Großer Textilunternehmer zerrt ehemalige Mitarbeiterin wegen 22,6 Euro vor Gericht. Richterin akzeptiert Anklage nicht und spricht ehemalige stellvertretende Filialleiterin frei.
Dass am Arbeitsmarkt ein mitunter rauer Wind weht, hat am Dienstag eine Verhandlung am Wiener Straflandesgericht nachdrücklich unter Beweis gestellt. Eine 26-jährige Frau musste sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs im Grauen Haus verantworten, weil sie - so der ursprüngliche Vorwurf - als Verkäuferin einer bekannten, hochpreisigen Textil-Kette über Jahre hinweg ihren Arbeitgeber finanziell geschädigt haben soll. Sie wurde am Ende mangels eines Schuldnachweises rechtskräftig freigesprochen.
Videoüberwachung installiert
Die als stellvertretende
Filialleiterin in einem sogenannten Megastore in der Wiener Innenstadt
beschäftigte Frau war im Vorjahr entlassen worden, nachdem
Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren. Zugleich wurde gegen sie Strafanzeige
erstattet. Das Unternehmen dürfte nach groß angelegten Unterschlagungen
einzelner Mitarbeiterinnen besonders sensibilisiert gewesen sein. Es wurde
nicht nur eine Video-Überwachung installiert, es wurden auch Jahre
zurückliegende Vorgänge penibel nachkontrolliert.
Dabei stieß man auf die 26-Jährige, der man zum Vorwurf machte, mit einer auf den Namen ihres Mannes lautenden Stammkundenkarte Käufe getätigt zu haben. Diese Praxis widerspricht internen Vorschriften.
3.000 Euro Kundenrabatte erschlichen
Zunächst hieß es, sie habe
sich damit Preisnachlässe jenseits der 3.000 Euro-Grenze erschlichen. Als
Staatsanwältin Ursula Kropiunig und Richterin Karin Burtscher in der
Verhandlung jedoch nachzurechnen begannen, stellte sich heraus, dass die
behauptete Schadenssumme bei weitem zu hoch gegriffen war: Mit der
Stammkundenkarte waren im inkriminierten Tatzeitraum, der sich vom Oktober
2005 bis zum Februar 2009 erstreckte, Umsätze in der Höhe von 742 Euro
getätigt worden. Da regelmäßigen Kunden ein Rabatt von drei Prozent gewährt
wird, wäre der Frau - selbst wenn sie in Bereicherungsabsicht gehandelt
hätte - das Ergaunern von exakt 22,26 Euro anzulasten gewesen.
"Die Gutschriften wurden aber nicht einmal in Anspruch genommen", hielt ihr Verteidiger fest. Der als Zeuge äußerst resolut auftretende Geschäftsführer beharrte dessen ungeachtet darauf, seine geschasste Mitarbeiterin habe ihm "Geld gestohlen": "Glauben Sie, ich setz' mich da her wegen 100 Euro? Ich unterstell' Ihrer Mandantin nix, von dem ich nicht überzeugt bin."
"Ich war immer für die Firma da"
"Ich weiß,
dass ich nichts gemacht habe. Ich war immer für die Firma da",
schluchzte darauf die junge Frau und erzählte, sie selbst sei es gewesen,
die die Geschäftsleitung auf unredliches Verhalten einiger Kolleginnen
aufmerksam gemacht hätte. Ihr Ex-Chef räumte das ein. Zugleich merkte er
aber an, die 26-Jährige habe über das angeklagte Vorgehen hinaus auch von
Kunden retournierte Bekleidung zurückgenommen und dafür die
Stammkunden-Karte ihres Mannes herangezogen, um sich offenbar finanzielle
Vorteile zu verschaffen.
Richterin akzeptiert Anklage nicht
Die Richterin fällte
schließlich einen Freispruch. Es könne "nicht mit der
notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass sie einen Betrug begangen
hat", hieß es kurz und bündig in der Begründung. Die Staatsanwältin war
damit einverstanden, der Freispruch ist rechtskräftig. Während die
26-Jährige erleichtert wirkte, zumindest strafrechtlich unbeschadet
davongekommen zu sein - am Arbeitsgericht ist ein Verfahren anhängig, in dem
die Firma von ihr unter anderem eine Konventionalstrafe von drei
Monatsgehältern für die aus ihrer Sicht erwiesenen Entlassungsgründe
verlangt - tat der Geschäftsführer vor dem Verhandlungssaal lautstark seinen
Unmut kund.