Im großen Stil verkaufte er über Jahre Kokain und Co und verdiente Tausende Euro damit. Jetzt erschnüffelte ein Polizeihund das illegale Drogenlager und die Beamten stellten Substanzen im Wert von 410.000 Euro sicher.
Drogen mit einem Straßenverkaufswert von 410.000 Euro haben Wiener Kriminalisten im Juli in Wien sichergestellt. Ein 50-Jähriger wurde festgenommen. Er soll zumindest in den vergangenen Jahren Suchtmittel jeder Art und in großem Stil in Wien und Niederösterreich verkauft haben. Die Polizei präsentierte diese "außergewöhnliche Ermittlung" am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wien. Der Dealer, der in mehreren Ländern vorbestraft ist, ist umfassend geständig.
Auch Polizeidiensthund "Boy" nahm am Pressegespräch teil, ihm war es zu verdanken, dass die Kriminalisten das Drogen-Lager des 50-Jährigen in Floridsdorf ausheben konnten. Dieses befand sich nämlich in einem Self-Storage-Containerlager mit 800 bis 1.000 Container. Jenen, in dem die Drogen gelagert wurden, erschnüffelte "Boy".
Die Vorermittlungen der Causa begannen in Traiskirchen, dortige Polizisten hatten österreichische Drogendealer im Visier und fanden heraus, dass der Hintermann in Wien sitzt. So kam im Mai das Landeskriminalamt ins Spiel. "Eine Woche haben wir uns angeschaut, wer der Hintermann ist", berichtete der zuständige Ermittler am Donnerstag. Dafür wurden unter anderem zwei Telefone des Mannes - mit einer niederländischen und einer mexikanischen Nummer, diese müssen nicht namentlich registriert werden - überwacht. Es stellte sich heraus, dass der Tatverdächtige einen Umzug plant. Seine bisherige Adresse war bekannt, ebenso jene seiner Freundin. "Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, mussten wir rasch zuschlagen", berichtete der Ermittler.
Am 10. Juli erfolgte der Zugriff. Der 50-Jährige wurde in seiner Wohnung in Hernals gefasst. Da er für gewöhnlich erst gegen Mittag seine Tätigkeit aufnahm, wurde er von den Polizisten am Vormittag aus dem Schlaf geweckt und festgenommen. Auch seine Lebensgefährtin, eine 42-jährige Frau, wurde in ihrer Wohnung in Floridsdorf festgenommen. In den beiden Unterkünften fanden sich geringe Mengen Suchtgift. Der 50-Jährige hatte seine Deals laut Polizei "sehr gut verschleiert", so hatte er sich beispielsweise vom Taxi zu seinem Drogen-Bunker in Floridsdorf fahren lassen, aber immer zu in der Nähe liegenden Adressen.
Die Ermittler fanden dennoch das Containerlager. "Uns war klar, wenn wir die Container alle händisch durchsuchen müssen, brauchen wir Monate", berichtete der Kriminalist. Da kam Hund "Boy" ins Spiel. An einem heißen Sommertag bei 35 Grad durchsuchte er das Areal. "Es war grenzwertig und aus Hundesicht war er am Limit", schilderte sein Diensthundeführer. Zweimal schlug das Tier an. In einem der Container war das Drogenlager des Dealers. "Es war eine Punktlandung", sagte Gerald Baran vom Landeskriminalamt.
Die Beamten stellten an besagtem Sommertag somit insgesamt 1,6 Kilogramm Kokain, 3,3 Kilo Speed, 363 Ecstasy -Tabletten, 4,3 Kilogramm Marihuana, zwölf LSD-Trips, zwölf Gramm Crack, zwei Gramm Crystal Meth sowie 20 Gramm Metamphetamin sicher. Dazu kamen 48.000 Euro Bargeld, drei Faustfeuerwaffen, drei als Spazierstöcke getarnte Messer und zahlreiche Attrappen, in denen Drogen versteckt werden können. Darunter befand sich beispielsweise ein Feuerlöscher mit aufschraubbarem Fach, Handys, die 20 Gramm Drogen fassen, oder auch gefakte Kredit- oder Bankomatkarten mit Drogenversteck.
Der 50-Jährige war bei seinen Einvernahmen äußerst mitteilsam. Erstmals straffällig war er bereits mit 14 Jahren geworden. Seit 2008 war er in Österreich, nachdem er im europäischem Ausland bereits mehrfach in Haft gesessen war. Wegen Gewaltdelikten wurde er in seinem Heimatland - dieses wurde von den Ermittlern nicht genannt - sowie zwei weiteren Ländern bereits verurteilt. Auch war er in ganz Europa im Drogenhandel tätig. In Österreich versuchte sich der Mann zunächst eines ordentlichen Lebenswandels und verdiente seinen Lebensunterhalt in der Gastronomie. Doch schon bald sattelte er auf das Drogengeschäft um. Zumindest die letzten zehn Jahre dürfte dies seine primäre Einkommensquelle gewesen sein, kurzzeitig heuerte er immer wieder in der Gastronomie an, blieb aber nie lange, sondern bezog nebenbei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Sechs Monate saß er außerdem in Haft - aufgrund einer Ausschreibung seines Heimatlandes. Gewaltdelikte setzte der Mann zumindest hierzulande keine.
Die in Österreich gehandelten Drogen hatte er vermutlich von serbischen Tätergruppen bezogen. Seine Hauptabnehmer waren Österreicher. Er verkaufte beinahe ausschließlich größere Mengen, Kokain-Ziegel mit einem Kilogramm habe er laut dem Ermittler "höchstens geviertelt". Er belieferte rund 40 bis 50 Kunden, verrechnete ihnen auch sozial gestaffelte Preise, je mehr diese verdienten, desto mehr mussten sie bezahlen. "In einer guten Woche hat er alleine drei bis vier Kilogramm Kokain verkauft", berichtete der Ermittler. An den Mann brachte der Dealer "Drogen aller Art". Bekannt war der 50-Jährige auch für seine gute Qualität. Das sichergestellte Kokain hatte einen Reinheitsgrad von 90 Prozent. In der Einvernahme meinte er dem Ermittler zufolge dazu, er tue sich "das nicht an, dass er Waren streckt". Der Verdächtige selbst erwarb beispielsweise ein Kilogramm Kokain für 35.000 Euro - dieses verkaufte er dann um 45.000 bis 48.000 Euro weiter. Der 50-Jährige definierte sich "über die Qualität, nicht über die Menge", das sei mittlerweile in Österreich auch so üblich, berichtete der Drogenermittler.
Seinen Alltag begann der 50-Jährige zumeist gegen Mittag, bei kurzen Telefonaten verabredete er sich "auf einen Kaffee oder ein Mittagessen" und übergab dort seine Ware. Am Brunnenmarkt erhielt ein Abnehmer so einmal einen Kokain-Ziegel. Über den Kunden ärgerte sich der 50-Jährige, weil er kein Sackerl oder Behältnisse mithatte, womit das Ein-Kilo-Packerl von einer Jackentasche in die andere wanderte.
Im Juli fasste er schließlich den Beschluss, eine neue Wohnung zu beziehen. So wollte er einerseits einen Garten, andererseits dürfte auch der Sicherheitsaspekt mitgespielt haben, machte er manche Drogenübergaben bereits vor seiner Wohnung. Bevor er diesen Plan umsetzten konnte, wurde er jedoch festgenommen. So mitteilsam er bezüglich seiner Deals in seiner Einvernahme auch war - über seine eigenen Lieferanten schwieg sich der 50-Jährige aus.
Die Coronavirus-Pandemie mit den teilweise geschlossenen Grenzen hat die Drogenpreise laut dem Ermittler übrigens leicht steigen lassen. So wurde mehr für den Transport verrechnet, der reine Suchtmittel-Preis blieb aber gleich. "Der Nachschub hat nach wie vor funktioniert", sagte der Kriminalist.