Krankenhäuser schalten nach Droh-Mails Anwälte ein – Pflegekräfte "erschöpft".
Bregenz/Dornbirn. "Wir sind noch nicht ganz an der kritischen Grenze, aber die Situation ist sehr belastend", fasste Gerald Fleisch, Direktor der Vorarlberger Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG), am Donnerstag die Situation für die Spitäler in der vierten Welle der Pandemie zusammen. Im LKH Feldkirch mussten drei OP-Säle schließen, weil das Personal auf den Intensivstationen benötigt wird. Zudem machten den Mitarbeitern "eine Fülle an Drohmails" zu schaffen, dagegen will man nun vorgehen.
Insgesamt verfügt man in Vorarlberg - bei Einschränkung des Regelbetriebs - über 68 Betten zur intensivmedizinischen Behandlung. Neben 21 Nicht-Covid-Patienten liegen derzeit 22 Corona-Patienten auf den Intensivstationen des Landes, 17 davon sind nicht geimpft. Auf den Normalstationen nahm die Belegung in den vergangenen beiden Wochen um 65 Prozent, auf den Intensivstationen um 40 Prozent zu. Die Lage sei noch immer höchst angespannt, so Fleisch am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Ein "ganz kleiner Silberstreif" seien die sinkenden Neuinfektionen, die Belastung in den Spitälern sinke aber bekanntermaßen erst mit Zeitverzögerung.
Gewaltiger Zusammenhalt
Der KHBG-Direktor dankte einmal mehr den Mitarbeitenden, "die seit März 20 Unglaubliches leisten". Es gebe einen gewaltigen Zusammenhalt und hohe Flexibilität, die zahlreichen Umplanungen und Umschichtungen seien aber eine große Herausforderung, die Situation sehr belastend. So müssten im LKH Bregenz so viele Intensivpatienten betreut werden, dass zwei im Aufwachbereich versorgt werden müssen, "das ist schon eine Krisensituation", so Fleisch, der neuerlich bat: "Bitte, bitte, gehen Sie impfen!"
Am LKH Feldkirch mussten zusätzliche Covid-Intensivbetten geschaffen werden. Im Gegenzug mussten die OP-Kapazitäten um 25 Prozent zurückgefahren werden. Drei der zwölf Säle können derzeit nicht betrieben werden, weil das Personal auf den Intensivstationen gebraucht werde, so Wolfgang Hofmann, OP-Koordinator am LKH Feldkirch. "Uns ist bewusst, dass hinter abgesagten Operationen immer Einzelschicksale stehen", betonte er. Man bemühe sich um eine offene Kommunikation und um eine zeitliche Perspektive für die betroffenen Patienten. Große Operationen müssten verschoben werden, weil nicht gesichert sei, dass danach ein Intensivbett frei sein werde. In Vorarlberg sei man noch in der glücklichen Lage, Krebs-Operationen nicht auf unbestimmte Zeit, sondern nur um ein bis zwei Wochen verschieben zu müssen. Man bemühe sich um das Möglichste: "Wir können statt einer großen Operation dann vielleicht drei kleinere durchführen", so Hofmann. Man bemühe sich um gute Abwägung und hoffe auf ein baldiges Ende der Situation.
Intensivpflegerin: "Wir sind erschöpft"
"Wir sind erschöpft", so Verena Bischof, Intensivpflegerin im Stadtspital Dornbirn. Man habe die erste Welle 2020 dank extremen Zusammenhalts bewältigt. "Die Welle flachte ab, aber für uns ging es nahtlos weiter", so die Pflegerin und nannte nachgeholte Operationen, andere Notfälle, Personalknappheit, ein hohes Arbeitspensum und geringe Regenerationszeiten. Sie beschrieb die sehr aufwändige Pflege von Corona-Intensivpatienten, etwa die durch viele Zugänge und die Schutzkleidung erschwerten Lagerungsmanöver, die nur bewältigbar seien, weil Kollegen anderer Abteilungen aushelfen. Dazu komme die erschreckende Situation vieler Patienten, die mit Angst kämpften und großen Lufthunger hätten. "Wir bemühen uns, positiv zu bleiben und hoffen auf eine Perspektive", sagte die Pflegerin.
Zu schaffen machen den Spitälern zudem laut Direktor Fleisch Fake News in sozialen Medien und eine "Fülle an Drohmails" mit teils massiven Drohungen gegen Mitarbeitende. "Das geht überhaupt nicht", so Fleisch. Hier habe man sich anwaltliche Unterstützung geholt, um die Mitarbeitenden und das Image der Krankenhäuser zu schützen. Man kooperiere auch im Zuge von Demonstrationen, die zeitweise - und bisher friedlich - vor den Häusern stattfinden, mit der Polizei. Mehrfach hätten zwanzig bis 30 Personen vor den Spitälern demonstriert und Vorwürfe gegen die Mitarbeitenden erhoben. "Das ist nicht nur absurd, das gehört verboten", hielt Fleisch fest.
Auch an Kärntner Spital OP verschoben
Linz/Klagenfurt. Die Herzoperation eines vierjährigen Mädchens aus Kärnten im Linzer Kepler Uniklinikum (KUK) ist auf Februar verschoben worden, weil keine Intensivbetten frei sind. Das berichtete das Ö1-Journal am Mittwoch. Das ist kein Einzelfall. In Linz habe es seit Beginn der vierten Coronawelle bereits 20 Verschiebungen gegeben, hatte der Vorstand der Klinik für Kinderkardiologie, Gerald Tulzer, bereits vor einer Woche im APA-Gespräch berichtet.
Das KUK ist ein wichtiges Zentrum für Kinder-Herzchirurgie. Solche Eingriffe werden in Österreich nur hier und im Wiener AKH durchgeführt. Zu den Verschiebungen komme es, weil immer mehr Pflegepersonal für die aufwendige Behandlung der Corona-Intensivpatienten abgezogen werde. "Manche Eingriffe mussten um ein bis zwei Tage, andere um zwei bis drei Wochen oder Monate verschoben werden." Seitens des Spitals wurde aber versichert, dass kein kritisch krankes Kind auf seine OP verzichten müsse.
Intensivstationen in Innsbruck und Hall stoßen an Grenzen
Die Innsbrucker Klinik und das KH Hall stoßen an ihre Grenzen. Am Dienstag habe man das Ende des planbaren Betriebs erreicht, warnte der Sprecher der tirol Kliniken im APA-Gespräch. Das sei "noch keine Katastrophe", Leistungseinschränkungen würden aber jetzt drastisch zunehmen. Auch aus Osttirol sind die Covid-Intensivstationen voll ausgelastet. LR Annette Leja (ÖVP) zeigte sich am Dienstag indes "überzeugt, dass wir gut durch diese vierte Welle kommen werden".
Am Montag habe man die Stufe sieben von sieben auf der internen Skala erreicht, berichtete Kliniksprecher Johannes Schwamberger. Am Dienstag sei diese "aufgefüllt" worden. 38 Covid-Patienten benötigten in Innsbruck mit Stand Dienstagfrüh intensivmedizinische Betreuung. Das ist ein Höchstwert - mehr waren es noch nie. Die Klinik wie auch das Krankenhaus Hall mit sechs Intensivpatienten gehen damit endgültig in den Krisenmodus, berichtete der ORF Tirol. Tirolweit waren 66 Covid-Patienten auf einer Intensivstation, um vier mehr als am Vortag. Der bisherige Höchstwert in Tirol wurde vergangenen Dezember mit 81 Corona-Intensivpatienten erreicht.
Steirische Spitalsbelegung am "Höchststand dieser Welle"
Die Belegung von Intensivbetten mit Corona-Patienten in der Steiermark ist auf dem "Höchststand dieser Welle". Das sagte Sprecher Reinhard Marczik am Dienstag auf APA-Nachfrage. Über das Wochenende war es zwar zu einem starken Rückgang gekommen, aber mittlerweile sei man schon fast wieder ganz oben. Besonders prekär sei die Lage in der Oststeiermark: Da sind alle Intensivbetten belegt. Die Notfallversorgung jeglicher Art sei dort bereits seit der Vorwoche "kritisch".
Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) verzeichnete Dienstagfrüh 76 Intensivpatienten, am Montag waren es 71 gewesen, so Marczik. Hinzu kommen vereinzelte belegte Intensivbetten in nicht KAGes-Spitälern. Ein dauerhaftes Abfallen der Kurve bei den Intensivpatienten sei nicht absehbar. Der starke Rückgang vom Wochenende sei nur von kurzer Dauer gewesen.