Gesundheitsminister über den drohenden Kollaps

Anschober: "Wir haben noch zwei Wochen Zeit"

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Der Gesundheitsminister im ÖSTERREIOCH-Interview: ''Fast alle europäischen Länder mit akuten Maßnahmen handeln ähnlich wie Österreich.''

ÖSTERREICH: Warum kommen die Maßnahmen so spät? Im Frühjahr waren wir Musterschüler, jetzt folgen wir Deutschland?

Rudolf Anschober: Alle Länder Europas sind in ­einer vergleichbaren Situation: Die Infektionswerte sind in den letzten Tagen explodiert, und jetzt wird in allen Ländern rasch reagiert. Ein Beispiel: Die externen Prognosen lagen für Samstag letzter Woche bei 2.200 Neuinfektionen, in der Realität sind sie auf 3.600 explodiert. Die von mir beauftragte neue Prognose sagte uns dann am Dienstagabend bereits 5.800 Neuinfektionen pro Tag für Ende kommender Woche voraus.

ÖSTERREICH: Sind die Maßnahmen nicht auch das Eingeständnis eines Scheiterns, zu lange auf die berühmte „Eigenverantwortung“ der Bürger gesetzt zu haben?

Anschober: Nein, denn wir haben ja bereits vor ­einer Woche ein großes Maßnahmenpaket umgesetzt, dessen Wirkung wir in einer Woche sehen werden. Aber es wird nicht ausreichen.

ÖSTERREICH: Sind Sie glücklich darüber, dass die Schulen weiterhin offen bleiben?

Anschober: Schulen haben eine wichtige Funktion für die Bildung, die Betreuung und Zukunft der Kinder. Ich halte die Teilung in ältere und jüngere Kinder für gut. Wir wissen, dass das Risiko der Infektionsweitergabe bei Kleinen deutlich geringer ist.

ÖSTERREICH: Halten Sie es für realistisch, mit diesen Maßnahmen die Reisewarnungen wegzubekommen?

Anschober: Derzeit geht es uns weniger um die Reisewarnungen als um das Verhindern eines Kollapses in unseren Spitälern. Ich halte allerdings die jetzige Form der inflationären Reisewarnungen für nicht sinnvoll, da die Infektionszahlen ja fast überall in Europa explodieren.

ÖSTERREICH: Bei welchem Anstieg der Infektionszahlen würde Österreichs Gesundheitssystem kollabieren?

Anschober: Wir haben gut zwei Wochen Zeit, dies zu verhindern.

ÖSTERREICH: Frage an den Sozialminister: Wird das Arbeitslosengeld erhöht?

Anschober: Das ist unser Ziel.

ÖSTERREICH: Die Gastronomie fühlt sich benachteiligt? Warum müssen Restaurants tatsächlich schließen, Friseure aber nicht? Und wie wird die Gastronomie ab­gegolten werden?

Anschober: Fast alle europäischen Länder mit akuten Maßnahmen handeln ähnlich wie Österreich. Es wird ein umfassendes Unterstützungsprogramm für alle Betroffenen geben.

ÖSTERREICH: Es wird kolportiert, dass sich Ihr Verhältnis zum Kanzler zunehmend verschlechtert …

Anschober: Ganz im Gegenteil: Wir arbeiten sehr gut zusammen. Gerade auch jetzt bei der Zuspitzung der Krise.

ÖSTERREICH: Einige Firmen sind sehr weit bei der Entwicklung eines Impfstoffs. Die deutsche Regierung hat die Länder bereits angewiesen, Impfstationen einzurichten. Und Österreich?

Anschober: Auch in Österreich hoffen wir auf eine positive Überraschung bei den Impfungen. Das ist unsere wichtigste Hoffnung. Und wir bereiten natürlich intensiv sowohl die Impfstrategie als auch die logistischen Voraussetzun­gen vor. Die Zahlen der Liefermengen werden europaweit einheitlich geregelt. Österreich hat an der Gesamtlieferung für Europa einen Anteil von zwei Prozent. Alles hängt jetzt ab vom Zulassungsverfahren. Ich bin jedenfalls in dieser Frage Optimist.

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