Corona-Pandemie

Wie feiern wir dieses Jahr Weihnachten?

Teilen

Sechs Fragen zur Corona-Lage. Drei Top-Experten geben Antworten.

Zumindest noch eine Woche dauert der zweite Lockdown. Doch was kommt dann? Geben die aktuellen Zahlen Anlass zur Hoffnung? Haben wir Weihnachten damit gerettet? Oder droht ein Jojo-Effekt bei den Lockdowns? Wird der Impfstoff die Lösung all unserer Probleme bringen?

Drei Spitzenexperten –  die Virologin Monika Redlberger-Fritz, der Umweltmediziner Hans Peter Hutter von der MedUni Wien sowie der Epidemiologe Martin Sprenger – schätzen für ÖSTERREICH die Lage ein.

Alle drei zeigen sich vorsichtig optimistisch, raten zu einem „entschleunigten, anderen“ Weihnachtsfest und setzen ihre Hoffnungen in die Impfung. 

Die sechs Fragen an die Experten

  1. Werden die Maßnahmen des Lockdowns ausreichen, um die Welle zu brechen?
  2. Was müssen wir nach dem Lockdown tun, um einen dritten zu verhindern?
  3. Welche Maßnahmen sind sinnvoll, welche weniger (Schulschließungen etc.)?
  4. Sind die angekündigten Massentests sinnvoll oder ist es reiner Regierungs-Aktionismus?
  5. Wie werden wir Weihnachten und Silvester feiern können?
  6. Wann wird der Impfstoff eine Normalisierung bringen oder ist die Hoffnung in die Impfung eine Illusion?

Hutter: »Nicht neuen Lockdown vor Silvester riskieren«

Hans-Peter Hutter
© all
× Hans-Peter Hutter
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien.
  1. Ja, weil wir sehen, dass die Maßnahmen des Lockdown light bereits greifen. Die Zahlen zeigen also schon vor dem harten Lockdown die Wirksamkeit. Die Dynamik aus der Verdoppelungszeit ist draußen. Es ist abzusehen, dass es zu einer weiteren Bremsung kommen wird. Die Frage wird, wie sehr sich dieser Abschwung auch bei den Hos­pitalisierten niederschlägt. Denn hier tritt ja der Effekt erst zwei, drei Wochen später ein. Das ist ein Spiel mit der Zeit, weil ja schon einige Intensivstationen am Plafond ihrer Kapazitäten kratzen.
  2. Nummer eins: Nicht aufgeben! Am 7. 12. nicht Juchhu schreien, in die Großmärkte rennen und glauben, dass alles vorbei ist. Nummer zwei: Das Contact Tracing muss wieder solide aufgebaut werden. Eine Rückverfolgung muss möglich sein, um die Infektionsketten rasch abzuschwächen und valide Daten zu bekommen – die uns dann im Frühjahr helfen, feinere und differenziertere Maßnahmen zu treffen. Wenn die Nachverfolgung nicht funktioniert, ist das in einer Epidemie ein No-Go.
  3. Wir waren immer der Meinung, was Kindergarten, Volksschule und Unterstufe betrifft, dass es zuerst nötig ist, alle Maßnahmen zu ergreifen, um Präsenzunterricht zu ermöglichen. Da scheint mir vieles noch nicht ausgereizt. Es gab eine breite Front von Experten, die gesagt haben, dass Schließungen bei den Jüngeren nur die Ultima ratio sein können. Es war eine politische Entscheidung, weil einige fanden, die Situation wird haarig. Fachlich hätten wir es nicht für nötig gehalten.
  4. Massentests, wenn sie gut gemacht werden, sind sie durchaus sinnvoll – wenn Lehrer getestet werden und Menschen mit einer hohen Kontakthäufigkeit. Das Problem ist, dass solche Massentests enorme Ressourcen binden. Und da kann natürlich ein Engpass entstehen, der das Contact Tracing erschwert. 
  5. Es kommt darauf an, wie die Präventionsmaßnahmen aussehen für den Zeitraum zwischen dem 7. Dezember und dem 6. Jänner, wie die Lockerungen umgesetzt werden. Wird man mit dem Handel sprechen und kreative Lösungen finden, wie man einen vorhersehbaren Ansturm bewältigen kann? Dieser Zeitraum ist enorm vulnerabel. Der Worst Case ist, dass wir das gute Niveau, das wir mit dem Lockdown zwei erreichen, schnell wieder verspielen. Dann könnten wir vor Silvester den nächsten Lockdown haben. 
  6. Die Impfung wird uns helfen, die Pandemie zu überstehen. Aber wir müssen noch abwarten. Noch wissen wir zu wenig über die Wirksamkeit. Und dann brauchen wir einen Plan, der auch gut kommuniziert werden muss. Schließlich ist die Logistik enorm, du musst einmal 600.000 Menschen impfen. Aber insgesamt wird die Epidemie dadurch sicher entschleunigt werden.

Sprenger: »Weihnachten wird entschleunigter und ruhiger«

Martin Sprenger
© Robert Newald
× Martin Sprenger
Dr. Martin Sprenger, Epidemiologe an der MedUni Graz. 
  1. Seit 12. November fällt die Anzahl der täglich auf SARS-CoV-2 positiv getesteten Fälle. Das „wahre“ Infektionsgeschehen geht somit seit Anfang November (eine Inkubationszeit früher) zurück. Dazu passt, dass der Höhepunkt der Covid-19-Fälle im Krankenhaus um den 20. November liegt. Auch die Anzahl der belegten Intensivbetten ist seit Tagen stabil. Alle diese Parameter deuten darauf hin, dass die Anfang November getroffenen Maßnahmen ausreichen.
  2. Wir müssen in der Eindämmung (Containment) besser werden. Zur Unterstützung des öffentlichen Gesundheitsdiensts sollte auf Basis von bestehenden Strukturen, wie Arztpraxen, Gesundheitseinrichtungen, Rettungsorganisationen etc., ein flächendeckendes Netzwerk von wohnortnahen Testpunkten entstehen. Zielgruppe sind Personen mit Symptomen, Personen, die glauben, sich infiziert zu haben, und Kontaktpersonen Kategorie 1. Die Testung erfolgt rasch und kostenlos mit zertifizierten Antigen-Tests. Wir müssen aber auch im Schutz der vulnerablen Gruppen besser werden. Da braucht es deutlich mehr Unterstützung für Alten- und Pflegeheime.
  3. Die Verschärfung der Maßnahmen am 17. November und die damit verbundene Schließung der Schulen war nicht notwendig. Wir brauchen endlich eine professionelle Risikokommunikation, ohne Paternalismus, ohne Angstmacherei, die nur ermüdet. Anstatt auf Aktionismus sollte auf nachhaltige Strategien gesetzt werden. Dazu gehören Transparenz, Fairness, Konsistenz der Botschaften und klare Ziele. Wir können die Kurve nur gemeinsam abflachen und das Infektionsgeschehen nur gemeinsam eindämmen. Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden und die Regierung ist der entscheidende Faktor. Dieses Vertrauen muss man sich aber verdienen, das kann man nicht kaufen.
  4. Einmalige Massentests sind eher Aktionismus. Sie kosten viel Geld, erfordern eine komplexe Logistik und sind nicht nachhaltig. Aber auch zu regelmäßig durchgeführten Massentests fehlt uns die Evidenz. Sie können zur unnötigen Isolierung vieler Menschen führen und viel an Vertrauen zerstören. Als Alternative zu den geplanten Massentests würde ich auf die oben beschriebene wohnortnahe Testung mit Antigen-Tests setzen.
  5. Gute Frage. Vielleicht einmal ohne den üblichen Weihnachtsstress und laute Knallerei. Dafür etwas entschleunigter, ruhiger und den Moment mehr genießend.
  6. Zuerst muss ein Impfstoff von der Europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen werden. Dann müssen die Impfstoffe auch beweisen, dass sie alle Erwartungen erfüllen können. Also sicher und effektiv sind. Die Gewährleistung der Sicherheit geht nur auf Basis von großen Anwendungsbeobachtungen und guten Impfregistern. Letzteres ist in Österreich nicht vorhanden. Wie gut der Impfstoffe auch Hochbetagte schützt, ob er eine Infektiösität verhindert und wie lange die Wirkung anhält, wird sich erst zeigen. Auch Lagerung und Auslieferung sind eine logistische Her­ausforderung. Ich bin aber optimistisch, dass vor Beginn der nächsten Virensaison, also im Herbst 2021, ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht. Wenn er auch sicher und effektiv ist, könnte das rasch eine Normalisierung bringen. Ausrotten lässt sich das neue Coronavirus damit aber nicht.

Redlberger-Fritz: »Weihnachten nicht wie im letzten Jahr«

Monika Redlberger-Fritz
© APA/HELMUT FOHRINGER
× Monika Redlberger-Fritz
Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien.
  1. Ich hoffe es und ich bin optimistisch, dass es funktioniert. Mir geht es nicht um tagesaktuelle Zahlen, sondern um die Dynamik und den Trend. Und die passen. Es deutet alles darauf hin, dass die Welle gebrochen werden kann. Schließlich sehen wir jetzt erst die Auswirkungen des soften Lockdowns, jene der härteren Maßnahmen können wir erst Anfang der Woche beurteilen.
  2. Wir werden uns so verhalten müssen, als ob wir noch im Lockdown wären. Weiter Masken tragen, Abstand halten und auf Hygiene achten. Und wirklich nur jene sozialen Kontakte pflegen, die wirklich nötig sind. Von Seiten der Behörden ist das Wichtigste, das Contact Tracing so gut wie möglich durchzuführen. Das ist natürlich ein großer Aufwand, doch gehen die Zahlen weiter runter, funktioniert auch das Contact Tracing besser.
  3. Die Schulschließungen sind eine politische Entscheidung. Inwieweit sie in das Infektionsgeschehen eingreifen, können die Mathematiker besser beurteilen als ich. Es war sicher extrem notwendig, die höheren Klassen zu schließen, denn ab vierzehn Jahren sind die Kinder bereits den Erwachsenen gleichzusetzen, was die Ausbreitung betrifft.  Kleinere Kinder sind natürlich keine Superspreader, aber sie sind Teil der Infektionskette.
  4. Man muss wissen, wie man Massentests einsetzt und was man sich von ihnen erwarten darf. Wenn man sich erwartet, einen Großteil der aktuell Infizierten herausfischen zu können und eine weitere Ansteckung durch sie zu verhindern, ist es sicher ein probates Mittel. Die Massentests dürfen aber ganz sicher kein Freibrief für all jene sein, die aktuell negativ getestet wurden und dann glauben, sie müssen sich nicht mehr an die Maßnahmen halten.
  5. Nicht so wie im letzten Jahr. Wir werden uns damit abfinden müssen, ein anderes Weihnachtsfest zu feiern. Auch ich werde es nur im engsten Familienkreis begehen. Wir müssen uns immer dessen bewusst sein, dass das Virus in der Bevölkerung zirkuliert und daraus unsere Konsequenzen ziehen. Vielleicht auch zu Silvester nur in kleinen Gruppen feiern, Abstand halten, Masken tragen dort, wo es nötig ist – auch wenn’s lästig ist.
  6. Im Moment habe ich den Eindruck, dass sich viele denken: Der Impfstoff ist da und die Pandemie ist zu Ende. Dem ist nicht so! Der Impfstoff kann ein weiteres gutes Mittel sein, die Pandemie einzudämmen, aber sie wird sie nicht von heute auf morgen verschwinden lassen. Das muss uns allen bewusst sein. Wann mit einer Normalisierung zu rechnen ist, ist wieder eine Frage an die Kristallkugel, die mir leider nicht zur Verfügung steht.
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten