ÖSTERREICH-Reporterin Larissa Eckhardt berichtet aus Kitzbühel.
Nicht nur die 8.200 Einwohner von Kitzbühel werden heute gebannt verfolgen, was sich ab 9.30 Uhr im gut 90 Kilometer entfernten Landesgericht Innsbruck zutragen wird. 25 TV-, Radio- und Zeitungsredaktionen haben sich akkreditiert, um über den Prozess des Jahres zu berichten. Andreas E. (26) muss sich wegen des fünffachen Mordes verantworten, den er im Herbst am Walsenbachweg im weltberühmten Skiort Kitzbühel begangen haben soll. Laut Anklage erschoss der Maurer seine Ex-Freundin, deren Bruder und Eltern sowie den neuen Freund der Tochter.
Sie wollte Leben genießen, er wollte seine Ruhe haben
Beziehung. Der 6. Oktober 2019: Knapp drei Monate war Andreas E. zu diesem Zeitpunkt von seiner langjährigen Freundin Nadine H. (19) getrennt. Der attraktiven Kauffrau war die Beziehung inzwischen zu eintönig geworden, sie wollte das Leben genießen.
Andreas E. lebte mit ihr in deren Elternhaus. Er arbeitete nach der HTL am Bau, war abends müde, wollte seine Ruhe haben. Am liebsten schraubte er an seinem Chevrolet-SUV herum.
Das Paar hatte sich auseinandergelebt, doch der junge Mann versuchte, seine große Liebe zurückzugewinnen. Zufällig trafen sich die beiden am Abend vor der Tat im bekannten Lokal Londoner. Nach einem kurzen Disput ließ sich Nadine H. von Eishockey-Torwart Florian J. nach Hause fahren. Den 24-Jährigen kannte sie seit wenigen Wochen. Er übernachtete bei ihr.
Gegen 4 Uhr früh steht plötzlich Andreas E. vor dem Haus mit der Nr. 44, will mit Nadine sprechen. Er ist leicht alkoholisiert, Nadines Vater schickt ihn weg. Auch Nadine selbst und ihr Bruder Kevin (26) schimpfen den Maurer.
Tötungsplan
In diesem Moment muss der damals 25-Jährige, der aus soliden Verhältnissen stammt und laut psychiatrischem Gutachten gesund und durchschnittlich intelligent ist (siehe Kasten), den Entschluss gefasst haben, die Familie zu töten. Er fährt heim, holt sich die Pistole vom Typ Walther PPQ 9 mm seines Bruders, zwei volle Magazine und zusätzlich 20 Schuss Munition. Andreas E. fährt zurück. Was dann geschieht, gleicht einem Amoklauf: Der Angeklagte erschießt Rupert H. (59), dann Kevin, Nadines Mutter Andrea (53), Nadine und schließlich Florian. Die Opfer sterben durch teils aufgesetzte Kopfschüsse. Eine Hinrichtung aus Verlustangst.
Andreas E. droht lebenslänglich, es gilt die Unschuldsvermutung.
Täter studiert im Gefängnis
Die Autokennzeichen sind abmontiert, die Fensterscheiben verstaubt. In der Einfahrt des Kitzbüheler Familienhauses erinnern eine Kerze und eine kleine Engelsfigur an das Verbrechen vom 6. Oktober 2019, das den Nobelskiort in eine Schockstarre verfallen ließ. Der mutmaßliche Täter Andreas E. sitzt in der Justizanstalt Innsbruck in U-Haft und musste sich in psychiatrische Behandlung begeben. Petra Pabst ist Geschäftsfrau in Kitzbühel: „Seine Mutter ermöglichte ihm, ein Studium zu starten. Er wird sicher als geläuterter Mensch herausgehen. Was soll sonst aus ihm werden nach dem Absitzen der Strafe? Er ist ein armer Narr.“
„Immer daran denken.“
Die Betroffenheit im Ort ist noch immer spürbar. „Dieses Ereignis wird nie aus der Welt gehen, man wird jährlich an diesem Tag daran denken“, sagt Bürgermeister Klaus Winkler.