Die beiden oe24.TV-Kommentatoren matchen sich nun auch schriftlich.
Sebastian Bohrn Mena: "Gut für das Land, aber die Grünen würde es zerreißen"
Je länger sie sondieren, desto stärker wird der Zuspruch. Schwarz-Grün erfreut sich wachsender Beliebtheit. Nicht nur bei ÖVP-Landesfürsten, die bereits Regierungserfahrung mit den Grünen vorweisen können, sondern auch in breiteren Teilen der grünen Anhängerschaft. Das hat zwei Gründe: einen pragmatischen, einen idealistischen.
Zum einen gilt es angesichts von Klimakrise & Artensterben, nun endlich den ökologischen Turbo einzulegen und die Stillstands-Politik der ÖVP zu beenden. Dafür sind die Grünen prädestiniert, dafür wurden sie gewählt. Sie sollen den Klimaschutz, und, ja, auch den Tierschutz voranbringen.
Zum anderen gilt es, Schwarz-Blau zu verhindern, also die Koalition des Sozialabbaus, der Korruption und der Fremdenfeindlichkeit. Allen ist klar, dass ÖVP-FPÖ diesmal die Arbeitenden und ihre Familien frontal angreifen würden, dass Menschenrechte und die Schwächsten weiter unter Druck geraten würden. Auch wenn sie nicht lange hält: Diese Koalition wäre ein echter Schrecken für Österreich.
Zwei gute Argumente für Schwarz-Grün also. Und ich verstehe die grünen Neo-MandatarInnen, die sich jetzt in demokratiepolitischer Verantwortung fühlen. Auch wenn sie die türkise Truppe nicht leiden können, in der Politik geht’s nicht drum, Freundschaften zu schließen, sondern die Interessen der Bevölkerung zu vertreten. Werner Kogler ist pragmatisch genug, um Inhalte über persönliche Befindlichkeiten zu stellen.
Doch Achtung: Es ist eine Falle. Das muss den Grünen klar sein. Ja, sie könnten ein Regierungsprogramm erwirken, das echte Verbesserungen beinhaltet. Für Umwelt, Frauen und Kinder. Ja, sie würden eine vorbildliche Regierungsarbeit hinlegen, ihre Ämter sauber führen, Steuergeld sparen, mit Unsinnigkeiten ihrer Vorgänger aufräumen. Und dabei Sebastian Kurz politisch rehabilitieren.
Aber eines ist auch klar: Sie würden bei der nächsten Wahl viele WählerInnen wieder einbüßen. Denn sie müssten so viele Grausamkeiten der ÖVP mittragen, so oft den Mund halten, so oft mitstimmen, wo sie eigentlich am liebsten Sturm laufen würden. Es wird sie innerlich zerreißen. Denn die Grünen sind, das ist eigentlich eine Stärke, näher an ihren WählerInnen als alle anderen Parteien.
Also: Wenn Schwarz-Grün kommt, werden wir 2–3 Jahre des politischen Fortschritts erleben. Und danach eine zerstörte grüne Partei vorfinden, die entweder von einer radikal erneuerten SPÖ oder einer gänzlich neuen sozial-ökologischen Bewegung aufgesaugt wird. Ist es das wert? Ansichtssache. Letztlich müssen die Grünen in vollem Bewusstsein dessen, was auf sie zukommt, entscheiden, wer sie sein wollen. Es bleibt spannend!
Gerald Grosz: "Grüne als Potemkinsches Dorf der Innenpolitik "
Lieber Sebastian Kurz,
Ich weiß schon, die GrünInnen sind chic und modern, entsprechen sie doch dem Idealbild der urbanen Hinterhofmarxisten in den Redaktionen, den selbst ernannten progressiven Kräften unseres Landes.
Und das künstlich kreierte Meinungsbild, dokumentiert in den leicht durchschaubaren, krampfhaft angefertigten Umfragen, erfüllt seinen Zweck und treibt Sie regelrecht in die unheilige Allianz mit der politischen Rastalockenfraktion.
Es sei aber auch gestattet, Sie trotz einsetzender Euphorie auf die Untiefen dieser sich anbahnenden Ehe aufmerksam zu machen. Und erfüllt es auch nur den Zweck, dass Sie sich nach absehbarem Scheitern nicht auf Unwissenheit berufen können. Die GrünInnen, Ihr künftiger Partner, sind das Potemkinsche Dorf der Innenpolitik. Hinter der vorgeblich idealistischen Fassade der umweltbewegten Gretleristen, der Thunbergischen Klimasekte, verbergen sich die altbekannten Kryptokommunisten, die ideologischen Erben eines Peter Pilz.
Linke Bevormunder und extreme Meinungsdiktatoren, deren nicht vorhandene Intellektualität mit Überheblichkeit wettgemacht wird. In Reihe 2, hinter dem lebensecht zerfurchten und sympathischen Gesicht des ehrenwerten Werner Kogler, warten die Prediger für eine falsch verstandene Toleranz, die Standesvertreter des GutmenschInnentums.
Jeder aufrechte Sozialist steht im Gegensatz dazu ja noch in der Mitte des politischen Spektrums. Es mag sein, dass Sie Ihr persönliches Umfeld für den Pioniergeist mit Lob überschüttet. Es mag sein, dass Sie sich mit diesem Experiment europapolitisches Ansehen versprechen, was ja auch für die Zeit nach der Politik nicht unvorteilhaft ist. Ihre Wählerinnen und Wähler hingegen sehen dies anders und reihen sich in den Trauerzug mit Bauernbündlern und Wirtschaftskämmerern ein. Denn beim ersten Wirtschafts- und Infrastrukturprojekt wird es knistern.
Beim prophezeiten Anschwellen der Balkanroute und der Frage der europäischen Integrationspolitik wird der offene Streit zwischen Ihnen und den GrünInnen ausbrechen. Spätestens, wenn es um die Verhinderung von Sozialmissbrauch hinsichtlich der Hängematten-Mindestsicherung geht, werden die Differenzen zwischen Ihrer hübsch lackierten türkisen Truppe und den altbekannten GrünInnen unüberbrückbar. Ob dann der Jubel in Ihrer Anhängerschaft auch so groß sein wird, ist zweifelhaft. Es soll schon öfters vorgekommen sein, dass gerade messianisch verehrte Gestalten am Ende am Kreuz ihrer Kritiker landen!