16-Jährige verschwand 2006 - Leiche 2011 in einem Keller entdeckt.
Im lang ungelösten Kriminalfall um die 2006 in Niederösterreich verschwundene Julia Kührer ist 2013 ein Wiener des Mordes an dem Mädchen schuldig gesprochen worden und verbüßt seine Haftstrafe. Der Antrag seines Anwalts auf Verfahrenswiederaufnahme wurde am Mittwoch am Landesgericht Korneuburg behandelt. Eine Entscheidung soll schriftlich ergehen. Im Folgenden eine Chronologie der Ereignisse:
27. Juni 2006: Die 16-jährige Julia Kührer aus Pulkau im Weinviertel kommt von der Schule nicht mehr nach Hause.
November 2006: Trotz intensiver Suche bleibt die Jugendliche verschwunden. Das Landeskriminalamt NÖ bearbeitet den Fall.
Jänner/Februar 2010: Das Bundeskriminalamt (BK) rollt den Fall neu auf.
März 2010: Die Polizei erhält mehr als 150 Hinweise. Einem Jugendlichen zufolge soll die Schülerin zuletzt mit drei Personen gesehen worden sein.
10. Mai 2010: Die drei Jugendlichen werden festgenommen. Zwei Tage später die Enthaftung: Die Indizien reichen laut dem Haftrichter in Korneuburg nicht für einen hinreichend dringenden Tatverdacht aus.
11. April 2011: Das Bundeskriminalamt setzt 25.000 Euro Belohnung aus.
30. Juni 2011: In Dietmannsdorf (Bezirk Hollabrunn) in der Nähe des Wohnortes von Julia werden in einem Erdkeller am Grundstück von Michael K. Knochenteile gefunden. In den folgenden Tagen wird das vollständige Skelett entdeckt.
1. Juli 2011: Der Verdächtige, der in Pulkau eine Videothek hatte und die 16-Jährige kannte, wird festgenommen. Er leugnet jeden Tatzusammenhang und meint, Unbekannte hätten die Tote abgelegt.
3. Juli 2011: Der Wiener wird enthaftet. Der zuständige Richter sieht keinen Tatverdacht. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg bringt - ohne Erfolg - gegen die Enthaftung Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein.
5. Juli 2011: Am Fundort wird ein Teil einer verbrannten blauen Decke gefunden und in der Folge auf DNA untersucht.
Jänner 2012: Die sterblichen Überreste Julia Kührers werden von der Staatsanwaltschaft Korneuburg freigegeben. Die Todesursache konnte aber nicht festgestellt werden.
4. Februar 2012: Die Tote wird beigesetzt.
5. Dezember 2012: Der bereits 2011 verdächtigte Michael K. wird erneut in Wien festgenommen. Auf dem verkohlten Deckenrest fanden sich seine DNA-Spuren.
Februar 2013: Die Staatsanwaltschaft Korneuburg schließt das Ermittlungsverfahren ab.
April/Mai 2013: Die Mordanklage wird fertiggestellt.
Juli 2013: Der Prozesstermin wird fixiert. Das Landesgericht Korneuburg schreibt Verhandlungstage am 10., 11., 12., 17., 19., 20. und 24. September aus. Im Beweisverfahren sind rund 100 Zeugen und sechs Sachverständige geladen.
3. September 2013: Das Landesgericht hält zur Anklageschrift fest, dass die Leiche Spuren von Gewaltanwendung aufwies. Die Staatsanwaltschaft gehe von einer sexuell motivierten Gewalttat in der Videothek des Angeklagten aus. Die Leiche soll der Mann dann später weggeschafft haben. Er sei rund eine Viertelstunde, bevor Julia zuletzt gesehen worden war, mit seinem Handy in Pulkau eingeloggt gewesen. Zudem hätten sich in seiner Wohnung Spuren der blauen Decke, in die die sterblichen Überreste der Schülerin gewickelt waren, befunden.
5. September 2013: Anwalt Farid Rifaat bekräftigt in einem Pressegespräch, dass sich sein Mandant nicht schuldig bekennen wird. Weder die Todesursache noch der Tatzeitpunkt stünden fest.
24. September 2013: Der 51-Jährige wird am Landesgericht Korneuburg wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Geschworenen entscheiden mit 7:1 Stimmen, im Fall der ebenfalls angeklagten Suchtgiftweitergabe mit 8:0.
26. September 2013: Der nicht rechtskräftige Schuldspruch in dem Indizienprozess löst eine Diskussion um die Laiengerichtsbarkeit aus.
29. Jänner 2014: Der Oberste Gerichtshof (OGH) weist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil zurück.
7. März 2014: Das OLG leistet der Berufung Folge und setzt die Strafhöhe auf 20 Jahre herab. Der Verteidiger, der in der Causa auf Detektive setzt, strebt eine Wiederaufnahme des Verfahrens an.
2015: Wolfgang Blaschitz setzt die Bemühungen des vormaligen Anwalts fort und recherchiert. Seine These: Julia starb bei einer Drogenparty, ihre Leiche wurde im Keller seines Mandanten abgelegt.
Anfang Mai 2017: Am Landesgericht Korneuburg langt der Antrag auf Verfahrenswiederaufnahme ein.
14. August 2017: Das Landesgericht Korneuburg nennt den 11. Oktober als Termin für die mündliche, laut Strafprozessordnung nicht öffentliche Verhandlung mit Befragung von fünf von der Verteidigung benannten Zeugen.
11. Oktober 2017: Ein Drei-Richter-Senat befasst sich in Korneuburg mit dem Antrag auf Verfahrenswiederaufnahme.
Zu einer Entscheidungsgrundlage kam es bisher aber nicht: Die - nicht öffentliche - Verhandlung wurde zur Ladung einer neuen Zeugin vertagt, sagte Friedrich Köhl, Sprecher der Staatsanwaltschaft, im Anschluss. Ein Termin wurde noch nicht festgesetzt.
Dürfe nicht nochmal passieren
Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt des 2013 wegen Mordes an dem seit 2006 vermissten Mädchen Verurteilten, hatte die Wiederaufnahme beantragt. Er sprach nach den rund drei Stunden dauernden Befragungen von einer Wende. Es sei eine - zuvor noch nicht einvernommene - Zeugin ins Spiel gebracht worden, die damals in der - angeblich Drogen konsumierenden - Clique um Julia Kührers Ex-Freund in Pulkau im Weinviertel dabei gewesen sein soll. Sie soll gehört haben, dass dieser nach dem Verschwinden der Schülerin gesagt hätte, so etwas wie mit Julia dürfe nicht noch einmal passieren. Die Adresse der jungen Frau in Wien müsse erst ausgeforscht werden, die Zeugin soll in der nächsten Sitzung befragt werden.
Befragt wurden auch zwei aus der Haft vorgeführte Zeugen, die in Sachen Drogen Ähnliches gehört hätten. Dass sein zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilter Mandant - damals Videothekbesitzer in Pulkau, bei dem sich die Jugend des Ortes traf - das Gefängnis nach derart gefälligen Aussagen abgegrast hätte, stimme nicht, verwies Blaschitz auf dessen Aussage. Der 55-Jährige war bei der Verhandlung dabei.
Dass der Richter-Senat eine weitere Befragung in der Causa plane, wertete Blaschitz als Schritt in Richtung seiner Hoffnung, dass eine Verfahrenswiederaufnahme bewilligt werden könnte. Der Bruder der Toten, deren sterblichen Überreste 2011 in einem Erdkeller auf dem Grundstück seines Mandanten gefunden worden waren, sei ebenfalls sehr interessiert an der Aufklärung des Falls. Dass an der ganzen Geschichte "etwas nicht stimmt, zieht sich wie ein roter Faden durch", meinte der Anwalt, nach dessen These die 16-Jährige damals bei einer Drogenparty gestorben und ihre Leiche in der Folge in dem Keller abgelegt worden war.