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"Persönliche Zeilen"

FPÖ-Chef Kickl schreibt Brief an VdB: Was drinsteht

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FPÖ-Bundesparteiobmann Klubobmann NAbg. Herbert Kickl richtete heute einen Offenen Brief an Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Wien. In einem Offenen Brief kontert FPÖ-Chef Herbert Kickl Aussagen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ihn rückblickend als "große Belastung" während seiner Zeit als Innenminister bezeichnet hatte. Als Feld wählte Kickl einmal mehr die Corona-Politik und kritisierte den Präsidenten für seine" Unterwürfigkeit gegenüber einer totalitär agierenden Regierung".

Der FPÖ-Chef weiß dabei nicht genau, ob er Van der Bellen "für glücklich oder für bedauernswert halten soll", wenn diesem angesichts dramatischer Entwicklungen wie der Spaltung der Gesellschaft oder "der Außerkraftsetzung von elementaren Grund- und Freiheitsrechten" zum Thema "Belastung" ausgerechnet sein Jahre zurückliegender Umgang mit ihm, Kickl, als Innenminister einfalle. Er wisse auch nicht, warum der Bundespräsident ihm 2018 oder 2019 dieses "Belastungsgefühl nicht offen zum Ausdruck gebracht hat in unseren gar nicht so wenigen Gesprächen?"

Anschließend wird es philosophisch: In einem Buch habe Van der Bellen seinen Freiheitsbegriff als "angelsächsisch geprägt" definiert, zitierte Kickl: "... zentral ist das Recht und die Freiheit des Individuums, seine Persönlichkeit zu entfalten und sein Leben selbstbestimmt und frei von gesellschaftlichen Zwängen zu führen (...) Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit sind die Säulen dieser Freiheit, auch die Privatsphäre ist unantastbar." Diese Aussagen seien jetzt offenbar nichts mehr wert, wenn es nicht mehr um das Theoretische, sondern das Praktische gehe.

Der offene Brief Kickls im Wortlaut

Der offene Brief Kickls an den Bundespräsidenten im Wortlaut: 

"Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

dass Sie mir in Ihren Vorweihnachtsinterviews so viel Aufmerksamkeit schenken, überrascht mich und ist Anlass dazu, Ihnen die folgenden persönlichen Zeilen zukommen zu lassen.

Ich weiß nicht, ob ich Sie für glücklich oder für bedauernswert halten soll, wenn Ihnen angesichts der dramatischen Entwicklungen in unserem Land, der von der Regierung vorangetriebenen Spaltung der Gesellschaft in Gut und Böse, der Außerkraftsetzung von elementaren Grund- und Freiheitsrechten, der Ignoranz gegenüber der Verfassung, der Verklärung von Alternativlosigkeit zum wissenschaftlichen Dogma und zuletzt des laufenden Versuchs, Freiheit und Selbstbestimmung durch Zwang zu ersetzen, zum Thema „Belastung“ ausgerechnet Ihr Jahre zurückliegender Umgang mit mir als Innenminister einfällt.

Eine seltsame – wenn auch zur Unvernunft der Regierung passende – Schwerpunktsetzung Ihres Unbehagens. Möchte man doch meinen, dass jemand der wie Sie ein Buch mit dem Titel „Die Kunst der Freiheit – In zunehmender Unfreiheit“ verfasst hat, am Ende des Jahres 2021 ganz andere Sorgen haben sollte. Sie selbst definieren dort Ihren Freiheitsbegriff unter Bezugnahme auf John Stewart Mill wie folgt: „Mein Freiheitsbegriff ist angelsächsisch geprägt, zentral ist das Recht und die Freiheit des Individuums, seine Persönlichkeit zu entfalten und sein Leben selbstbestimmt und frei von gesellschaftlichen Zwängen zu führen (…) Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit sind die Säulen dieser Freiheit, auch die Privatsphäre ist unantastbar.“ Das sind Ihre Worte aus dem Jahr 2015 - und jetzt? Was sind Ihre Aussagen wert, wenn es nicht ums Theoretische, sondern um die Praxis geht, Herr Bundespräsident? Die Liebe zur Freiheit à la Mill dürfte wohl weniger ausgeprägt sein als Ihre Unterwürfigkeit gegenüber einer totalitär agierenden Regierung.

Ich weiß nicht, woran es damals im Jahr 2018 und Anfang 2019 gelegen hat, dass Sie mir gegenüber Ihr Belastungsgefühl nicht offen zum Ausdruck gebracht haben in unseren gar nicht so wenigen Gesprächen? War es ein anderes Empfinden damals, war es gar heuchlerische Verstellung oder war es einfach nur fehlender Mut?

Ich versuche zum Jahresausklang eine positive und versöhnliche Beurteilung der Dinge. Ich nehme an, es war fehlender Mut, weil solcher in der Politik weit verbreitet ist. Und jetzt, fast drei Jahre später, wo Sie sich im Einklang sehen mit einer totalitär handelnden Regierung samt Schein-Opposition und den Kommentatoren der Mainstream-Medien, die Sie ja alle gesamt für Ihre Wiederkandidatur gut gebrauchen können, da haben Sie diesen Mut glücklicherweise wiedergefunden. Warum diese Einschätzung positiv für Sie ist? Weil sie zumindest die Hoffnung leben lässt, dass Sie nach Ablauf der nächsten fast drei Jahre dann vielleicht den Mut dazu finden werden, die dogmatische im Gegensatz zu den Prinzipien der offenen Gesellschaft stehende Corona-Politik der Regierung der letzten zwei Jahre ebenfalls retrospektiv als „Belastung“ einzustufen.

Inzwischen muss das Volk alles ertragen und die Leser Ihres Buches dürfen sich wundern, wie groß bei Ihrem Idol Alexander Van der Bellen die Kluft zwischen theoretischem Anspruch und gelebter Wirklichkeit ist.

Mit den besten Wünschen für eine besinnliche Weihnachtszeit

Herbert Kickl

Bundesparteiobmann und Klubobmann"

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