Fischer antwortet

Keine Neuwahlen - Hoffnung auf große Koalition

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In einem Brief an ÖSTERREICH nimmt Bundespräsident Heinz Fischer erstmals zur Regierungsbildung Stellung - und antwortet auf Kritik .

Selten hat bisher ein "offener Brief" in einer Zeitung für so ein Echo gesorgt, wie das Schreiben, das ÖSTERREICH in seiner Dienstag-Ausgabe an den Bundespräsident richtete.

ÖSTERREICH hat darin Heinz Fischer ersucht, bei der Regierungsbildung aktiv Druck zu machen - und im Fall einer Nicht-Einigung Neuwahlen anzusetzen.

Die Antwort
Jetzt kommt - in erfreulich bürgernaher Form - die Antwort aus der Hofburg. Heinz Fischer persönlich antwortet drei Seiten lang auf den ÖSTERREICH-Brief - und nimmt damit erstmals auch schriftlich zur schwierigen Situation der Regierungsbildung Stellung. Fischers Brief ist in seiner Wortwahl eine wohlüberlegte Reaktion - geschrieben Samstag vormittag, also nach dem wieder ergebnislosen Treffen Gusenbauer-Schüssel am Freitag nachmittag.

Das Wort "Minderheitsregierung"
Interessant ist an Fischers Schreiben, welche Worte er in dem Brief ausdrücklich ausspricht - und welche nicht.

So geht Fischer - offenbar ganz bewußt - mit keinem Wort auf den im " Offenen Brief" von ÖSTERREICH geäußerten Wunsch nach einem "Runden Tisch“ zur Rettung der Großen Koalition ein. Für " Hofburg-Astrologen“ heißt das: Es wird keinen "Runden Tisch“ mit Vertretern von ÖVP und SPÖ geben - Fischer will offenbar ganz bewusst nicht in einer Streitsituation den Ringrichter spielen, arbeitet lieber hinter den Kulissen.

Dafür schreibt der Bundespräsident im Brief offen davon, dass sich "das Augenmerk zuletzt verstärkt auch auf eine Minderheitsregierung gerichtet" habe.

Und er widmet einen ganzen Absatz einem historischen Vergleich: Die Bildungs der Minderheitsregierung Kreisky im Jahr 1970 habe "genau 51 Tage gedauert“. Und dann formuliert Fischer: "Seit der letzten Nationalratswahl bis heute sind genau 42 Tage vergangen.“ Das könnte ein klares Signal für Gusenbauer und Schüssel sein: Neun Tage sind noch Zeit!

"Wachsende Ungeduld“
Im Brief schreibt Fischer, dass die "wachsende Ungeduld“ der Bevölkerung mittlerweile " unübersehbar“ sei - doch er mahnt, Gusenbauer und Schüssel für ihre "Bereitschaft zu weiteren Gesprächen“ noch Zeit zu geben. Fischer: "Die Hoffnung auf die Bildung einer Bundesregierung auf breiter politischer Basis sollte nicht vorschnell aufgegeben werden.“ Der Brief Fischers zeigt damit klar die Alternative aus der Sicht des Präsidenten auf: Noch eine gute Woche Zeit für die "Hoffnung auf eine breite politische Basis“ - oder aber eine klare Präferenz für eine Minderheitsregierung nach Kreisky-Vorbild.

Böses Wort "Neuwahl". Wie erwartet kann Fischer in seinem Brief Neuwahlen nichts Positives abgewinnen. In aller Deutlichkeit schreibt er, die Bürger "hätten einen Anspruch darauf, dass nach einer Wahl (die viel Geld und viel Kraft und viel Zeit kostet) mit größtem Nachdruck die Bildung einer entsprechenden Bundesregierung versucht werden muss“. Fischers klassischer Satz: "Schließlich ist der Wähler der Souverän. Und man kann den Wähler nicht solange zu den Wahlurnen schicken bis das Ergebnis passt.“

Den Neuwahl-Ball spielt Fischer in seinem Brief deshalb ausdrücklich dem Parlament zu, wo Grüne und ÖVP zuletzt immer heftiger auf Neuwahlen drängten.

Fischers Drohung: "Die Parteien müssten dann aber auch die Verantwortung für einen solchen Beschluss übernehmen.“

An den Schluss seines Briefes stellt der Bundespräsident einen Satz, der für diese Regierungsbildung noch legendär werden könnte - er spricht erstmals vom "gordischen Knoten“, den er "nicht mit einem Schwert durchschlagen“, sondern "mit Umsicht und Geduld auflösen“ will.

Der Satz vom "gordischen Knoten“ könnte der Sager des Jahres werden.

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