Wrabetz vs. Grasl

"High Noon" um den ORF

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So eng war das Duell um den ORF noch nie. Favorit Wrabetz muss vor Grasl noch zittern.

Noch 48 Stunden bis zum großen Showdown, bis zur Wahl des neuen ORF-Generals. Es wird die spannendste Wahl in der ORF-Geschichte, die mit überraschenden Wahl-Coups – von Bacher über Lindner bis zu Wrabetz – ohnehin schon reich bestückt ist. Denn diesmal ist alles offen.

Die beiden bisherigen Partner an der ORF-Spitze – Alexander Wrabetz (56) und Richard Grasl (43) – stehen sich in einem beinharten Wahlkampf gegenüber. Beide kämpfen bis Dienstag, wo es vor der Wahl noch ein Hearing zu den Konzepten beider Kandidaten geben wird, mit harten Bandagen und vollem Einsatz um die 18-Stimmen-Mehrheit im 35-Personen-Stiftungsrat.

Kampf um jede Stimme
Der regierende ORF-General Wrabetz liegt nach Meinung der ORF-Insider knapp in Führung. Sie sehen für ihn derzeit 19 Stimmen: die elf SPÖ-nahen Räte, den Kärntner Rat, vier von den fünf Betriebs­räten sowie die Stimmen von Neos-Rat Haselsteiner, dem Grünen-Rat Embacher und dem Caritas-Rat Küberl. Trotzdem kann Wrabetz nicht ruhig schlafen, denn die letzten drei betrachten ihre Stimme nicht als „fix“, wollen sich für den „Besseren“ entscheiden.

Richard Grasl, bisher ORF-Finanzchef, hat zwar laut Papierform derzeit nur 16 Stimmen – die 13 ÖVP-nahen Räte, den Stronach-Rat, den FPÖ-Rat und einen der fünf Betriebsräte. Er versucht aber, zumindest Embacher, Haselsteiner und Küberl oder auch noch zwei Betriebsräte zu gewinnen.

Tatsächlich stehen dem Stiftungsrat zwei ziemlich kon­träre Modelle zur Auswahl:

  • Wrabetz will eine Alleingeschäftsführung mit traditionellen Direktionen für Finanzen, Technik, Fernsehen und Radio, aber keinen Informationsdirektor mehr.
  • Grasl dagegen plant einen Vierervorstand, der im Team entscheidet – mit Direktoren für Info, TV, Radio und Online. Die Agenden für Finanzen und Technik will Grasl als General selbst übernehmen.

Im Programm dagegen sind beide Konzepte ähnlich: Wrabetz wie Grasl wollen in der nächsten Periode den TV-Kanal ORF 1 „neu erfinden“ – weg von US-Serien, mehr Österreichprogramm. Beide wollen eine News-Offensive mit einer einstündigen Sendung auf ORF 1. Und beide wollen mehr Regionalprogramm.

Zuletzt ist auch noch ein Streit um höhere Gebühren ausgebrochen. In einem ORF-Papier war von einer Erhöhung um 10,5 % – noch heuer – die Rede. Wrabetz beschuldigt jetzt Grasl, eine unnötige Diskussion vom Zaun gebrochen zu haben. Grasl will mit viel weniger auskommen, vorausgesetzt, sein Sparprogramm wird akzeptiert.

Die ORF-Wahl am Dienstag wird wirklich zum „High Noon“. Nur einer der beiden wird im ORF überleben. Der Verlierer des Duells wird den ORF verlassen müssen.

Wrabetz: »Grasl ist wie ein Elefant im Porzellanladen«

ÖSTERREICH: Haben Sie die Mehrheit im Stiftungsrat?

Alexander Wrabetz: Ja. Ich habe in den letzten Tagen viele Gespräche mit Stiftungsräten geführt, und die Zustimmung geht über die nötigen 18 Stimmen hinaus, weil man im Vergleich mit meinem Mitbewerber bei mir auch schätzt, dass ich das deutlich transparentere, pluralistischere und dezentralere Führungskonzept habe. Das Konzept von Richard Grasl sieht für den Generaldirektor eine Machtfülle vor, wie das in der ORF-Geschichte noch nie der Fall war.

ÖSTERREICH: Ihr Gegner wirft Ihnen vor, die komplette Information des ORF zentral als Generaldirektor steuern zu wollen.

Wrabetz: Das genaue Gegenteil ist der Fall. In meinem Konzept gibt es sieben selbstständige Channel-Direktoren – drei für TV, drei für Radio, einen für Online –, die für ihre Kanäle eigenständig verantwortlich sind. Das führt zu mehr Pluralismus. Ich will ganz sicher nicht der Super-Info-Gott sein, der alles alleine entscheidet. Bei mir gibt es unabhängige Redaktionen. Ich habe das ja auch schon zehn Jahre gelebt. Ich bin derjenige, der das unselige zen­tralistische System Mück, das einen alleinherrschenden Info-Politkommissar vorsah, abgeschafft hat. Grasl will das wieder einführen, er spricht in seinem Konzept auch viel von Weisungsrecht und Weisungskette. Ich sage: Es darf kein Zurück in die Mück-Zeiten geben.

ÖSTERREICH: Die Kunden sind empört über eine geplante Gebührenerhöhung von zehn Prozent.

Wrabetz: Diese Gebühren­erhöhung hat Herr Grasl in seine Bewerbung hineingeschrieben und damit zur Unzeit eine völlig unnötige Diskussion provoziert – wie ein Elefant im Porzellanladen.

ÖSTERREICH: Der ORF braucht also keine Gebührenerhöhung?

Wrabetz: Der ORF braucht derzeit keine Diskussion über eine Gebührenerhöhung – ich bin nicht bereit, darüber zu sprechen, so lange sie nicht auf der Tagesordnung steht. Zuerst muss ein neuer Generaldirektor die Finanzpläne für die nächsten Jahre aus­arbeiten, dann erst stellt sich die Gebührenfrage. Dabei muss man selbstverständlich auf die Belastung der Kunden Rücksicht nehmen. Ich stehe für einen sparsamen ORF, bei dem die Gebühren immer deutlich unter der Inflationsrate erhöht wurden.

ÖSTERREICH: Und Ihr Konkurrent?

Wrabetz: Dem würde ich dringend empfehlen, nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen – vom Bundesländer-Spartenkanal bis zu einem Dutzend neuer Talkshows würde das Grasl-Konzept 30 bis 40 Millionen Euro mehr kosten und damit eine Gebührenerhöhung geradezu provozieren.

ÖSTERREICH: Was versprechen Sie für den Fall Ihrer Wahl?

Wrabetz: Eine leistbare Weiterentwicklung: große Social-Media-Offensive für alle Kanäle. Der ORF soll führend auf Facebook werden, er soll mit einem „Best of ORF“-Kanal führend auf Youtube werden. ORF 2 wird weiterentwickelt mit noch mehr Regionalität, etwa einer großen Bundesländershow Zu Gast in Österreich am Abend. Vor allem aber will ich ORF 1 einen neuen Charakter geben, mehr junge Comedy – etwa ein neues Format mit dem erfolgreichen Online-Format Die Tagespresse – und es soll jeden Tag eine neuartige, bis zu einer Stunde lange Infoshow mit dem Titel „@ 1“ geben, die im Hauptabend modernen Journalismus, mit für die Millennials relevanten Themen ins Fernsehen bringen soll – mit News, Magazinelementen, Talkshows. Der Charakter von ORF 1 soll sich in meiner dritten Amtszeit dramatisch verändern.

ÖSTERREICH: Wie wird die Zukunft des ORF in der dritten Amtszeit Wrabetz aussehen?

Wrabetz: Die Zukunft bringt eine Öffnung für alle Social-Media-Kanäle und damit für die Zuschauer. Wir werden schon demnächst in alle Bundesländer kommen, mit dem General an der Spitze, uns den Zuschauern stellen, Kritik und Vorschläge hören – und das auch live übertragen. Am Schluss dieses Prozesses soll ein neuer ORF stehen, in dem die Seher über Internet und Social Media das Programm mitgestalten.

Grasl: »Gebührenerhöhung geringer als 10 Prozent«

ÖSTERREICH: Haben Sie eine Mehrheit im Stiftungsrat?

Richard Grasl: Ich habe in den letzten Tagen viele Gespräche mit Stiftungsräten geführt, und mein Konzept ist bei den meisten auf viel Zustimmung gestoßen, weil eine klare Mehrheit der Stiftungsräte der Meinung ist, dass der ORF Veränderung braucht. Alexander Wrabetz hat dieses Unternehmen zehn Jahre mit einem traditionellen Konzept geführt – jetzt braucht es einen Aufbruch, eine Erneuerung des ORF, weil sich die Medienbranche massiv erneuert.

ÖSTERREICH: Was ist das Neue an Ihrem Konzept?

Grasl: Es sieht eine Teamführung vor. Eine Alleingeschäftsführung, wie sie Wrabetz will, ist heute nicht mehr richtig, Teamentscheidungen sind die Zukunft. Der zweite große Unterschied ist, dass ich Verwaltung und Technik im ORF verschlanken und modernisieren und damit viele Millionen einsparen werde, die dann ins Programm investiert werden können. Wenn uns das gelingt, können wir mehr Geld ins Programm investieren.

ÖSTERREICH: Sie haben für Aufregung gesorgt, weil Sie kürzlich eine Gebührenerhöhung um mehr als zehn Prozent angekündigt haben.

Grasl: In der Finanzvorschau ist festgehalten, das die Inflationsrate seit der letzten Gebührenerhöhung 10,5 Prozent war, nicht dass das schon der Ansatz für eine Erhöhung wäre. Aber ich werde Dienstag im Stiftungsrat klar darlegen, dass mein Konzept mit den Strukturmaßnahmen bei Verwaltung und Technik als Ziel hat, dass die kommende Gebührenerhöhung deutlich geringer ausfallen kann.

ÖSTERREICH: Sie sagen also: Eine Gebührenerhöhung um zehn Prozent ist nicht notwendig?

Grasl: Wenn es uns gelingt, strukturell zu sparen, wird die Gebührenerhöhung sicher geringer als 10 Prozent. Aber dazu muss man eben jetzt entsprechende Maßnahmen einleiten. Wir werden das nach meiner Wahl sehr rasch neu kalkulieren, und vielleicht kann man allfällige Erhöhungen auch über die nächsten Jahre verteilen.

ÖSTERREICH: Mit dann bald 700 Millionen an Gebühren macht der ORF in Österreich jedes private Fernsehen kaputt. Wir sind das letzte Land mit Monopolfernsehen.

Grasl: Einspruch, Herr Fellner! Wir haben wegen der harten Konkurrenz aus dem großen, gleichsprachigen Deutschland die wohl härteste Situation in ganz Europa. Aber nicht nur wir, sondern auch die österreichischen Privat-TV-Sender. Mein Ziel ist, mit dem Privat-TV Kooperationen zu finden. Der ORF soll sich in Zukunft auf seine Österreichkompetenz konzen­trieren. Weniger US-Serien – die sollen bewusst im Privat-TV laufen. Ich plane für den ORF ein Informationsfeuerwerk. ZiB und Regionalsendungen sollen um fünf Minuten verlängert werden, auf ORF 1 soll die Zahl der News-Sendungen deutlich erhöht werden. Es soll auf ORF eins – sogar im Hauptabend – spannende Talkformate, ähnlich dem deutschen Hart aber fair, geben. Und es braucht eine schnelle Reportagetruppe im ORF, die bei aktuellen Ereignissen, wie dem Türkei-Putsch, sofort einen spannenden Hauptabend dazu gestaltet.

ÖSTERREICH: Sie kündigen so viele Programminnovationen an, dass Ihre Gegner sagen, das sei ein unfinanzierbares Wunschdenken.

Grasl: Mit diesem Vorwurf kann ich gut leben, denn es soll eine Programmoffensive geben – richtig. Eine Vielzahl an neuen News-Ideen, viele neue Showformate von einer jungen „Crowdfunding-Show“, in der das Publikum die Ideen von jungen Talenten finanziert, bis zu einem modernen Comeback des Musikantenstadl. Der ORF soll wieder offensiv denken – vielleicht ist langfristig ein eigener News-Kanal mit 24 Stunden ZiB möglich, vielleicht ist ein eigener digitaler Regionalkanal denkbar. Der ORF hat lange genug das Programmschema von Gerhard Zeiler aus dem Jahr 1995 gehabt – jetzt ist Aufbruch angesagt. Wenn wir die Struktur schlanker und moderner machen, ist das auch finanzierbar.

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