Stimmen von SPÖ & Pilz

Grüne Chance auf 10 Prozent plus

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Zwei Jahre nach dem desas­trösen Rauswurf haben die 
Grünen wieder Konjunktur.

Vorweg: Die österreichischen Grünen galten jahrelang als Umfragenkaiser: stark bei den Demoskopen, schwach an den Wahlurnen. Derzeit scheint es umgekehrt: Laut allen Wahlforschern schaffen sie zwar ­sicher den Wiedereinzug in den Nationalrat, kaum einer von ihnen gibt ihnen aber eine sichere Chance auf ein Ergebnis von mehr als zehn Prozent. Ich schon.

Den Grünen hilft vor 
allem die Themenlage

Dafür spricht in erster Linie die Themenlage: Die Klimakrise hat das Migrationsthema nicht abgelöst, aber zumindest relativiert: in einem Jahr, in dem die Zuwanderung so gering ist wie in den Jahren vor 2015, reicht es wohl nicht mehr, einen Wahlkampf nur mit Rufen nach Abschottung zu bestreiten. Schon gar nicht, da eben bekannt wurde, dass etwa 50 Prozent der in den vergangenen fünf Jahren ­anerkannten Asylwerber inzwischen einen Job in Österreich und damit eine entscheidende Voraussetzung für eine Integration im Land gefunden hat.

Nur mit Angstparolen wird wohl auch die diesbezüglich führende FPÖ keinen Erfolg mehr einfahren können. Selbst ihr neuer Chef Norbert Hofer hat plötzlich den Schrecken einer nachhaltigen Klimaerwärmung entdeckt, nur sein Amtsvorgänger HC schwafelt noch etwas vom nicht bewiesenen menschlichen Anteil an dieser Entwicklung.

Das Thema Klima boomt zu Recht diesen Sommer

Also: Eine ernsthafte Debatte darüber, wie die Folgen der Erdaufheizung wenigstens bremsen kann (völlig aufhalten kann man sie ohnehin nicht mehr), boomt angesichts von Tropentemperaturen und Überflutungskatastrophen zu Recht, auch bei uns. Und ebenfalls zu Recht sind es vor allem die Jungen, die sich an die Spitze der Besorgten und Protestierenden stellen.

Der "geerdete" Kogler läuft zur Hochform auf

Das nützt natürlich in erster Linie den Grünen, die jahrelang dieses Thema „besetzt“ haben und jüngst bei der Europawahl zur stärksten Partei bei der jüngsten Wählergruppe wurden. Polemiken, ihre Anhänger würden am meisten Flugreisen unternehmen und damit die Umwelt schädigen, ändern daran nichts – sie haben nicht den Fehler vergangener Wahlkämpfe gemacht und haben nicht nach Verboten geschrien.

Natürlich ist es sinnvoll, eher mit der Bahn als mit dem Auto zu fahren und lieber mit dem Nachtzug als mit dem Billigflieger – aber mit individuellem Verzicht wird man kein globales Problem lösen, dazu bedarf es gesellschaftlichen Umdenkens und politischen Willens.

Die deutschen Grünen machen es schon seit einiger Zeit den österreichischen vor, sie verknüpfen ihre Themenführerschaft mit Realpolitik, mit einer attraktiven Führungsriege und einem möglichen Kanzlerkandidaten Robert Habeck. Sie liegen in Umfragen bezüglich einer möglichen baldigen Bundeswahl bereits auf Platz 2, nur mehr knapp hinter der CDU/CSU und klar vor der SPD, die mit der AfD um Platz 3 ringen muss.

So weit sind wir in Österreich noch nicht. Aber natürlich werden auch hier die ­Roten unter dem Erstarken der Grünen leiden, trotz einer gerade in dieser Frage glaubwürdigen Spitzenkandidatin. Einige Prozent der sozialdemokratischen Stimmen von 2017 waren nämlich dem lange Zeit offen scheinenden Wettlauf um den Kanzlersessel geschuldet, der in dieser Form heuer auch nicht mehr ansatzweise inszenierbar ist. Wobei: Einen entscheidenden Stimmenzuwachs werden sich die Grünen auch aus der Konkursmasse der Liste Pilz holen.

Der zu Hochform auflaufende „geerdete“ Werner Kogler fährt auch diesbezüglich einen strategisch sinnvollen Kurs: keine persönliche Abrechnung mit dem Spaltpilz, aber keinen Millimeter politischen Zugehens auf ihn.

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