Wirbel nach Sommergespräch

Kern-Sager: Netz läuft Sturm

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„Politik ist kein Mädchenpensionat“ – Dieser Satz lässt nun sogar Sexismus-Vorwürfe gegen den SPÖ-Chef laut werden. 

SPÖ-Vorsitzender Christian Kern hat am Montagabend im ORF-"Sommergespräch" einmal mehr das "Drüberfahren" der türkis-blauen Regierung bei der Arbeitszeitflexibilisierung kritisiert. "Das ist ein Diktat, das bringt uns nicht weiter", sagte der Ex-Kanzler. Scharfe Kritik übte er auch am Migrationskurs von ÖVP und FPÖ. Sich selbst sieht er trotz innerparteilicher Sticheleien fest im Sattel.

Ein Sager blieb vielen aber besonders im Ohr. Nachdem Kern zu seiner Kritik am Sprachstil der neuen Regierung und zur ein oder anderen eigenen Wortwahl befragt wurde, holte er zu einem Vergleich aus, der nun für reichlich Wirbel im Netz sorgt und sogar Sexismus-Vorwürfe laut werden lässt. "Politik ist kein Mädchenpensionat", sagte der SPÖ-Chef. Der offizielle Twitter-Account der SPÖ hat dieses Zitat sogar kurzzeitig gepostet, ehe es kurz darauf wieder gelöscht wurde.

In Zeiten, in denen Sexismus in Politik und Gesellschaft zu Recht immer häufiger angeprangert und öffentlich wird und an jenem Tag an dem Efgani Dönmez nach einem sexistischen Tweet aus dem ÖVP-Klub geschmissen wurde, schien dem ein oder anderen Twitter-User die Wortwahl Kerns nicht zu gefallen.  „Was soll der Sch**ß schon wieder“, schreibt ein User. Einer fordert sogar das politische Aus für den SPÖ-Chef: „Sexismus von Kern und alles schweigt? Wenn Knie anschauen Sexismus ist, ist es auch Mädchenpensionat! Ich bitte um ihren Rücktritt Herr Kern!“. „Kern auf die Frage, warum er Politiker anderer Parteien beschimpft: „Politik ist ja kein Mädchenpensionat.“ Stimmt, die Politik besteht leider großteils immer noch aus Männern, die es anscheinend nicht schaffen, mal einen Tag ohne Sexismus auszukommen“, meldete sich eine Userin zu Wort.  

 

 

 

Kern „Das ist ein Drüberfahren“

Die SPÖ, aber auch die Gewerkschaft hätte durchaus über die Arbeitszeitflexibilisierung mit sich reden lassen, gab Kern zu verstehen. Es habe ja auch schon in der Vergangenheit abweichende Regelungen gegeben, aber nur mit Einbindung des Betriebsrates. Die per 1. September in Kraft getretene Neuregelung sei aber ohne Konsens und ohne Gespräche passiert. "Das ist ein Drüberfahren." Für die nun anstehenden Lohnverhandlungen erwartet Kern, dass die Gewerkschaften reagieren werden. Damit komme man in eine "Spirale der Eskalation".

 

Kern: „Niemand in der SPÖ will eine grün-linke Fundi-Politik“

Angesprochen auf die innerparteiliche Kritik am Kurs der SPÖ - etwa durch den burgenländischen Landesrat und Ex-Minister Hans Peter Doskozil, der vor dem Betreiben einer "grün-linken Fundi-Politik" gewarnt hatte - sagte Kern, niemand wolle in der SPÖ eine solche. Den Fokus mehr auf die Klimapolitik zu legen, sei aber weder grün noch rot, sondern "grundvernünftig".

 

Diskussionen um seine Person als Parteichef wischte Kern vom Tisch: "Die Führungsfrage in der SPÖ, die ist sonnenklar." Die Frage, wo seine Schmerzgrenze für die Wiederwahl beim kommenden Parteitag Anfang Oktober liege, wollte Kern nicht beantworten. Und auch anderen Spekulationen rund um seine Person erteilte er neuerlich eine Absage: So seien Mutmaßungen, er selbst könnte bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat antreten, "totaler Mumpitz".

 

Kern: „So machen wir uns verantwortlich für das Sterben“

In Sachen Migration grenzte sich Kern klar von der Regierung ab: "Wenn jetzt der Regierungschef gemeinsam mit dem Herrn (italienischer Innenminister Matteo, Anm.) Salvini, einem Typen, der am Rande des Faschismus spaziert in Italien (...) sagt, wir nehmen keine Schiffe mehr an, dann machen wir uns verantwortlich für das Sterben." Man brauche beim Flüchtlingsthema nachhaltige Lösungen, dazu werde die SPÖ auch kommende Woche ihr Migrationspapier finalisieren und dieses dann am Bundesparteitag beschließen. "Da gehört auch der Klimawandel dazu", denn alleine im Jahr 2017 seien rund 25 Mio. Menschen vor Naturkatastrophen geflohen, 6 Mio. Menschen vor Gewalt und Verbrechen, so Kern.

Kern: „Regierung besteht nicht aus Nazis“

Seine Kritik an der "lupenrein rechtspopulistischen" ÖVP-FPÖ-Regierung erneuerte der SPÖ-Chef im ORF-Sommergespräch: Der Rechtsstaat sei "eine Pflanze, die geschützt werden muss". "Um den Schriftsteller (Michael, Anm.) Köhlmeier zu zitieren: Das Problem ist, das Böse, das Unglück, kommt selten mit einem Schlag ins Leben der Menschen. Sondern es nähert sich erst auf leisen Sohlen und dann in kleinen Schritten." Und die Regierung nehme "Demokratie und Rechtsstaat nicht so gebührend ernst, wie das notwendig ist", sagte Kern. Gleichzeitig relativierte er seine Kritik: "Diese Regierung besteht selbstverständlich nicht aus Nazis, das ist ja absurd und lächerlich, das zu behaupten."

Man habe es aber etwa (bei den rechten und rechtsextremen Aufmärschen) im deutschen Chemnitz gesehen, wie schnell sich die Dinge ändern können: "Wenn an dieser Spirale gedreht wird, es kommt irgendwann der Punkt, wo man es nicht mehr stoppen kann, das ist wie bei Goethes Zauberlehrling." Die Regierung würde ständig die Gesellschaft spalten und Sündenböcke suchen - ob beim Ausländer-Thema, bei den Beamten, bei politisch Andersdenkenden oder auch bei der Pressefreiheit: "Jeden Tag wird hier verbreitet, durch FPÖ und andere Kanäle, dass hier gelogen wird, die Leute hinters Licht geführt werden". Die Presse sei aber ein Korrektiv, das man brauche, so Kern.

 

Kern über BVT: „Anschlag auf unseren Rechtstaat“

Und auch in der Causa BVT fand Kern scharfe Worte, er sprach von einem "Anschlag auf unseren Rechtsstaat". "Das ist eine Unterwanderung unseres Staates durch Elemente, gegen die der Verfassungsschutz in der Vergangenheit ermittelt hat, die aus rechtsextremen Kreisen kommen", sagte der SP-Chef.

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