Ibiza-Skandal der FPÖ stellt die EU-Wahl auf den Kopf. Können die Blauen sogar profitieren?
Wien. Seit Freitag vor einer Woche, Punkt 18 Uhr, ist nichts mehr, wie es war: Das seit Monaten stabile Parteienspektrum könnte völlig neu gemischt werden, die Republik nicht mehr wiederzuerkennen sein. Innerhalb einer Woche ist HC Strache als FPÖ-Chef und Vizekanzler wegen des Ibiza-Videos zusammen mit seinem Adlatus Johann Gudenus zurückgetreten, Sebastian Kurz kündigte die Koalition auf – es gibt erstmals unabhängige Experten im Kabinett – und erstmals droht einem Kanzler im Nationalrat die Abwahl. Kurz: Die Republik steht kopf.
Was bedeutet das für die EU-Wahl morgen, Sonntag? Die wichtigsten Antworten:
- Wer gewinnt die Wahl? Auch wenn die Demoskopen betonen, dass man nach so einem Politbeben alle Umfragen vergessen könne, sind sich alle Experten einig: Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Kanzlerpartei am Sonntag nicht Platz 1 erreicht.
- Könnte es eine Art vorgezogene Kanzlerwahl werden? Laut ÖSTERREICH-Umfrage gibt eine klare Mehrheit Kurz Recht, selbst im Amt zu bleiben und nur die FPÖ-Minister durch Experten zu ersetzen. Die ÖVP wird die Kanzlerkarte im Wahlkampffinale sicher noch ausspielen und in den letzten Stunden trommeln, dass ein gutes Ergebnis die SPÖ daran hindern wird, am Montag dem Kanzler das Misstrauen auszusprechen.#
- Wird die FPÖ völlig abstürzen? Hier ist der Politexperte Thomas Hofer sicher: „Das dürfte nicht passieren.“ Zum einen seien die Blauen im Gegensatz zum Platzen von Schwarz-Blau nicht gespalten. Zum anderen verstehen es Hofer, Kickl und Co. gut, sich als die Opfer eines ÖVP-Kanzlers darzustellen, der die ganze Macht wolle.
Liefert die FPÖ morgen die große Überraschung?
Es ist also gut möglich, dass die FPÖ-Fans derart sauer sind, dass sie „jetzt erst recht“ zur Wahl gehen und den Blauen sogar ein Plus 2014 (damals hatte die FPÖ 19,7 %) bescheren. Und FPÖ-Mann Harald Vilimsky gewinnt laut Umfragen bisher alle TV-Duelle.
- Müsste nicht eigentlich die SPÖ die Wahl gewinnen? Von der Papierform ja, denn sie scheint vom Ibiza-Skandal nicht betroffen zu sein. Doch es läuft eben anders: Die ÖVPler sehen das Kanzleramt für Kurz gefährdet, so manch enttäuschter FPÖler könnte Türkis wählen, und die Grünen scheinen besser zu liegen als erwartet – alles keine guten Nachrichten für SPÖ-Mann Schieder.
- Oder wenden sich die Wähler von den Parteien ab? Es sieht nicht danach aus: Rund zehn Prozent der Wahlberechtigten haben Wahlkarten für die EU-Wahl angefordert – 686.249. Das sind um 55 Prozent mehr als 2014.