Der Vorsitzende des Staatsschulden-Ausschusses, Bernhard Felderer, würde einen weiteren Anstieg des Schuldenbergs für "fatal" halten.
In der Fernseh-"Pressestunde" des ORF am Sonntag zeigte sich Felderer auch skeptisch gegenüber den für eine mögliche neue Koalition geforderten Projekten wie Grundsicherung oder Pensionsnachbesserung oder die Senkung der Klassenschülerzahl auf 25. Wenn man all dies realisiere, werde ein Null-Defizit 2008 "sicher nicht" realistisch sein. Bekräftigt hat Felderer, dass ein europaweites Road-Pricing gerecht wäre. Im Steuerbereich müsste auf jeden Fall der Faktor Arbeit reduziert werden.
Was die Staatsschulden betrifft, lägen diese mit derzeit 62,2 Prozent über der Grenze, die die EU gesetzt habe. Eine angedachte Grundsicherung würde Ausgaben von rund einer Milliarde Euro bedeuten, und es spreche auch Vieles dafür, dass im Sinn der Armutsbekämpfung zu machen. Auf der anderen Seite müsse man sehen, dass vor allem bei niedrigen Einkommen der Anreiz, eine Arbeit anzunehmen, nicht zu gering werde. Hier käme man dann zu einer "Arbeitslosenfalle". Er wäre dafür, bei der Definition der Armut keine Pauschalregelung zu machen, sondern wie bei der Sozialhilfe den Einzelfall zu prüfen. "Armut ist selbstverständlich da, sie zu entdecken ist gar nicht so trivial, sie numerisch anzugeben sehr schwierig".
Lob für Grassers Finanzpolitik
Zur Finanzpolitik der
vergangenen Regierung stellte Felderer fest, dass Finanzminister Karlheinz
Grasser in "vielerlei Hinsicht" seinen Job gut gemacht habe. Zur Debatte
über Steuererhöhungen betonte der Chef des Staatsschuldenausschusses, es
gebe eine große Einigkeit unter Ökonomen, dass derartige Anstiege immer
einen negativen Effekt haben. Die Erbschaftssteuer würde er auf keinen Fall
erhöhen, er wäre für eine Abschaffung nur dann, wenn man dies finanziell
darstellen könne. Auch die Vermögensteuer dürfe nicht erhöht werden. Die
Gruppenbesteuerung bezeichnete Felderer als "genialen Trick". Zu den
Studiengebühren, deren Abschaffung die SPÖ will, sagte Felderer, diese
Maßnahme sei für die Universitäten gut. Um nicht soziale Benachteiligungen
zu schaffen, könnte das Stipendienprogramm verbessert werden.
Steuersatz auf 42 Prozent reduzieren
Eine Steuer, die "auf den
Fall reduziert werden muss", sei jene auf Arbeit. Damit bekäme man
zusätzliche Vitalität in der Wirtschaft. Felderer sprach in diesem
Zusammenhang auch den Spitzensteuersatz von 50 Prozent an, den man sich auf
Dauer nicht leisten sollte. Da Angestellte auf Grund des Privilegs beim 13.
und 14. Gehalt die 50 Prozent nicht bezahlten, stelle der Spitzensteuersatz
"eigentlich nur eine Sondersteuer für kleine Unternehmer" dar. Er verwies
darauf, dass die meisten Länder einen Satz von 42 Prozent haben.
Eurofighter-Ausstieg teuer
Bernhard Felderer hat außerdem die
Anschaffung der Eurofighter als "sicher ein teures Projekt" bezeichnet. Man
müsse die Gegengeschäfte von vier Milliarden Euro wirklich darauf prüfen, ob
es sich im Einzelfall um neue Geschäfte handle. Sollte dies der Fall sein,
entstünde ein zusätzliches Steuereinkommen, das 44 Prozent des Preises der
Eurofighter abdecken würde.
Verwaltungsreform wichtig
Als "Causa prima" für eine mögliche
große Koalition und das "wahrscheinlich wichtigste Projekt zurzeit"
bezeichnete Felderer eine Verwaltungsreform. Dabei bekräftigte er, dass
beispielsweise über die Krankenhausstrukturen längerfristig Einsparungen
möglich seien. Probleme gebe es in den Ländern, wo "sehr starke
Regionalkaiser" einfach ihre Krankenhäuser auch bei nur sehr schlechter
Auslastung verteidigten. Beim Thema Wohnbauförderung sprach er sich gegen
das Gießkannenprinzip aus. In Österreich sei die Förderung immer noch höher
als viele behaupteten. Puncto Gesundheit sieht Felderer einen Ansatz darin,
dass man "durch regelmäßige Gesundheitschecks in den Betrieben herausfindet,
ob jemand ein gesundheitsschädliches Verhalten an den Tag legt. Wenn jemand
übergewichtig ist oder einen gefährlichen Sport betreibt, sollen diese Dinge
von der Solidargemeinschaft nicht abgedeckt werden. Das Wort "Steuer für
Übergewichtige" wollte Felderer dabei nicht in den Mund nehmen. Notwendig
wäre eine Art Bonus-Malus-System.
Road-Pricing sinnvoll
Beim Thema Road-Pricing konzedierte
Felderer, dass die Popularität einer solchen Maßnahme unter Null liege. Es
spreche allerdings Vieles dafür, das Road-Pricing einzuführen. Darauf
angesprochen, dass Pendler dann das Drei- bis Vierfache des derzeitigen
Vignettenpreises bezahlen müssten, sagte Felderer: "Wenn sie das nicht
machen, ist das eine Ungerechtigkeit. Derzeit zahlt der Beamte oder der
Bauer, der zwei Mal im Jahr auf der Autobahn fährt dasselbe, wie jemand, der
tausend Mal fährt. Eine Abhängigkeit von der Benutzung wäre sinnvoll."
Für verpflichtendes Vorschuljahr
Positiv äußerte sich
Felderer zum verpflichtenden Vorschuljahr. Der Vorteil sei, dass sehr früh
unterschiedliche soziale Schichten aufeinanderprallen. Im späteren Alter,
wenn Begabungen entwickelt werden sollen, sei es viel schwerer, Solidarität
zu leben.
Felderer schloss aus, dass er einer neuen Regierung als möglicher neuer Finanzminister angehören könnte. Auf die Frage, ob er für ein politisches Amt besser geeignet wäre, weil er auch viel Unpopuläres sage, meinte der Staatsschuldenausschuss-Chef: "Weil ich nicht in einem politischen Amt bin, kann ich es mir leisten, die Wahrheit zu sagen. Wäre ich in einem politischen Amt, würde ich zurückhaltender agieren. Nicht unbedingt lügen, aber vielleicht nicht alles sagen, was man sich denkt."