Gerald Grosz

Grosz gesagt: Der kritische Blick

Grosz: 'Regierung ist Zwangsehe der Ertrinkenden'

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Polit-Blogger und oe24-Kolumnist Gerald Grosz kommentiert für Sie die Polit-Woche in seiner bekannt charmanten Art.    

Lieber User und Seher von oe24
Willkommen bei GROSZ GESAGT, dem überaus kritischen Blick auf die aktuellen Geschehnisse unserer Zeit! Kritisch, direkt, unabhängig – und scharf wie Messer! Versprochen.
Heute, zur Feier des Tages, gewaschen, gekampelt, getestet und frisch aus Italien in mein Lieblingslokal in der Südsteiermark zurückgekehrt. „Österreich ist frei“, tönt es aus den lustigen Wirtshäusern unseres Landes, die siebenmonatige sprichwörtliche Durststrecke ist überwunden, die Rollläden sind wieder oben, unsere Gasthäuser und Hotels offen. Die Nebensächlichkeit, dass man für den Gang zum Wirt bald einen Aktenordner Unterlagen mit sich führen muss kann die Freude über ein Stück Normalität nicht beeinträchtigen. Zumindest bekommt beim Anblick des Kochlöffels eines Koches der Ausdruck „Nasenbohrertest“ eine ganz neue Bedeutung.

Auch die Regierung feierte im Wiener Schweizerhaus bei Stelze und Co die Öffnung der von ihr selbst ein halbes Jahr willkürlich gesperrten Gastronomie. Nun hoffen wir, dass unsere Wirte wieder auf die Beine kommen und die PR-Termine der Bundesregierung nicht zu einem verspäteten Leichenschmaus verkommen. Morgen geht’s dann, nach ausgiebigem virenfreien Mahl, getestet, geimpft oder genesen ins Fitnessstudio um den Corona-Speck des staatlich verordneten Stillstandes wieder los zu werden. Stillstand droht auch in Österreich. Die Regierung gleicht immer mehr einem Mikado-Spiel. Der erste der sich bewegt, hat schon verloren. Die justiziellen Ermittlungen gegen den Bundeskanzler und den Finanzminister trüben den ohnedies nicht mehr leidenschaftlich geführten Regierungsalltag. Kritisch beäugen sich die beiden Koalitionspartner auf Schritt und Tritt. Spürbar wurde dies diese Woche im Parlament. Reihenweise rückten grüne Abgeordnete aus, um dem Kanzler und dem Finanzminister trotz aufrechter Politehe ihr Misstrauen auszudrücken. Aber offenbar ist der Leidensdruck dieser Zwangsehe zweier Ertrinkender noch nicht hoch genug. Der Misstrauensantrag gegen die Regierung wurde auch mit Stimmen der zuvor so kritischen GrünInnen ab- und niedergeschmettert. Wie auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss ab- und niedergeschmettert werden soll. Das vornehme Ministerhemd ist den GrünInnen halt näher als der schnöde Oppositionsrock aus Jute. Die moralischen Grundsätze haben die Damen und Herren für einen Platz neben dem jungen Sonnenkönig Kurz und seinem Futtertrog der Macht verraten und verkauft, sich quasi jeglicher Moral und Linientreue entleibt. Und ihre Wähler gleich mit dazu.

Das Kontrollgremium und damit die unbequeme Aufdeckerarbeit des Nationalrates soll also ausrechnet mit den Stimmen der einstigen Aufdeckerpartei, im Volksmund auch Schnittlauchkommunisten genannt „darschlogen“ werden. Ob es der türkis/grünen Regierung gelingt auch die Ermittlungen gegen die neuen Beschuldigen Kurz und Blümel zu „darschlogen“ werden wir noch sehen. Der dafür zuständige türkis-nahe „Darschlogen-Sektionschef“ im Justizministerium ist nach wie vor suspendiert, selbst Gegenstand von Ermittlungen seiner eigenen Behörde. Die zarte Hoffnung auf die Wirkungsentfaltung einer tatsächlich unabhängigen Justiz keimt auf. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Apropos Hoffnung: Kurz muss halt wissen, auf Gericht und hoher See ist man in Gottes Hand. Und nein, auch wenn ER der gottgleiche Knabe der Innenpolitik ist, er ist nicht Gott. Eine göttliche Komödie der etwas anderen Art erlebten dieser Tage auch die Sozialdemokraten. Die Wirtschaftsdaten Österreichs gehen in den Keller, das Corona-Missmanagement gleicht einem Chaos, zwei hochrangige Regierungsmitglieder gehen möglicherweise demnächst auf die Anklagebank. Grund genug für die glücklose Genossin Parteivorsitzende Pamela Joy Rendi Wagner nicht die Regierung sondern ausgerechnet ihrem burgenländischen Genossen und Parteifreund Doskozil den Rücktritt aus dem Amt des Landeshauptmannes nahe zu legen, ihm via Medien die seidene Schnur zu überreichen. Kann man, muss man aber nicht. Schon gar nicht, wenn man als Oppositionspartei die Regierung eigentlich im Fokus seiner Angriffe haben sollte. Aber wie heißt es so schön: Freund, Feind, Parteifreundin. Ungefähr ähnlich ging es diese Woche im Österreichischen Skiverband zu.

Jeder gegen Jeden und raus kam, dass ein türkiser Nationalratsabgeordneter in Zukunft Österreichs mächtigsten Sportverband leiten wird. Soll noch einer sagen, die Türkisen können nicht umfärben. Umgefärbt dürfte sich auch der ORF diese Woche haben. Ausgerechnet der Bundestag der Jungen Volkspartei wurde in epischer Breite live übertragen.

Man sieht, die Generaldirektorswahlen stehen in der Rundfunkorgel des Landes an, jeder biedert sich ganz unverhohlen den Mächtigen an. Nicht auszuschließen, dass von Wrabetz Gnaden demnächst auch die Pfarrgemeinderatssitzung aus Kickeritzpatschen live übertragen wird. Live übertragen wurde auch ein Interview in Fellner Live auf oe24.tv mit Herbert Kickl. Nach dem zweijährigen hatscherten Interregnum mit Noch-Parteichef Hofer dürfte nun der blaue Zuchtmeister im Nationalrat das Ruder in der FPÖ auch offiziell übernehmen. Kickl, die komplette Antipode zu Kurz dürfte auch seinerseits keine Gelegenheit auslassen, die blauen Schäfchen aus dem türkisen Lager zurückzuholen. Überhaupt wittern alle in Österreich derzeit Morgenluft. Nicht nur die Wirte sondern auch die Opposition, die auf Neuwahlen hofft.

Hoffen wir, dass wir die erste Woche gut überstehen und bleiben Sie mir treu, wenn es nächste Woche wieder heißt: Grosz gesagt.

  

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