Hauptverhandlung dauerte 168 Tage - Korruptionsanklagen bei Buwog und Linzer Bürohaus Terminal Tower - Ex-Finanzminister Grasser drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und weitere Angeklagte soll am heutigen Freitag, dem 4. Dezember, das Urteil fallen. Fast genau drei Jahre nach Prozessbeginn verkündet Richterin Marion Hohenecker als Vorsitzende des Schöffensenats, ob die Beschuldigten verurteilt oder freigesprochen werden. Die Anklage lautete auf Korruption bei der Bundeswohnungsprivatisierung und beim Linzer Bürohaus Terminal Tower.
Die Urteilsverkündung beginnt um 10.30 Uhr. Da das Urteil aus drei im Prozess behandelten Anklagen über 14 Angeklagte gesprochen wird, können der Urteilsspruch und Begründung stundenlang dauern.
168 Tage dauerte die Hauptverhandlung, 150 Zeugen wurden befragt. Den Hauptangeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft. Es geht um Provisionen, die bei beiden Geschäften geflossen sind. Bei der Bundeswohnungsprivatisierung (Buwog und andere Wohnbaugesellschaften) im Jahr 2004 zahlte der siegreiche Bieter Immofinanz ein Prozent des Kaufpreises, also 9,6 Millionen Euro, an Meischberger und Hochegger. Bei der Einmietung der Finanzbehörden in das Linzer Bürohaus Terminal Tower flossen laut Anklage 200.000 Euro als Provision. Beides soll laut Anklage Schmiergeld für Grasser und seine Partner gewesen sein.
Das Geld floss über eine Gesellschaft von Hochegger auf Zypern, die Astropolis, über eine Briefkastengesellschaft nach Liechtenstein, wo es bar abgehoben und bei derselben Bank wieder bar eingezahlt wurde. Alleine für diese Überweisung, die Abhebung und Bareinzahlung, erhielt die Gesellschaft Omega 5 Prozent von der Millionenprovision. In Liechtenstein wurde das Geld zu gleichen Teilen auf drei Konten aufgeteilt, die laut Anklage Grasser, Meischberger und Ernst Plech gehören - was diese bestreiten. Meischberger gibt an, alle drei Konten würden ihm gehören, er habe das Geld nur für seine Finanzplanung auf drei Konten aufgeteilt.
Grasser, Meischberger und Plech haben alle Anklagevorwürfe zurückgewiesen. Hochegger hat zu Prozessbeginn überraschend ein Teilgeständnis abgelegt und damit die Mitangeklagten belastet. Im Prozess wurde ausführlich untersucht, ob bei der Bundeswohnungsprivatisierung geheime Informationen von Grasser über Meischberger und Hochegger an die letztlich siegreichen Bieter Immofinanz und RLB OÖ flossen. Grasser und Meischberger dementieren das entschieden. Mittels eines Tipps von Hochegger und Meischberger überboten Immofinanz/RLB OÖ die mitbietende CA Immo knapp um eine Million und gewannen mit 961 Mio. Euro den Zuschlag für die Bundeswohnungen. Meischberger gab an, die entscheidenden Informationen vom - mittlerweile verstorbenen - Ex-FPÖ-Chef und Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bekommen zu haben.
Der Prozess startete am 12. Dezember 2017 im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts unter großem Medieninteresse, das jedoch im langen Lauf des Verfahrens immer geringer wurde. Coronabedingt gab es eine längere Prozesspause im Frühling 2020. Ursprünglich sollte das Urteil vor dem Sommer verkündet werden, doch das Virus machte diesem Zeitplan einen Strich durch die Rechnung. Nach dem Lockdown wurde der Gerichtssaal mit Plexiglaswänden zwischen den Angeklagten ausgestattet.
Richterin Hohenecker prägte das Großverfahren mit äußerst genauer und penibler Prozessführung. Die Befragungen der Angeklagten und der Zeugen fielen sehr umfangreich aus. Gleichzeitig konnten die Angeklagten und ihre Anwälte selber ausführlich Stellung nehmen.
Die Zeugenbefragungen begannen am 75. Prozesstag, dem 19. Februar 2019. Unter den 150 Befragten waren sowohl Beamte aus dem Finanzministerium, Mitarbeiter der Bietergesellschaften Immofinanz, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, oder des Bauunternehmens Porr. Aber auch der ehemalige Banker Julius Meinl oder Tilo Berlin, ehemals Vorstandschef der Kärntner Hypo Alpe Adria Bank, wurden im Zeugenstand befragt. Zahlreiche Zeuginnen und Zeugen wurden auch per Videokonferenz mit der Schweiz oder Liechtenstein einvernommen.
Der Aussage im Prozess entschlagen haben sich Grassers Ehefrau Fiona und seine Schwiegermutter Marina Giori Lhota aus der Swarovski-Unternehmerfamilie. Dabei geht es um jene 500.000 Euro, die Grasser als damaliger Finanzminister in bar in die Meinl Bank brachte und dort einzahlte. Grasser gab an, das Geld in der Schweiz bar von seiner Schwiegermutter erhalten zu haben und nach Österreich gebracht zu haben. Später floss das Geld auf jenes Konto in Liechtenstein, auf das auch ein Teil der Buwog-Provision floss - was für die Anklage zeigt, dass Grasser an der Buwog-Provision mitverdiente. Grasser weist das zurück, er habe weder mitverdient noch von der Beratungstätigkeit von Hochegger und Meischberger für die Buwog-Bieter gewusst. Er habe auch keine geheimen Informationen weitergegeben.
Das Verfahren war geprägt von widersprüchlichen Aussagen der Angeklagten und der Zeugen. Unter den Hauptangeklagten zeigte sich bald eine Front zwischen Grasser, Meischberger und Plech auf der einen und Hochegger auf der anderen Seite. Während der ehemalige PR-Unternehmer und Lobbyist Hochegger reumütig auf die Vorgänge zurückblickte, betonten Grasser und Meischberger unisono, dass alles korrekt abgelaufen sei und es sich um normale Provisionen und kein Bestechungsgeld gehandelt habe. Ebenso auch der Makler Ernst Plech (76), der im Laufe des Verfahrens aus gesundheitlichen Gründen für verhandlungsunfähig befunden wurde. Über ihn wird daher auch kein Urteil gesprochen.
Widersprüchliche Aussagen gab es auch zwischen den Angeklagten Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics und Ex-RLB-OÖ-Bankvorstand Georg Starzer. Während Petrikovics betonte, dass die RLB OÖ von den Infos über Hochegger zur Buwog-Privatisierung wusste und auch bei der geheimen Millionenprovision mitzahlte, stellte Starzer das entschieden in Abrede. Der mitangeklagte Ludwig Scharinger, langjähriger früherer Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Oberösterreich, ist im Jänner 2019 verstorben. Er kam aus gesundheitlichen Gründen nie in den Gerichtssaal.