Erst gab es nicht genug Beweise für eine Anklage. Dann tauchte ein dubioser USB-Stick auf.
Wien. Die Anklage wiegt schwer: Vier Angehörige soll der Iraker Enis B. (23, Name geändert) 2013 in Mossul erstochen haben. Vor laufender Kamera – ein Video davon wurde ÖSTERREICH zugespielt – legte er im irakischen TV vor Polizei und Medien ein Geständnis ab, zu dem er von der Polizei gezwungen worden sein will. Enis B. kam im Irak in U-Haft. Dann brach der Krieg aus, der IS öffnete alle Gefängnisse. Als Flüchtling machte sich Enis B. 2015 auf den Weg nach Europa und landete in Österreich.
USB-Stick. In einem Wiener Asylheim erkannte ihn 2016 ein Mitbewohner. Die WEGA nahm B. fest, er kam in U-Haft. Dreieinhalb Jahre versuchte die Justiz über einen jordanischen Verbindungsbeamten, den irakischen Akt herbeizuschaffen. Ohne Erfolg. Auf Drängen seines Anwalts Andreas Strobl wurde B. enthaftet. ÖSTERREICH berichtete 2017 exklusiv.
Dann die Wende: Sechs Jahre nach dem Mord ist die Justiz über einen Hinterbliebenen an einen dubiosen USB-Stick gelangt. Darauf befinden sich angeblich Teile des irakischen Mord-Akts. Diese sind aber weder behördlich bestätigt noch notariell beglaubigt. Auf dieser Grundlage erhob die Staatsanwaltschaft Wien nun Anklage wegen vierfachen Mordes (Prozess am 23. Juli). Es gilt die Unschuldsvermutung.
Larissa Eckhardt