
Zurück zum eigentlichen, schönen Anlass unseres Gesprächs: Sie feiern am 24. Oktober Ihren 60. Geburtstag. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?
Lichter: Ich kann damit gar nichts anfangen. Das sind für mich nur Zahlen, mit denen ich auch gar kein Problem habe. Ich stehe dazu, wie alt ich bin. Und bin auch stolz darauf. Ich finde es besser, als dass ich jetzt 45 wäre und die Leute sagen: ‚Bumm, die schaut aus!‘ Meine Mutter sagte immer: Jugend ist eine Krankheit, die von Tag zu Tag besser wird!
Wie werden Sie feiern?
Lichter: Im Rahmen eines kleinen Festes mit meinen Freunden, in der Galerie im Palais Coburg.
Sie sind beruflich unglaublich aktiv. Ist der 60er Anlass für eine Zäsur, sich einmal ein wenig zurückzulehnen?
Lichter: Ich war im Sommer schon ziemlich ruhig. Am Wochenende habe ich gespielt, aber dazwischen habe ich einfach den Wörthersee genossen. Da bin ich draufgekommen, dass mir die Ruhe guttut, dass ich sie brauche. Deshalb habe ich mir vorgenommen, einen Tag in der Woche Laptop-frei zu machen. Das habe ich auch durchgehalten – zwei Wochen. Dann wurde ich rückfällig (lacht). Weil ich informationssüchtig bin. Es macht mich wahnsinnig, wenn unerledigte Arbeit herumliegt!
Gibt es einen materiellen oder emotionalen Wunsch, den Sie sich zum 60er erfüllen wollen?
Lichter: Darüber habe ich auch schon nachgedacht... Aber man kann mit dem lieben Gott keine Geschäfte machen. Auch zum 60er nicht. Man muss sich alles selbst erarbeiten. Ich würde gerne gelassener werden, mir die Sachen nicht mehr so zu Herzen nehmen. Und: Ich will Berufliches von Privatem mehr abstrahieren – bei mir ist das alles miteinander sehr verwoben. Ich denke, es wäre gut, ein bisschen mehr Abstand zu nehmen...
...und vieles nicht so persönlich zu nehmen?
Lichter: Ja! Untertags kann ich das schon ganz gut. Ich habe dafür sogar ein Training mittels Biofeedback gemacht. Dabei kam natürlich raus, dass ich ein Controllfreak bin. Das hat mir mein Sohn Pauli schon immer gesagt. Aber ich habe mich schon ein bisschen gebessert – nur in der Nacht nimmt mein Unterbewusstsein oft Überhand. Dann kommen alle Ärgernisse raus und tausend Dinge fallen mir ein. Dann stehe ich auf und formuliere böse Mails, die ich zum Glück nie abschicke (lacht).
Man kennt Marika Lichter von der Bühne, aus dem TV – über Ihre Kindheit weiß man wenig.
Lichter: Ich war ein behütetes Kind, made in Hungary, born in Vienna. Mein Vater war Pole, meine Mutter Ungarin. Das künstlerische Talent habe ich von beiden. Mein Opa mütterlicherseits war Opernsänger, meine Mutter und meine Großmutter hatten ein Klaviergeschäft in Budapest. Und mein Vater hat Gesang studiert. Durch den Krieg konnten aber beide nicht ihren Karrieren nachgehen – so war ich die logische Fortsetzung. Ich habe mit drei Jahren begonnen, Klavier zu spielen und Ballett zu tanzen. Aber ich wurde nie dazu genötigt, nur sehr gefördert.
Ihre Eltern sind im Krieg nach Wien geflohen. Wie haben Sie das Nachkriegs-Wien, als jüdisches Mädchen, erlebt.
Lichter: Es war nicht einfach. Wir waren ja Flüchtlinge. Eigentlich wollten meine Eltern nach Australien oder Amerika. Aber weil ich Keuchhusten bekam, erhielten sie keine Einreisegenehmigung. Dafür waren sie mir bis zu ihrem Tod dankbar. Meine Eltern haben Wien geliebt. Aber es war nicht immer schön: Egal, wo man war, bekam man Judenwitze zu hören. Mit zehn Jahren hat mich ein Mädchen als Judensau beschimpft. Eine schlimme Zeit (kämpft mit den Tränen). Meine Eltern waren ja beide während des Kriegs im KZ. Das muss so furchtbar gewesen sein... (beginnt zu weinen). Aber über diese Zeit wurde nie bei uns gesprochen. Meine Eltern mussten es wohl verdrängen, was da alles passiert ist. Von anderen Leuten habe ich später erfahren, wie mein Opa gestorben ist. Pfeilkreuzler – die Vorgänger der Nazis in Ungarn – haben ihm auf der Straße die Hose runtergezogen, gesehen, dass er Jude ist. Und haben ihn erschlagen... (Lichter muss kurz das Interview unterbrechen).
Ich habe mich immer geschämt, ein jüdisches Mädchen zu sein. Wollte immer so sein wie die anderen. Nur nicht auffallen.
Wann hat sich das geändert?
Lichter : Nie. Bis heute nicht. Ich würde mich nie in einer Schlange vordrängen. Zum Erfolg kam ich nur durch harte Arbeit. Ich hatte immer das Gefühl, besser sein zu müssen als die anderen.
Nach außen wirken Sie immer sehr tough – wer kennt Ihre sensible, weiche Seite?
Lichter: Meine gute Freunde kennen sie alle. Und: mein Sohn! Der Pauli ist wirklich eine unglaubliche Stütze.
Sie waren Alleinerzieherin. Haben Sie Ihre Scheidung als Scheitern angesehen?
Lichter: Diese Ehe war ein Scheitern, bevor sie überhaupt angefangen hat. Ich war 14 Jahre lang mit Paulis Vater, einem Osttiroler, zusammen, neun davon waren wir verheiratet. Ich wollte es einfach wissen. Dachte, ihn erziehen zu können. Wir waren sehr verliebt, und der Paul war ein absolutes Wunschkind. Doch sein Vater war furchtbar untreu. Er hat immer alles bestritten, aber ich wusste es natürlich. Eines Tages habe ich ihn rausgeschmissen. Die Zeit danach war schwer. Für mich, aber auch für meinen Sohn.
Kam danach je ein Mann, der das, was Ihr Ehemann kaputt gemacht hat, wieder gutmachen konnte?
Lichter: Es kamen einige – die haben es noch kaputter gemacht!
Sind Sie heute das, was man einen glücklichen Single nennt?
Lichter: Mehr oder weniger. Das heißt: Ja.
Könnten Sie sich vorstellen, in einer Beziehung zu leben?
Lichter: Ja, durchaus. Obwohl ich viele Enttäuschungen erlebt habe, denke ich trotzdem nicht über alle Männer schlecht. Ich glaube, man darf sich nur nicht zu viel erwarten (lacht).
Zurück zu Ihrer Karriere – was war für Sie Ihr größter Erfolg?
Lichter: Zweifelsohne mein Sieg bei Dancing Stars. Weil das so unabsehbar war.
Und Ihre größte Niederlage?
Lichter: (überlegt) Das waren eher Enttäuschungen in meiner Jugend, wenn ich eine Rolle nicht bekommen habe.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Lichter: Was ich mir auf keinen Fall vorstellen kann, ist, nichts zu machen. Ich möchte endlich mein Buch schreiben. Ein Soloprogramm plane ich auch für demnächst. Mal sehen. Das Schöne am Altwerden ist, dass man den Dingen nicht mehr nachlaufen muss. Mir rennt nichts mehr davon – das ist wunderbar!