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EU-Außenminister: Ministerrat in Kiew

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Bisher war es Top-Secret: EU-Außenministerrat trifft sich im Kriegsgebiet.

Die EU-Außenminister halten am Montag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein informelles Ratstreffen ab. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte das Treffen vor knapp zwei Wochen angekündigt, aus Sicherheitsgründen aber kein genaues Datum genannt. Für den aus Wien angereisten Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) geht es dabei um ein "starkes Signal der Solidarität" mit der Ukraine, die sich seit Februar 2022 gegen den Angriffskrieg Russland wehrt.

Schallenberg: Es geht um Solidarität

Laut Schallenberg ist es, abgesehen von Räten während der jährlichen UNO-Generalversammlung im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York, das erste Mal, dass ein Außenministerrat nicht in der EU, sondern in einem Drittstaat stattfindet. Borrell hatte bereits am Samstag bei einem Besuch in der ukrainischen Schwarzmeer-Stadt Odessa dem Land den anhaltenden Beistand Europas im Kampf gegen Russland zur "Wiederherstellung seiner territorialen Integrität" zugesichert, auf politischer, wirtschaftlicher und diplomatischer Ebene.

Ungarn hat abgesagt

Zumindest drei der 27 Außenminister fehlen heute in Kiew. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics lässt sich wegen einer Corona-Erkrankung entschuldigen. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hat abgesagt. Ungarn hat durchaus Vorbehalte gegen die Russland/Ukraine-Politik der EU. Auch der polnische Chefdiplomat Zbigniew Rau ist dem Vernehmen nach ebenfalls an Covid erkrankt. Die Unterstützung für die Ukraine in ihrer bisherigen Form war zuletzt im polnischen Wahlkampf von der regierenden, national-konservativen PiS-Partei infrage gestellt worden.

Vor zweitem Krigeswinter

"Wir befinden uns mitten in einem Abnützungskrieg, wir stehen vor dem zweiten Kriegswinter", fasste Schallenberg die gegenwärtige Lage auf der Anreise per Flugzeug und Bahn gegenüber mitreisenden, österreichischen Journalisten zusammen. Russland greife nun wieder gezielt die ukrainischen Energieversorgungssysteme an - es herrsche täglich "Terror aus der Luft über das gesamte Staatsgebiet".

600 heimische Unternehmen

Für Schallenberg ist es an der Zeit, die Unterstützung für die Ukraine in eine "langfristige Zusammenarbeit" umzuwandeln, insbesondere zur Stärkung der ukrainischen Justiz und der Korruptionsbekämpfung. "Korruption ist Gift für jede Investition in den Wiederaufbau der Ukraine", sagte der ÖVP-Politiker mit Blick auf die zig milliardenschwere Finanzhilfe aus Europa für Kiew und die Investitionen von rund 600 österreichischen Unternehmen, die in der Ukraine präsent sind.

Die Ukraine erhielt nach Kriegsbeginn den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Damit die Beitrittsverhandlungen beginnen können, muss Kiew aber noch mehrere Punkte erfüllen. Im Kandidatenstatus sieht Schallenberg einen "langfristigen Hebel" zu Schaffung eines vollwertigen Rechtsstaats in der Ukraine.

Schallenberg sprach sich für eine schrittweise EU-Integration der Ukraine und anderer Anwärter aus. Nicht um Kandidatenländer in einen Warteraum zu versetzen, währenddessen sich für die Bevölkerung dieser Länder keine spürbaren Verbesserungen ergäben, sondern um zunächst die Erweiterung als "geopolitisches Instrument" einzusetzen mit der Botschaft an die Kandidaten und Dritte: "Du gehörst zu uns." So wird es nach Einschätzung Schallenbergs schwierig, die Ukraine bald in die EU-Agrarpolitik oder die Kohäsionspolitik zum Ausgleich regionaler Ungleichheiten voll einzubeziehen. Es gebe aber genug andere Bereiche, wo dies geschehen könnte.

Gespräche über Sicherheits-Garantien

Die Außenminister werden sich laut Schallenberg in Kiew auch über "Sicherheitsgarantien" für die Ukraine unterhalten. Dabei gehen es "mitnichten um eine Beistandspflicht", sondern den weitgefassten "Bereich der Resilienz". Diese "Sicherheitsgarantien". Dritter würden vor allem schlagend, wenn es eines Tages zu Waffenstillstands- oder Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommen sollte. Diese sollten nach Ansicht des Außenministers so bald wie möglich starten.

Hinsichtlich der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen im Russland-Ukraine-Krieg kündigte Schallenberg an, dem ermittelnden Internationalen Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC) weitere 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Damit belaufe sich die Unterstützung Österreichs dafür auf insgesamt 400.000 Euro. Dabei gehe es nicht nur um die Untersuchung russischer Kriegsverbrechen, sondern auch um mögliche Kriegsverbrechen durch die Ukraine, betonte der Außenminister.

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