Richterin Marion Hohenecker geht mit dem Ex-Minister hart ins Gericht.
Im Dezember 2020 fassten Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere Angeklagte nicht rechtskräftig mehrjährige Haftstrafen wegen Korruption bei der Privatisierung von Staatsvermögen aus, nun liegt das schriftliche Urteil vor. "Aus seinen Tathandlungen erhellt, dass der Angeklagte Mag. Karl-Heinz Grasser gegenüber rechtlich geschützten Werten eine besonders gleichgültige Einstellung hegt", schreibt darin Richterin Marion Hohenecker.
Verbrechen der Untreue
Der Ex-Minister sei schuldig seine Befugnisse über fremdes Vermögen wissentlich missbraucht zu haben, er habe dadurch der Republik Österreich einen Vermögensschaden in der Causa Buwog von insgesamt 9,6 Mio. Euro und in der Anklage Terminal Tower Linz von 200.000 Euro verursacht. Grasser habe das Verbrechen der Untreue, das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels und das Verbrechen der Geschenkannahme durch Beamte begangen.
Grassers ebenfalls verurteilter Trauzeuge Meischberger, ein ehemaliger FPÖ-Spitzenpolitiker und Berufsschullehrer, habe sich um die "Errichtung eines der Verschleierung dienenden Vertragswerkes zur diskreten Abwicklung der Provisionszahlungen bemüht". Er habe dem ehemaligen Minister auch "psychischen Rückhalt" geboten.
"Privaten Profit zu schlagen"
Zum Tatplan der nicht rechtskräftig Verurteilten heißt es in dem heute veröffentlichten Schriftstück: "Im Jahr 2000 kamen Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger, Dr. Peter Hochegger und KR Ernst Karl Plech überein, aus dem Umstand, der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs, aber insbesondere aus der Ministertätigkeit von Mag. Karl-Heinz Grasser, privaten Profit zu schlagen."
Als erschwerend für die Strafzumessung habe sich bei Grasser unter anderem das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, der lange Tatzeitraum und die sorgfältige Planung der Taten ausgewirkt. Als mildernd wird der bisherige ordentlichen Lebenswandel, und das lange Zurückliegen der Taten und das seitherige Wohlverhalten angeführt.
Weiters heißt es in dem der APA vorliegenden Urteil: "Ebenso zu berücksichtigen war, dass es zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen erforderlich ist, potentiellen Straftätern im Bereich der Korruptionsdelikte deutlich vor Augen zu führen, dass diesbezügliche Verfehlungen auch höchster Organwalter entsprechende Sanktionen nach sich ziehen; denn nur so kann die Normtreue sichergestellt werden."
Anwalt beantragt Fristverlängerung
Grasser-Anwalt Manfred Ainedter kündigte heute, Freitagvormittag, an, eine Fristverlängerung zu beantragen. Er kritisierte das "seltsame Versteckspiel mit der Zustellung", das "passt zum Verfahren". Das heute schriftlich zugestellte Urteil ist, wie üblich und dem Rechtsrahmen entsprechend, nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Aufgrund der angemeldeten Rechtsmittel von acht Angeklagten ist das Urteil nicht rechtskräftig, hieß es am Freitag seitens des Landesgerichts für Strafsachen Wien in einer Aussendung. Zur Entscheidung darüber ist nun der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien zuständig.
Der Hauptangeklagte Grasser wurde in erster Instanz zu acht Jahren Haft verurteilt, der Ex-FPÖ-Spitzenpolitiker Walter Meischberger erhielt sieben Jahre Gefängnis, beide nicht rechtskräftig. Der Prozess, bei dem beide bis zuletzt ihre Unschuld betonten, begann am 12. Dezember 2017 im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Angeklagt war Korruption in der Causa Bundeswohnungs-Privatisierung und in der Causa Linzer Terminal Tower. Dazu kamen im Laufe des Verfahrens weitere kleinere Anklagen.
Unabhängig von diesem Verfahren wird Grasser schon bald wieder im Wiener Straflandesgericht auf der Anklagebank sitzen. Dabei geht es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Auch hier bestreitet der ehemalige Star der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sämtliche Vorwürfe. Dieses Steuerverfahren führt allerdings nicht Hohenecker, sie ist von der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen in eine allgemeine Abteilung gewechselt.