Beweisaufnahme um tödlichen Kopfschuss verspricht höchste Spannung.
Staatsanwälte sind auch nur Menschen. Die einen verbeißen sich in ihre Fälle, die anderen schöpfen ihre Kraft aus der Ruhe. Doch in der vorliegenden Causa – es geht immerhin um Mord – scheint der Justiz ein bisschen die Puste ausgegangen zu sein. Die Verteidigung hält die Anklageschrift jedenfalls für dünn.
Wien-Brigittenau, 16. April: Gegen 15 Uhr fällt auf Höhe Jägerstraße 6 nahe des Lokals Blanco ein Schuss vom Kaliber 7,62, abgefeuert aus einer Zastava, Modell M 57. Das Projektil zerschlägt den Kopf von Igor Z. (26), der Bosnier ist tot. Wenig später stellt sich der Schütze Shkelzen D., ein Kosovare (26), bei der Polizei. Er behauptet, quasi in Notwehr gehandelt zu haben. Im Streit um eine Frau wollte er dem Kontrahenten seine Pistole auf den Kopf schlagen, dabei habe sich im Gerangel der Schuss aus Versehen gelöst – es gilt die Unschuldsvermutung.
Ab Montag läuft der Mordprozess. Diese Tatversion erscheint zweifelhaft, wie ein Ballistiker im Auftrag der Verteidigung feststellte. Der Schütze muss mindestens 1,5 bis zwei Meter entfernt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft hatte auf ein schusswaffentechnisches Gutachten verzichtet und auch auf eine Gegenüberstellung von Augenzeugen mit dem Angeklagten.
Noch rätselhafter: Weder an der Kleidung noch an der Hand des angeblichen Schützen wurden Schmauchspuren festgestellt. Hat gar ein anderer geschossen, es waren mehrere Personen anwesend? Die Verteidiger sind siegessicher. Anwalt Marcus Januschke, der die Hinterbliebenen des Opfers vertritt, glaubt indes an die Schuld von Shkelzen D. Der Prozess verspricht äußerst spannend zu werden.