In Deutschland werden Rufe nach Abschottung laut. Österreich muss vor Grenzzaun zittern.
Schockierende Ansage aus Deutschland: Polizeigewerkschafts-Boss Rainer Wendt fordert Grenzzäune zu Österreich als Schutz vor dem Flüchtlingsansturm. Das Kalkül: „Dann wird auch Österreich die Grenze zu Slowenien schließen. Genau diesen Effekt brauchen wir“, sagte Wendt zur Welt am Sonntag.
Schon am Wochenende ging an den fünf Übergängen, die die Flüchtlinge nach Bayern passieren, zeitweise nichts mehr. Die Behörden waren überfordert. 600 Menschen auf einmal wollten etwa die Grenze bei Braunau passieren. Werden die Grenzen dauerhaft für Flüchtlinge geschlossen, prophezeien österreichische Experten eine Katastrophe. „Das führt zu Chaos, das beide Länder nicht wollen“, sagt Klaus Jäger, der die Flüchtlings-Transporte in Quartiere und zur Grenze koordiniert.
Neue Route: Spielberg – Graz – Linz – Deutschland
Ungarns Grenzzaun zeigt indes Wirkung: In Nickelsdorf gab es bis zum Sonntagnachmittag keine Neuankünfte. Die Lage an den übrigen Hotspots:
(1) Über 2.000 Menschen kommen täglich in Spielfeld und Bad Radkersburg (Stmk.) an. Eine neue Welle aus Mazedonien ist unterwegs.
(2) Per Zug geht es für die meisten zunächst nach Graz, eine neue Drehscheibe. Rund 1.000 Flüchtlinge sind hier in Transitquartieren.
(3) Die Ausreise nach Bayern verlagert sich zunehmend auf Oberösterreich. Ein Großteil der Ankommenden wird rasch über Linz transportiert.
(4) Richtung Passau dürfen 130 Menschen in der Stunde vier dortige Grenzübergänge passieren. Hinzu kommen 2.000 Menschen im normalen Zugverkehr. Macht insgesamt gut 5.100 Ausreisen am Tag.
(5/6) Ausweichrouten führen über Kärnten oder Wien. Dort gibt es noch 2.000 Quartiere, die als Puffer dienen.
(7) Nur 20 Menschen stündlich dürfen bei Salzburg über die Grenze. Die Transitquartiere waren mit 1.537 Menschen am Sonntag übervoll.
All das hängt vom Wohlwollen Deutschlands ab. Zur Beruhigung soll Österreich nun sogar Slowenien um Begrenzung der Flüchtlingseinreise auf 1.500 Menschen am Tag gebeten haben.
Erik Kühnelt
Dieser deutsche Polizisten-Chef will Grenz-Zaun
„Wenn wir ernst gemeinte Grenzkontrollen durchführen wollen, müssen wir einen Zaun entlang der deutschen Grenze bauen.“ Damit schockt der Chef der deutschen Polizeigewerkschaft Österreich. Mit diesem Zaun will er Österreich zum Grenze-Dichtmachen zwingen.“
Interview: »›Grenzen dicht‹ führt zu Chaos«
ÖSTERREICH: Wie sieht die Lage an den Grenzen aus?
Klaus Jäger: Zwei Drittel der Flüchtlinge kommen in Spielberg an, ein Drittel in Bad Radkersburg. Sie werden per Bus zum Bahnhof gebracht und dann mit Sonder- und Regelzügen weiter verteilt, vor allem in Richtung Oberösterreich.
ÖSTERREICH: Von wie vielen Menschen sprechen wir?
Jäger: Derzeit sind es rund 3.000 am Tag. Doch am Balkan ist die Bewegung ungebrochen – wenngleich es jetzt durch das Schlechtwetter eine Verzögerung gibt.
ÖSTERREICH: Deutschland blockiert seine Grenzen immer wieder für Flüchtlinge. Was passiert, wenn sie ihre Übergänge endgültig zumachen?
Jäger: Man merkt schon seit Wochen, dass sie immer weniger Flüchtlinge akzeptieren. Werden die Grenzen dauerhaft dichtgemacht – ob Zaun oder nicht – werden die Menschen den Weg über die grüne Grenze nehmen. Das führt zu einem Chaos, das weder Deutschland noch Österreich wollen.(küe)