Der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss hat am Mittwoch sein vorläufiges Ende gefunden.
Dabei ist es bei der abermaligen Befragung von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erneut zum Hick-Hack um die Zulässigkeit von Fragen gekommen. Gleich zu Beginn hatte sie beklagt, dass aufgrund des anstehenden Landtagswahlkampfs "letzte Dämme brechen". Im kommenden Jahr soll der Ausschuss verlängert werden.
Die Landeschefin war erst vergangene Woche befragt worden. Weil aber angesichts der Geschäftsordnungsdiskussionen konkrete Antworten Mangelware blieben, lud die Opposition Mikl-Leitner kurzerhand noch einmal - sehr zu deren Missfallen. Sie startete zwar mit einem "Herzlichen Grüß Gott den Damen und Herren Abgeordneten". Gleich anschließend meinte sie in einem kurzen Statement aber, dass es bei ihrer Befragung "um puren, plumpen Wahlkampf" gehe. Niederösterreich wählt Ende Jänner einen neuen Landtag. "Bei manchen brechen die letzten Dämme in Bezug auf den verantwortungsvollen Umgang mit dem wichtigen Kontrollinstrument U-Ausschuss."
Krainer fragte wie schon in der Vorwoche nach der Agentur Media Contacta. Deren Geschäftsführer war bereits im U-Ausschuss befragt worden, weil sie eine Reihe von Aufträgen durch ÖVP-geführte Ministerien erhielt und dieselbe Agentur für die ÖVP im Nationalratswahlkampf 2017 und auch für die niederösterreichische ÖVP im Landtagswahlkampf 2018 tätig war.
Der SPÖ-Abgeordnete stellte in den Raum, dass die Agentur jene Mittel, die sie von ÖVP-geführten Ministerien bekommen hat, für den Wahlkampf der niederösterreichischen ÖVP verwendete. Belegt werden sollte dies etwa durch Steuerakten der Agentur, in denen die von der ÖVP verwendeten Autos im Landtagswahlkampf als Betriebsausgaben der Media Contacta verbucht waren.
Die Fragen nach dem Konnex zur niederösterreichischen ÖVP stießen wie schon in der Vorwoche auf vehemente Gegenwehr bei der türkisen Fraktion, da diese ihrem Dafürhalten nach nicht vom Untersuchungsgegenstand gedeckt wären. Sie ortete "Unterstellungen" - was allerdings von Verfahrensrichterin Christa Edwards weitgehend zurückgewiesen wurde. "Sie verwenden das Wort Unterstellung als Totschlagargument", meinte sie in Richtung der ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger und Christian Stocker.
"Es sind Tatsachen, die am Tisch liegen und die eine Frage wert sind", argumentierte Edwards. Natürlich gebe es immer eine Gratwanderung zwischen Unterstellungen und einem Szenario, das nachvollziehbar ist. Aber gerade dazu sei ja die Auskunftsperson da, um auf solche Fragen zu antworten. "Der U-Ausschuss wäre gar nicht nötig, wenn wir schon alles wüssten."
Zwar musste Mikl-Leitner die meisten Fragen deshalb beantworten. Erkenntnisgewinn gab es dadurch aber kaum - sie kenne zwar den Geschäftsführer der Media Contacta und habe auch gewusst, dass die Agentur den Wahlkampf der niederösterreichischen ÖVP abgewickelt habe. Dessen Organisation sei aber beim Landesparteisekretär gelegen.
Hanger und Stocker übernahmen es, die "Unterstellungen" zurechtzurücken. Dass die Wahlkampfautos in den Betriebsausgaben der Media Contacta verbucht waren, bedeute ja nichts. Sie könnten ja trotzdem im Anschluss der niederösterreichischen ÖVP als Auftraggeber in Rechnung gestellt worden sein.
Erleichterungen durch das Land Niederösterreich bei der Betriebsansiedlung des Maskenherstellers Hygiene Austria verteidigte Mikl-Leitner. In Österreich seien zu Beginn der Pandemie kaum Masken vorhanden gewesen, darum sei man froh über die Produktionsstätte gewesen. Von einer Bevorzugung für ein "ÖVP-nahes" Unternehmen - Hygiene Austria wurde durch den Mann einer Mitarbeiterin von Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz geleitet - wollte die Landeshauptfrau nichts wissen. Die Betriebsstättengenehmigung habe schnell über die Bühne gehen müssen.
Auch Interventionen bei der Vergabe von diversen Posten im Bund - etwa bei der Polizei - stellte Mikl-Leitner in Abrede. Emotional wurde sie bei der Frage, ob sie ihrem Neffen zu einem Ferialpraktikum verholfen habe. Das Praktikum sei überhaupt nicht zustande gekommen, erklärte die Landeshauptfrau. Ein Antrag der SPÖ im Zuge der Befragung, Vertrauensperson Martin Huemer wegen Einflussnahme auszuschließen, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Nach knapp fünf Stunden endete Mikl-Leitners Befragung. Grüne, ÖVP und NEOS hatten gegen Ende keine Fragen mehr an die Landeshauptfrau. Die zweite Auskunftsperson des heutigen Tags, FMA-Chef Eduard Müller, hatte ihr Kommen abgesagt. Mikl-Leitners Auftritt markierte auch das vorläufige Ende des U-Ausschusses. Allerdings haben sich die drei Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS auf eine Verlängerung bis Ende Jänner geeinigt. Ein entsprechendes Verlangen wurde am Mittwoch eingebracht. Wie viele Befragungstage noch absolviert werden sollen, steht noch in Verhandlung.
Bisher ist der auf Initiative von SPÖ, FPÖ und NEOS im Dezember 2021 eingesetzte Untersuchungsausschuss 45 Mal zusammengetreten. Dabei wurden insgesamt 82 Auskunftspersonen befragt, drei davon doppelt. Gleichzeitig beläuft sich der an den U-Ausschuss gelieferte Aktenbestand mittlerweile auf fast 25 Millionen Seiten, davon rund 1,7 Terrabyte Daten in elektronischer Form.