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Wilder Streit

Auch Wirtschaftschef Mahrer will über höheres Pensionsalter reden

Nach der Industriellenvereinigung kann auch Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer einem höheren gesetzlichen Pensionsalter etwas abgewinnen.

Mahrer - soeben im Wirtschaftsparlament als Kammerpräsident bestätigt - tritt im Gespräch mit oe24-Chef Niki Fellner für Reformen ein. Hier die wichtigsten Passagen des Talks.

Mahrer
© oe24

oe24: Laut EU-Kommission sind wir beim Wirtschaftswachstum Letzter im EU-Schnitt. Läuft da etwas schief in der Politik?

Harald Mahrer: Ja, wir haben in Österreich zu viel "Staatsgläubigkeit". Durch Covid hat sich verstärkt, was schon länger da war: Alle verlassen sich auf den Staat. Bei jeder Gelegenheit wird nach dem Staat gerufen – mittlerweile auch in Teilen der Unternehmerschaft. Da brauchen wir eine Trendwende: eine Art "Entziehungskur von der Droge Staat". Diese aufgeblähten Systeme kosten Geld, das uns woanders fehlt. In dieser Stimmung von Druck und Kontrolle, wo man spürt, dass frühere Freiheiten weg sind – wer hat da noch Lust zu wirtschaften oder zu arbeiten? Die Republik muss die Stimmung drehen. Wenn die Regierung die Mannschaft ist, dann muss die Bevölkerung als Trainer sagen, wie das Spiel laufen soll. Die Spieler – Regierungsmitglieder auf Bundes- und Landesebene – müssen die Taktik ändern: sich auf Österreichs Stärken besinnen, die uns früher in Rankings nach vorne brachten. Wir waren einmal "das bessere Deutschland" – was haben wir damals gemacht? Fleiß, Leistungsbereitschaft, internationale Offenheit. Diese Stärken haben wir nicht verloren.

oe24: Wie bewerten Sie die Regierung nach den ersten 100 Tagen?

Harald Mahrer: Positiv ist, dass sie nicht öffentlich streitet – Note 1-2. Bei den großen Reformen (Gesundheit, Bildung, Energie, Bürokratieabbau) gibt es noch Luft nach oben – Note 2-3. Aber der Wille ist da. 71% der Österreicher befürworten tiefgreifende Reformen für den Wohlstand. Bei der Pensionsfrage sagen 87%, das System müsse zukunftssicher sein – da muss die Politik handeln.

oe24: Industrie-Präsident Knill will das Pensionsalter in Richtung 70 Jahre anheben, ein guter Vorschlag?

Mahrer: Es ist sicher eine Möglichkeit, das Problem langfristig anzugehen. Ich glaube, bei einer älter werdenden Bevölkerung darf man nicht eine Debatte über die Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters verbieten. Wir brauchen aber gleichzeitig eine Debatte darüber, was tun wir mit Menschen, die jetzt aktuell früher in Pension gehen. Und da gibt es ein gutes Paket, das wir im Rahmen des Regierungsprogramms zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ja auch besprochen und der Regierung mitgegeben haben. Das muss man halt zügig angehen. Aber nochmal: Wenn so viel mehr Menschen älter werden, dann muss sich diese Debatte auch führen. Jetzt gibt es diesen Automatismus, auf den sich die Regierung geeinigt hat und man schaut, greifen die Maßnahmen in den kommenden Jahren, die man vereinbart hat, und wenn nicht, gibt es hier einen Automatismus. Ich finde das fair. Die Leute sind fitter als früher, das wissen alle.

oe24: Abschließend noch, weil Sie ja die Leistungsbereitschaft auch angesprochen haben: Wir haben im Mai und Juni vier Feiertage gehabt. Österreich ist auch bei den Feiertagen einer der Spitzenreiter innerhalb der EU. Muss man auch nicht das einmal überdenken?

Mahrer: Ich glaube, man kann in schwierigen Zeiten alles überdenken. Die Dänen, die Schweden haben alle, als sie in ähnlichen Lagen waren, von Grunde aus alles überdacht. Und ich habe noch nie eine Diskussion abgewürgt und bin auch der Meinung: Wenn die Bereitschaft da ist, Diskussionen zu führen, dann sollen wir über alles reden, ob dann da was rauskommt oder ob andere Maßnahmen sinnvoll sind. Ich glaube, das muss man sich ansehen.

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