'Russland ist ein großartiges Land'

Gerald Grosz: Sein Mail an Ex-Ministerin Kneissl

Polit-Blogger und oe24-Kolumnist Gerald Grosz schreibt mit gewohnt spitzer Zunge.

Liebe Frau Kneissl!

Ich habe Sie als Außenministerin geschätzt. Sprachgewandt, diplomatisch, im Nahen Osten erfahren. Wirklich ein Wohlgenuss, Sie als oberste Außenpolitikerin in einer Regierung gesehen zu haben. Gemeinsame Bekannte haben mir aber bereits nach Ihrem durch Ibiza erzwungenen Rückzug bestätigt, dass Sie zwar fachlich äußerst versiert sind, aber keinerlei soziale Intelligenz besäßen.

Das habe ich damals fast erzürnt zurückgewiesen. Ich habe Sie verteidigt. In letzter Zeit werden Sie aber ein wenig verhaltensauffällig, skurril, verschroben. Sie seien ein politischer Flüchtling und könnten daher in Österreich nicht leben, so die Begründung Ihres Exodus aus der alten Heimat.

Frau Kneissl, einen politischen Flüchtling zeichnet aus, dass er vor einem faschistoiden Regime unter Lebensgefahr flüchten muss. Österreich ist zwar schleißig regiert, aber keine Diktatur. Auch ich kritisiere die Regierung, muss aber deswegen nicht das Land verlassen. Sie fühlten sich im Libanon viel wohler, sagten Sie unlängst.

Na, dann wünsche ich Ihnen bei aller Freundschaft, dass Sie weiterhin gesund und fidel sind und die Annehmlichkeiten des Libanon als Dauertouristin genießen. Werden Sie aber nur nicht krank, denn dann lernen Sie die kaputte Infrastruktur eines Staates wie des Libanon rasch kennen. Und Sie schätzen dann Österreich, vielleicht lieben Sie dann unser Land wieder. Jüngst meinten Sie, ein russisches Dorf 300 Kilometer südlich von Moskau biete für Sie mehr Reize als die Malediven. Frau Kneissl! Russland ist ein großartiges Land voller Tradition und Kultur.

Der Krieg in der Ukraine tilgt nicht meine Wertschätzung gegenüber Russland, den Russinnen und den Russen. Auf den Malediven war ich noch nie. Aber eines kann ich Ihnen mit Bestimmtheit sagen: Jeder noch so kleine Fleck in Italien, Kroatien, Frankreich, Spanien, Deutschland oder Großbritannien ist doch annehmlicher und schöner als ein gottverlassenes Dorf in Russland. In einem Land, in dem die Schere zwischen Arm und Reich sehr groß ist, in dem der Wohlstand bei weitem für die breite Masse so ausgeprägt ist, wie in den Ländern des europäischen Kontinents.

Übrigens entwerten Sie mit solchen Vergleichen Ihre politischen Botschaften massiv. Und das will ich nicht, denn inhaltlich sind Sie durchaus auf meiner Wellenlänge.

Es grüßt Sie ins russische Exil Gerald Grosz

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