Es war der erste Angriff, auf den ein wahrer Bandenkrieg zwischen Tschetschenen und Syrern in Wien folgte: Jetzt gestand ein junger Kaukasus-Wiener, der wegen zweifachen Mordversuchs vor Gericht stand, warum er am Reumannplatz zustach. Das Verfahren muss in Gänze wiederholt werden.
Wien. Vor Gericht standen der hauptangeklagte Sohn (22) und sein 46-jähriger Vater. Zu dem ganzen Ungemach - das am Freitag am Straflandesgericht verhandelt wurde - war es gekommen, am Nachmittag des 1. März am Reumannplatz von einem 21-jährigen Syrer angeblich auf Drogen angesprochen worden. Das habe den Tschetschenen provoziert, denn er hasse Suchtgift. Das habe ihn aggressiv gemacht. Es kam zu Tätlichkeiten, wobei der Tschetschene den Kürzeren zog, da ihn sein Kontrahent mit Pfefferspray besprühte und ihm einen Kopfstoß versetzte. Dann lief der Syrer davon.
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Der junge Tschetschene ging nach Hause, wo er sich mit seinem Vater besprach. Dem 46-Jährigen sei es aber nicht darum gegangen, Rache zu nehmen, wie der Verteidiger der zwei Angeklagten, Florian Kreiner, betonte: "Der Vater ist ein friedlicher, absolut aggressionsfreier Mann. Er ist im Rat der Tschetschenen vertreten. Er hat in der Vergangenheit friedensstiftende Aktionen gemacht." Er habe sich daher am Abend mit seinem Sohn zum Reumannplatz begeben, um mit den Widersachern das Gespräch zu suchen. "Man hat das Ganze aus der Welt schaffen wollen", beteuerte Kreiner. Als der Hauptangeklagte die beiden Syrer wiedersah, sei aber sofort eine Schlägerei entstanden.
Auch der Vater des Angeklagten musste sich vor Gericht verantworten, will aber gar nicht gemacht haben außer aufzupassen.
"Ich wollte den ersten verletzen, aber nicht töten", schilderte der Hauptangeklagte den Geschworenen, um anzumerken: "Es kommt von unserer Herkunft her, dass man nicht die richtigen Sachen macht in so einer Situation." Als er den 21-Jährigen vor sich sah, "hab' ich mich nicht zurückhalten können. Ich bin ihn angegangen." Die Gruppe - der 21-Jährige sei von mehreren Landsleuten umgeben gewesen - hätte Flaschen in seine Richtung geworfen: "Aus Angst habe ich das Messer gezogen." Er habe den 21-Jährigen dann "in den Clinch genommen und angefangen zu schlagen" und schließlich zugestochen: "Die Jungs sind dort bekannt wegen keiner guten Sachen am Reumannplatz. Da wollte ich, dass er nicht in der Lage ist, mich und meinen Vater zu verletzen." Er habe sich "nicht aussuchen können", wo der Stich hingeht: "Ich hatte vor, die Rache zu nehmen, aber nicht, dass er stirbt."
"Er hat mir Angst gemacht. Stich ich zu"
Nach dem ersten Stich entfernten sich Vater und Sohn Richtung Quellenplatz, wo sie nach Darstellung des 22-Jährigen plötzlich Dutzenden mit Flaschen, Stöcken und Messern bewaffneten Syrern gegenüberstanden. Das zweite Opfer, ein 18-jähriger Syrer, sei ihn "angegangen", schilderte der Hauptangeklagte: "Er hat mir Angst gemacht. Stich ich zu." Dass das Messer wieder in die Brust ging, "ist nicht geplant gewesen. Es war zufällig." Auf die Frage, weshalb der 18-Jährige ihn in Angst versetzt hätte, meinte der junge Tschetschene: "Er hat ein paar Schritte vor gemacht." Offenbar zu schnell.
Stundenlange Beratung
Die Verhandlung war ursprünglich bis 16.00 Uhr anberaumt. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings noch nicht einmal das Beweisverfahren abgeschlossen. Die Urteile waren somit nicht vor den späten Abendstunden da, und dann auch sehr überraschend: Die acht Geschworenen verneinten nach stundenlangen Beratungen die Anklage und befanden den Hauptangeklagten der zweifachen absichtlichen Körperverletzung für schuldig. Dem 46 Jahre alten Vater billigten sie gerechtfertigte Notwehr in einer Nötigungssituation zu.
Die drei Berufsrichter - zwei Männer und eine Frau - akzeptierten diese Entscheidung nicht. Sie setzten den Wahrspruch wegen Irrtums der Geschworenen aus. Damit muss die gesamte Verhandlung vor einem neu zusammen gesetzten Schwurgericht wiederholt werden. Der 22-Jährige bleibt in U-Haft, sein Vater wurde nach der Verhandlung mangels dringenden Tatverdachts enthaftet.