Grasl über seine Pläne mit der ORF-Spitze, ein neues ORF eins und die Formel-1-Rechte.
Die Spannung steigt vor der Wahl zum ORF-Generaldirektor am 9. August, bei der Finanzchef Richard Grasl gegen seinen bisherigen Chef, Alexander Wrabetz antritt. Noch ist völlig offen, wer im 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat die Mehrheit holen kann. Heiß umkämpft sind die Stiftungsräte von FPÖ (Ex-Vizekanzler Norbert Steger), Neos (Hans Peter Haselsteiner) und Grünen (Wilfried Embacher) sowie die Betriebsräte. Im Vorfeld kämpfen beide Kandidaten um jede Stimme. Im ÖSTERREICH-Interview kündigt Richard Grasl an, wie er die Führung des ORF umkrempeln und das Programm optimieren will.
ORF-Herausforderer Richard Grasl im großen Interview:
ÖSTERREICH: Was machen Sie besser als Alexander Wrabetz?
Richard Grasl: Ich habe jedenfalls ein anderes Konzept. Ich kenne das Unternehmen von allen Seiten und habe in vielen Bereichen gearbeitet, in den Redaktionen, als freier Mitarbeiter, im Landesstudio, in der ZiB bis hin zur Direktion. Ich glaube einfach, dass Veränderung notwendig ist. Es ist ja in den letzten Jahren gemeinsam viel Positives geschehen, aber zum Beispiel in der Unternehmensführung und der Entscheidungsfindung haben sich Differenzen herauskristallisiert. Deshalb möchte ich dem Stiftungsrat ein alternatives Konzept vorlegen, in dem zum Beispiel das jetzige Alleingeschäftsführersystem durch ein Vorstandsprinzip abgelöst wird.
ÖSTERREICH: Wieso so plötzlich?
Grasl: Das ist sicher nicht von einem Tag auf den anderen passiert. Da gab’s in letzter Zeit Entscheidungen des Alleingeschäftsführers, in die ich nicht eingebunden war. Ich bin der Meinung, dass ein so großes Unternehmen, das öffentlich finanziert wird, nicht so funktioniert, dass einer allein über finanzielle Ausgaben entscheiden kann, die den ORF belasten. Ich möchte mich jedenfalls freiwillig daran binden, dass ich nur etwas unterschreibe, was vorher im Vorstand diskutiert und entschieden wurde. Derzeit – das ist ja sogar gerichtlich bestätigt – genügt schon eine mündliche Zusage des Generaldirektors, um daraus finanzielle Ansprüche abzuleiten. In der modernen Wirtschaft undenkbar.
ÖSTERREICH: Kritiker könnten Ihnen das als Entscheidungsscheue auslegen.
Grasl: Jeder, der mich kennt, weiß, dass das nicht zutrifft. Aber ich halte die Form der Unternehmensführung, bei der einer allein entscheidet, im Jahr 2016 nicht mehr für zeitgemäß. Es ist außerdem ein Riesenschritt zur Unabhängigkeit im ORF, wenn wichtige Entscheidungen in einem Fünfervorstand gemeinsam getroffen werden. Da reicht es nicht mehr, eine Telefonnummer zu haben.
ÖSTERREICH: Wer gehört zu den fünf? Sie …
Grasl: … und die Direktorinnen und Direktoren für TV-Programm, TV-Information, für Radio und Digitales.
ÖSTERREICH: Das ist Ihr neues Führungskonzept?
Grasl: Ja, das wird die neue Geschäftsordnung auf freiwilliger Basis, von der ich hoffe, dass sie der Gesetzgeber übernimmt, wenn sie sich bewährt. Das ist einer der fünf Punkte für einen unabhängigen ORF, die ich dem Stiftungsrat präsentieren werde.
ÖSTERREICH: Punkt zwei?
Grasl: Ein pluralistisches Informationssystem. Kein mächtiger Generaldirektor, der alle Informationsabteilungen im Haus unter sich hat, sondern jeweils ein Chefredakteur für alle TV-, Radio- und Online-Channels. Dritter Punkt: Ich würde mich als Generaldirektor selbst beschränken und auf das Weisungsrecht entweder verzichten oder jedenfalls alle Weisungen im Stiftungsrat offenlegen. Der vierte Punkt ist die Stärkung der Redakteurs-Rechte. Derzeit können sie zwar über einen neuen Chefredakteur abstimmen, aber wenn der Generaldirektor beharrt, ihn nicht ablehnen. Punkt fünf: Bei der Auswahl der Personen muss klar sein, dass sie fachlich-journalistisch außer Streit stehen.
ÖSTERREICH: Ihr Team haben Sie schon im Kopf?
Grasl: Ja ich habe für jede Funktion zwei, drei Varianten im Kopf.
ÖSERREICH: Die Sie mir jetzt bitte verraten …
Grasl: Das werde ich nicht tun, weil es so ist, dass jemand, der vorab genannt wird, gleich beschädigt ist.
ÖSTERREICH: Kommen alle aus dem Haus?
Grasl: Einige kommen aus dem Haus, es gibt aber auch externe Varianten. Auch dem ORF schadet es nicht, wenn man externe Kompetenzen und damit frische Ideen ins Haus holt.
ÖSTERREICH: Sie werden nicht nur Finanzen mit Ihrem Board entscheiden wollen, sondern auch Programm-Fragen. Wäre die Ausladung Richard Lugners von den TV-Duellen so eine?
Grasl: Das war schon eine grundlegende Frage, weil sie von der bisherigen Praxis abweicht und so etwas soll daher jedenfalls im Board diskutiert werden.
ÖSTERREICH: Wie hätten Sie entschieden?
Grasl: Ich hätte eine andere Meinung eingebracht.
ÖSTERREICH: Wie ist Ihre Meinung dazu?
Grasl: Ich tendiere dazu, dass der ORF eine eigene Sendung macht, denn bei den ersten beiden Wahlen hat man schon die Unterschiede zwischen uns und dem privaten TV gesehen. Bei uns müssen die Kandidaten nicht kochen.
ÖSTERREICH: Werden wir in Ihrem Direktorium bekannte Gesichter sehen? Zechner, Prantner?
Grasl: Ich habe zu beiden ein hervorragendes Verhältnis. Wichtig ist aber sicher, dass es ein Direktorium gibt, in dem alle Direktorinnen und Direktoren hinter dieser Grundidee eines neuen ORF und einer neuen Führungskultur stehen und sich dazu auch bekennen.
ÖSTERREICH: Das Spannendste ist natürlich der TV-Info-Direktor.
Grasl: Diese Spannung würde ich gern bis zum 9. August hochhalten.
ÖSTERREICH: Armin Wolf käme auch in Frage, oder gehört der auf den Anchor-Platz?
Grasl: Jeder ist geeignet, der höchste journalistische Qualität an den Tag legt und andererseits ein großes Team führen kann. Da kommt natürlich auch einer wie Armin Wolf infrage.
ÖSTERREICH: Ein Problem ist die Altersstruktur. Wie können Sie die Information verjüngen?
Grasl: Wir müssen den Content so aufbereiten, dass er für Junge spannend wird und wir müssen Kanäle finden, wo wir sie noch erreichen. Da geht sehr viel über Social Media oder Youtube. Das wäre ein Punkt, den ich in die so dringend nötige Reform von ORF eins einbringen würde. Da sind, wenn wir nicht gerade EURO oder Skirennen haben, lange Strecken von 10 bis 19.30 Uhr mit US-Serien durchprogrammiert. Da kann man nicht zufrieden sein. Man muss natürlich Geld in die Hand nehmen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass wir da statt der x-ten US-Serie mit jungen Menschen über den Brexit diskutieren. Das hat für mich jedenfalls Priorität: Ich ließe mir von den TV-Direktoren innerhalb kürzester Zeit ein Konzept für eine ORF eins-Reform vorlegen.
ÖSTERREICH: Gibt es bei den Privaten Formate, wo Sie sagen: „Das machen die gut“?
Grasl: Ja, ich finde die Talk-Formate auf Puls 4 spannend, kreativ und sehr schnell. Auch die Start-up-Serie war gut. Und bei Servus TV finde ich viele Sendungen ganz hervorragend – mit diesem Sender könnte ich mir auch eine stärkere Kooperation vorstellen.
ÖSTERREICH: Thema Sportrechte: Ist die Formel 1 in Stein gemeißelt?
Grasl: Mit dem alten Vertrag war die Formel 1 zu teuer. Da war es wichtig, Druck auszuüben, und so haben wir die Rechte bis 2020 deutlich günstiger bekommen. Trotzdem würde ich gern mit meinem Direktorium diskutieren, ob wir mit dem immer noch vielen Geld, das uns die Formel 1 kostet, nicht etwas anderes machen. Zum Beispiel den österreichischen Ausbau von ORF eins.
ÖSTERREICH: Wie viel würde eine qualitative Reform von ORF 1 kosten, die man auch merkt?
Grasl: Sicher einen zweistelligen Millionenbetrag.
ÖSTERREICH: Den hätten Sie, wenn Sie nicht einen Teil der Gebühren an die Länder abliefern müssten …
Grasl: Das ist Gesetz …
ÖSTERREICH: Werden Sie da aktiv werden?
Grasl: Ich werde für alles aktiv, was dem ORF zusätzliche finanzielle Mittel bringt.
ÖSTERREICH: Da könnte aber Landeshauptmann Pröll böse werden.
Grasl: Ich weiß nicht, ob er deswegen böse wäre, aber auch nicht, ob er gleich ja sagen würde.
ÖSTERREICH: Was sind Ihre persönlichen Lieblingssendungen?
Grasl: Im Info-Bereich die ZiB2, aus der ich ja komme, und bei der Unterhaltung der Tatort – aber nur, wenn er nicht zu düster ist.
Interview: Werner Schima