Botschafter-Eklat

Die Türkei provoziert Österreich

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Die Parteien empören sich heftig über die Worte des türkischen Botschafters. 

Ein heftiger Sturm der Entrüstung fegte gestern über Österreich hinweg. Das ganze Land empörte sich über das Interview mit dem türkischen Botschafter Kadri Ecved Tezcan in der Presse, in dem dieser die österreichische Integrationspolitik scharf kritisiert.

Spindelegger zitiert Diplomat ins Außenamt
Ein diplomatischer Eklat zwischen Österreich und der Türkei ist die Folge. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) bezeichnete die Worte des Botschafters als "inakzeptabel“ und zitierte Tezcan gleich in der Früh ins Außenamt. Dort wurde dieser von einem hohen Beamten gerügt. Spindelegger selbst telefonierte mit dem türkischen Außenminister, der die Wogen zu glätten versuchte. Auch in der Türkei war das Interview des Botschafters Thema Nummer eins. "Wir haben keine tief greifende Verstimmung zwischen Österreich und der Türkei zu befürchten“, so Spindelegger. Im Außenministerium geht man davon aus, dass der Botschafter von seinem Posten abgezogen wird, wenn sich die Aufregung gelegt hat.

Integrationsdebatte nach Österreich gebracht
Nach der Sarrazin-Debatte in Deutschland hat Tezcan damit in Österreich eine ähnliche Lawine zum Thema Integration losgetreten. Im Minutentakt meldeten sich die Proponenten der Innenpolitik gestern zu Wort. "Empört“ zeigte sich Kanzler Werner Faymann. "Die Aussagen sind unprofessionell und inakzeptabel.“ Innenministerin Maria Fekter, die Tezcan persönlich angriff, sah eine "unglaubliche Entgleisung. Es ist eines Botschafters unwürdig, sein Gastland so zu attackieren.“ FPÖ und BZÖ forderten den Abzug des türkischen Botschafters, den Abbruch der diplomatischen Beziehungen sowie die Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Diesen Aufforderungen erteilte das Außenministerium eine klare Absage: "Das war ein Ausrutscher eines türkischen Beamten, nicht die Linie der Türkei.“

Lieber Integrationsdebatte als die der Empörung
Die Reaktion der Grünen fiel aus der Reihe. Alexander Van der Bellen fand Tezcans Worte "erfrischend“. Die türkischstämmige Abgeordnete Alev Korun plädierte dafür, keine "Empörungsdebatte“ zu führen, sondern eine Integrationsdebatte. Sie kündigte an, eine öffentliche Diskussion im Parlament mit dem türkischen Botschafter und Experten zu führen.

Türkische Medien: "Ghetto-" und "Botschafter-Krise"
Der Wirbel um den türkischen Botschafters erregt in seinem Heimatland große Aufmerksamkeit. Mit Überschriften wie "Ghetto-Krise" und "Botschafter-Krise" druckten viele türkische Zeitungen die Nachricht über die österreichischen Proteste gegen Tezcans "Presse"-Interview am Donnerstag auf der Titelseite. Teilweise wurde Unterstützung für den Diplomaten deutlich. Einige Blätter und Internetmedien brachten Tezcans Interview im Wortlaut.

Tezcan habe Wien "aufgemischt"

Der Botschafter habe Wien "aufgemischt", meldete die Zeitung "Bugün". In "Hürriyet", der größten Zeitung des Landes, wurde wie in vielen anderen Blättern die Äußerung Tezcans zum Kopftuch zitiert: "Wenn es hier die Freiheit gibt, nackt zu baden, sollte es auch die Freiheit geben, Kopftücher zu tragen."

Lob für "tapferes Herz" des Botschafters
Die Mehrzahl der Zeitungen beschränkte sich auf eine nachrichtliche Berichterstattung über das Interview, die Kritik in Österreich und die Bemühungen des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu um eine Entschärfung der Krise. Mitunter wurde dabei Unterstützung für den Botschafter sichtbar: Die rechtsgerichtete Zeitung "Takvim" lobte Tezcans "tapferes Herz". Die Oppositionszeitung "Cumhuriyet" kritisierte, Davutoglu habe es versäumt, sich schützend vor den Botschafter zu stellen. Der türkische Außenminister hatte sich am Mittwoch ausweichend zu der Frage geäußert, ob Tezcan nach der Affäre auf seinem Posten bleiben könne.

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