Bauen und Wohnen

Gemütliche Sachlichkeit in der Architektenwohnung

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Ein Loft, das wächst: Wenn Architekt Erich Bernard für sich selbst den Zeichenstift in die Hand nimmt, entsteht dabei Raum zum Wohnen – und zum Herzeigen.

Auf drei Prinzipien beruht das Loft des Wiener Architekten Erich Bernard: „Konsequenter Materialein­satz, ausreichend natürliches Licht und eine gewisse Weichheit zum Wohlfühlen.“ Was sich in etwa wie eine Anleitung zum perfekten Wohnen eines weltfrem-den Universitätsprofessors liest, eröffnet sich dem Besucher dieses Lofts erst bei genauerer Betrachtung. So viel lässt sich jedoch gleich vorwegnehmen: Bereits beim ersten Blick wirkt diese Wohnung gemütlich, einladend und überaus freundlich - trotz der weiß gelackten Wände wie aus einer Zahnarztpraxis. 120 Quadratmeter leeren Raum hat der Architekt Erich Bernard mit seiner Frau Barbara vor einigen Jahren im 4. Wiener Gemeindebezirk bezogen. ­„Eine typische Etage einer alten Fabrik aus der Jahrhundertwende“, erzählt der Lofteigentümer. Konkret: „Ein ehemaliges technisches Konstruktionsbüro mit überdimensionalen Fenstern.“ Sozusagen der perfekte Spielplatz, um sich als Planer für seine eigenen vier Wände ausleben zu können. „Ich habe mich daher auch fast immer nur für die experimentelle Lösung bei der Planung entschieden“, ergänzt Erich Bernard. Und er hat sich viel Zeit gegeben, um den Raum erfühlen und kennenlernen zu können.

So experimentell präsentiert sich dieses Loft dem neugierigen Besucher heute jedoch nicht mehr. Der Raum überzeugt vielmehr durch die gekonnte Aufteilung des vorhandenen Platzes. „Als wir eingezogen sind“, erzählen die Bernard-Roseneggers, „gab es im Loft tatsächlich nur ein einziges abgetrenntes Zimmer.“ Nämlich das Bad als frei stehenden Kubus mitten im Raum. Erst mit der Geburt der Tochter veränderten sich die Lebensgewohnheiten und somit auch das Loft - jedoch nur als Erweiterung des vorhandenen Prinzips, Schränke als Wandabteilungen zu nutzen.

„Ich würde mich als Stauraumfetischisten bezeichnen, der unendlich viel Platz zum Lagern und Aufheben braucht“, plaudert Erich Bernard und erklärt damit auch die wichtigste Funktion der eingebauten Wände: „Diese können von beiden Seiten wechselweise als Schrank genutzt werden.“ Gleichzeitig sind sie jedoch wie gemauerte Wände als bewusste Raumteiler aufgestellt. Die Grundform dieses Lofts lässt sich ungefähr mit einem Schuhkarton vergleichen. Genau dieses kubische Motiv findet sich als Form im Inneren der Wohnung wieder – teilweise bewusst auf- und unterbrochen: „Mein Zuhause sollte nicht steril und bei aller Funktionalität immer noch zum Wohlfühlen sein“, lautet die Erklärung des Fachmanns. Kein Wunder auch, dass die Türen der abgetrennten Räume sich zu ­ einer großen Flucht öffnen lassen und somit ein räumliches Pendant zum 17 Meter langen Wohn- und Lebensbereich auf der gegenüberliegenden Seite bilden.

Auf der einen kurzen Seite des quadratischen Grundrisses befindet sich gleich neben der Eingangstür die Küche – eine Maßarbeit nach eigenen Entwürfen. Als überzeugter Hobbykoch legte Erich Bernard jedoch großen Wert auf ­eine erhöhte und vor allem tiefe Arbeitsplatte. Stahl und das glänzende Weiß der Schränke bilden einen angenehmen Gegensatz. Kleine Spielerei am Rande: Ein Teil der Schränke lässt sich komplett öffnen, um so den Arbeitsbereich der Küche bei Bedarf noch zu vergrößern. Nur bei den Möbeln wurde scheinbar gespart? „Genau, beim Einrichten ist uns das Geld ausgegangen“, lässt sich der Architekt nicht provozieren und erklärt: „Wir haben Stauraum geschaffen, einen Tisch, Stühle und ein Bett.“ Nachsatz: „Mehr ist doch zum Wohnen nicht notwendig, oder?“ Dagegen lässt sich wenig sagen …

Atmosphärischen Mehrwert brächten zusätzliche Möbel in diesem Wohnloft auch tatsächlich nicht. Schließlich wurde mit alten und neuen Bildern, Urlaubsmitbringseln und Erinnerungsstücken ein positives Raumgefühl geschaffen, das auf ganzer Länge überzeugt - und darüber hin­aus noch den individuellen Charakter der Bewohner unterstreicht. Solange man weiß, wie es geht, und es sich vermeiden lässt, in einem kalten Designmuseum zu leben. Dafür hat Bernard sehr geschickt harte kalte und weiche warme Materialien in Verbindung gesetzt, um die geforderte Gemütlichkeit zu bekommen. „Das harte Weiß der Einbauschränke haben wir ganz bewusst mit den natürlichen Farbunterschieden des Eichen­bodens gebrochen“, lautet beispielsweise ein weiteres Credo der Bauherrn. Genauso, wie die riesigen Fensterfronten an den langen Seiten der Wohnung mit weichen, weißen Stoffen nicht vor allzu harter Sonneneinstrahlung schützen, sondern durch ihre fließende Anordnung das Starre dieses Basiskonzepts charmant aus­hebeln.

Eine Besonderheit darf nicht vergessen werden: Die vielen Fugen, die durch die Nutzung der Wände als Schränke auf ganz natürliche Weise entstehen, wurden als Thema vom Architekten aufgenommen und bewusst in der ganzen Wohnung weitergeführt - etwa beim Fußboden: Das Eichenparkett schwimmt scheinbar wie eine Abdeckplane eines Pools auf – ganz ohne Verbindung zu den Wänden. Denn auf Sockelleisten, die eine künstliche Verbindung von Wand und Boden herstellen, wurde bewusst verzichtet. Eine Fuge schafft stattdessen ­einen natürlichen Übergang - und trägt zu diesem schwer beschreibbaren Gefühl des Schwebens bei, das dieses Loft so besonders auszeichnet.

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