Tschibo-Aktion

Schnell einen Hochschul-Abschluss zum Kaffee

Teilen

In seinen Stehkaffee-Lokalen vertreibt Tchibo ein BWL-Studium auch für Österreicher. Uni-Rektoren-Chef Badelt zeigt sich skeptisch.

Nun bietet Tchibo neben Kaffee, Reisen, Kredite auch ein Betriebswirtschafts-Studium an. In Kooperation mit der Privaten Fachhochschule (FH) Göttingen wirbt der deutsche Handelskonzern derzeit mit Sonderkonditionen für ein Fernstudium an der FH - geboten wird unter anderem ein "starker Preisvorteil: statt 298 Euro nur 248 Euro im Monat, inkl. Prüfungsgebühren" sowie "kurze, freiwillige Präsenzphasen". In Deutschland hat das Angebot eine Debatte über die Privatisierung von Bildung ausgelöst, in Österreich plant der Konzern keine Kooperation mit Hochschulen.

In drei Jahren zum Diplom
Interessenten wird ab 1. Februar 2008 ein Fernstudium geboten, das innerhalb von drei Jahren zum Diplom führen kann. Geworben wird mit einem Arbeitsaufwand von zwölf bis 15 Stunden pro Woche, pro viermonatigem Trimester sind ca. zehn Fernlehrbriefe zu bearbeiten. Präsenzphasen werden zwar angeboten, sind aber nicht verpflichtend. Dafür gibt es "Online-Coaching" per E-Mail und Chat, Fragen sollen innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden. Für das Fernstudium in Göttingen könnten sich Österreicher aber problemlos anmelden.

Rektoren-Chef Badelt übt Kritik
"Aus mehreren Gründen sehr skeptisch" sieht der Chef der Österreichischen Rektorenkonferenz (ÖRK) und Rektor der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, Christoph Badelt, das Angebot der deutschen Handelskette Tchibo, ein Fernstudium für Betriebswirtschaft der Privaten Fachhochschule (FH) Göttingen zum Sonderpreis zu verkaufen. "Akademische Bildung sollte mit einer entsprechenden Vorbereitung und Beratung angetreten werden, das ist wohl kaum möglich, wenn man sie im Supermarkt kauft, wie eine Tasse Kaffee", meinte Badelt am Mittwoch im Gespräch mit der APA.

Kein persönlicher Kontakt zu Lehrenden
Skeptisch ist Badelt auch, weil er es nicht als anstrebenswert hält, akademische Bildung ausschließlich oder vorwiegend in Fernkursen anzubieten. Die Qualität einer akademischen Ausbildung sei sicher auch ganz wesentlich durch direkten Kontakt von Lehrenden und Lernenden bestimmt. Badelt weist zudem darauf hin, dass für ein dreijähriges Studium in Österreich mindestens 1.500 Arbeitsstunden zu leisten seien, in Deutschland liege die Latte noch höher. Die Frage sei, ob das bei diesem Studienangebot erreicht werde.

Der Rektoren-Chef ist sich sicher, dass es "in Zukunft immer wichtiger werden wird, wo - also bei welcher Einrichtung - ein akademischer Grad erworben wird." Der Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Wertschätzung werde sich in Zukunft viel stärker daran orientieren als am Titel an sich, "eine Tendenz, die z.B. aus den USA wohl bekannt ist", so Badelt.

Immatrikulation erst nach Beratung
Die private FH, die unter anderem auch beim Musiksender MTV um Studenten wirbt, sieht das nicht so. Durch das Tchibo-Angebot solle der Impuls gegeben werden, über ein Studium nachzudenken: "Erst einmal nehmen Interessierte sich die Broschüre mit nach Hause und bekommen bei Interesse von uns ein Informationspaket. Der Immatrikulationsprozess steht erst am Ende eines längeren Beratungsprozesses. Und jeder, der sich von uns Infos schicken lässt, wird sich auch über andere Unis informieren", so FH-Präsident Bernt Sierke.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.