Eklat bei Mordprozess

Killer-Cop: Verteidigerin gibt Opfer Schuld

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Polizist vor Gericht: "Wollte die Beziehung unbedingt retten."

Unter enormem Publikumsinteresse hat am Donnerstag in Wien der Prozess gegen einen Polizisten begonnen, der seine schwangere Lebensgefährtin und sein Kind getötet haben soll. Der 24-Jährige, der die Tat seit Längerem geplant haben dürfte, soll Anfang Oktober 2016 die Frau erschossen und tags darauf seinen 22 Monate alten Sohn erwürgt haben. Dem Mann drohen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

Angeklagter mit Tränen vor Gericht

Der Große Schwurgerichtssaal war brechend voll. Sogar die Zuschauergalerie musste geöffnet werden. Nicht alle fanden zunächst einen Platz, sodass der Prozess mit ein wenig Verspätung gestartet ist, bis der Vorsitzende des Schwurgerichts, Richter Stefan Apostol, den Ablauf erklärte. Der 24-Jährige wurde mit gesenktem Haupt in den Saal geführt. Er bekannte sich schuldig. "Ich wollte die Beziehung unbedingt retten", sagte er schluchzend.

Staatsanwältin Karina Fehringer legte dem jungen Mann, der immer wieder in Tränen ausbrach, zweifachen Mord und das Verbrechen des Schwangerschaftsabbruches ohne Einwilligung der Schwangeren zur Last. "Unbegreifliche Taten", wie sie ausführte. Rein rechtlich sei der Tod des ungeborenen Kindes - das Opfer war im fünften Monat schwanger - nicht als "dritter Mord zu sehen", sagte Fehringer.

Video zum Thema: Killer-Cop droht jetzt lebenslang

Polizist hatte Geliebte

Das Paar lernte sich im Jänner 2014 über ein Dating-Portal kennen, nur ein halbes Jahr später wurde die 25-jährige Frau schwanger. Als der 24-Jährige im Oktober 2015 in den Polizeidienst übernommen wurde und in seiner Arbeit aufging, fehlte dem jungen Mann zunehmend Zeit für seine kleine Familie. Die gebürtige Kärntnerin konnte sich nach dem Umzug nach Wien nur schwer einleben, sie wollte mehr Aufmerksamkeit von ihrem Lebensgefährten, der dieses Verhalten zunehmend als "lästig" empfand, sagte die Anklägerin. Dennoch kam er dem Wunsch der Frau nach einem zweiten Kind nach, Claudia K. wurde erneut schwanger.

Als die Frau im Sommer 2016 den Führerschein in ihrer Kärntner Heimat machen wollte, zog sie samt Kind für eine Zeit lang zu ihren Eltern. Nur einen Tag nach ihrer Abreise suchte Daniel L. bereits auf einem Dating-Portal nach anderen Frauen, führte Fehringer aus. Eine junge Frau namens Anna-Maria, die sich als "Single mit Kind" präsentierte, fiel dem 24-Jährigen gleich ins Auge. Er ließ die Frau im Glauben, dass er seit einem Jahr Single sei und mit seiner in Kärnten lebenden "Ex" einen Sohn habe. Er teilte Anna-Maria mit, er hätte sich aufgrund der "grundlosen Eifersucht" seiner Exfreundin getrennt. Aus einem harmlosen Flirt über den Messenger-Dienst WhatsApp wurde rasch eine Affäre.

Dass der Polizist mit seiner Geliebten in ständigem Kontakt war, bekam mit der Zeit auch Claudia K. mit. Der 24-Jährige beruhigte seine Lebensgefährtin jedoch damit, dass es sich bei der Frau über WhatsApp lediglich um eine Arbeitskollegin handle. Claudia K. ließ nicht locker und es kam immer wieder wegen Eifersucht zu heftigen Auseinandersetzungen. Dennoch führte der 24-Jährige sein Doppelleben weiter, wobei seine Situation aufgrund der Lügen immer schwieriger wurde. "Anna war immer wieder Thema in der Beziehung", sagte die Staatsanwältin. "Alter, die verhaut mir mein Leben", schrieb er laut Staatsanwältin etwa an seine Geliebte.

Google-Protokoll des Grauens

Im September 2016 soll er laut Anklage zum ersten Mal darüber nachgedacht haben, seine schwangere Freundin zu töten. Über das Handy googelte er Begriffe wie "Genick brechen", führte die Staatsanwältin aus. Den ersten Tötungsversuch hat er der Anklägerin zufolge am 26. September 2016 unternommen, indem er den Hals seiner Freundin packte und von hinten würgte, als sich die Familie für einen Ausflug auf den Kinderspielplatz fertig machte. Claudia K. konnte sich befreien, der 24-Jährige versicherte, ein Blackout gehabt zu haben. "Ich liebe dich über alles, mein Schatz. Es tut mir unendlich leid, was da passiert ist, ich hab' selber Angst vor mir!", schrieb er laut Anklage in einer SMS.

Nur vier Tage nach der Attacke kaufte er bei einem Baumarkt eine Axt und Müllsäcke, die laut Anklage zur Entsorgung der Leiche dienen sollten, und versteckte sie unter dem Bett. Seiner Lebensgefährtin teilte er mit, dass er "eine Überraschung" für sie habe, so die Staatsanwältin. Claudia K. entdeckte die Sachen, der Angeklagte stellte sich jedoch auf Nachfragen dumm; er wisse nicht, was er gekauft habe. Die Frau gab alles im Baumarkt zurück.

Anfang Oktober wurden seine Tötungsabsichten laut Anklage immer konkreter. Als Tatwaffe sollte seine Dienstwaffe herhalten, was seine Google-Suche nach "Schuss mit Kissen dämpfen", "Kopfschuss" oder u. a. "Hinrichtung durch Kopfschuss - was für ein Schadensbild" zeigte. Dafür holte er seine Glock aus der Dienststelle und versteckte sie in der Wohnung. "Der Plan stand fest", hielt Staatsanwältin Fehringer fest.

Leichen im Keller versteckt

Am 2. Oktober 2016 "fasste der Angeklagte den Entschluss, das Ganze nun zu Ende zu bringen", heißt es in der Anklage. Nach einem neuerlichen Streit zog sich Claudia K. weinend ins Schlafzimmer zurück. Der Angeklagte folgte ihr, holte aus dem Schlafzimmerkasten die Waffe und schoss der Frau aus kurzer Entfernung in den Kopf. "Claudia war sofort tot", sagte die Anklägerin. Die Leiche legte er in die Badewanne. Um keinen Verdacht zu erwecken, schrieb er der Mutter seines Opfers eine SMS, da diese intensiven Kontakt pflegten.

Zeitgleich vereinbarte er mit seiner Geliebten, deren Kindern und seinem Sohn ein Treffen auf einem Indoor-Spielplatz in der Donaustadt. "Es hat länger gedauert mit Claudia", schrieb er Anna-Maria als Entschuldigung für die Verspätung. Bei seiner Rückkehr am Abend beseitigte er die Blutspuren in der Wohnung. Am nächsten Tag beantragte er Pflegeurlaub und erwürgte laut Anklage sein Kind, nachdem er ihm Frühstück gemacht hatte. Mit dem Begriff "Wie kann man eine Leiche entsorgen", suchte der 24-Jährige dazu im Internet. Beide Leichen versteckte er vorerst im Keller.

Da sich Claudia K. nicht mehr bei ihrer Familie meldete, waren ihre Mutter und ihre Freundin zunehmend besorgt. Am 4. Oktober 2016 machte der Angeklagte eine Vermisstenanzeige. Da den Angehörigen das komisch vorkam, alarmierte die Mutter der schwangeren Frau zwei Tage später die Polizei. Trotz im Stiegenhaus und im Aufzug entdeckter Blutspuren wurden die Beamten zunächst nicht tätig, sodass der 24-Jährige genügend Zeit hatte, um die Leichen von Wien in seine steirische Heimat nach Trofaiach zu bringen und dort zu verstecken. Als ihm die Kollegen vom Landeskriminalamt Wien dann doch auf die Schliche kamen, ihn in der Steiermark verhören wollten, gestand er, seine Freundin und sein Kind getötet zu haben, und führte die Polizisten zu den Leichen bei einem Erdwall.

Verteidigerin gibt Opfer Schuld

Für Verteidigerin Iris Augendoppler seien die Taten keineswegs geplant gewesen. Dass er offen im Internet nach Tötungsformen gesucht habe und etwa auch die Leichen am helllichten Tag in den Keller brachte, "lassen den Schluss zu, dass so ein geplantes Verbrechen nicht auszusehen hat", sagte die Anwältin. Er habe Gedanken dazu wieder verworfen, weil er dazu "nicht fähig" gewesen sei.

Man müsse einen Unterschied machen, "ob es sich um einen eiskalten Killer handelt" oder ob seine Partnerin ihn dazu "getrieben" habe, meinte Augendoppler. Er habe die Versorgerrolle schon in einem sehr frühen Alter von 20 Jahren übernehmen müssen. "So wurde er an seine Grenzen gebracht", beschrieb sie die ständigen Streitereien zwischen dem Paar. "Unserem Mandanten hat es den Boden unter den Füßen weggezogen und den hat er nicht wiedererlangt. Und da er hat sich zu der Tat hinreißen lassen", erklärte die Verteidigerin.

"Jetzt ist es wie für die Opferfamilie und auch für unseren Mandanten ein Alptraum, der ihn sein ganzes Leben verfolgen wird", sagte Augendoppler. Die Taten würde dies nicht entschuldigen, es biete jedoch einen "gewissen Erklärungsansatz". Die Familie der 25-Jährigen schloss sich dem Verfahren als Privatbeteiligte an. Die Eltern, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden würden, schlossen sich mit je 50.000 Euro und zusätzlich mit einem Schadenersatz von 11.280 Euro für die Begräbniskosten an. Die Schwester von Claudia K., die eine enge Beziehung hatten, plädierte einen Trauerschaden von 40.000 Euro.

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