Indien betrachtet die Entwicklung rund um den Brexit mit großer Sorge.
Diesen Eindruck gewann Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) am Montag bei einem Treffen mit ihrer indischen Amtskollegin Sushma Swaraj in Neu Delhi. In der ehemaligen britischen Kolonie werde der Brexit mit einer Art Apokalypse gleichgesetzt, so Kneissl. Sie habe aber die Meinung vertreten, er sei nicht "das Ende von allem".
Kneissl versuchte zu vermitteln, dass "nicht alles zusammenbricht"
Vielmehr habe sie versucht, Swaraj zu vermitteln, dass mit dem geplanten Ausstieg Großbritanniens aus der EU "nicht alles zusammenbricht", erzählte Kneissl nach der Zusammenkunft am Montagabend. Die Europäische Union sehe sich zudem mit anderen Fragen konfrontiert. "Wir sehen einen Ost-West-Bruch", meinte Kneissl nach dem Gespräch, zudem könnte sich die politische Landschaft bei den kommenden EU-Wahlen "verschieben." Dass es nach dem Brexit zu einem Wiedererstarken des britischen Commonwealth komme werden, glaube in der Region zudem niemand, ergänzte Kneissl. Vielmehr werde die EU als wichtiger Handelsblock angesehen.
Meinungsaustausch zu Sicherheitsthemen und Abrüstungsfragen
Außerdem sei es bei dem Meinungsaustausch auch um Sicherheitsthemen, das Verhältnis Indiens zu Pakistan oder China sowie um Abrüstungsfragen gegangen. Zu Pakistan sei seitens Indiens das Gespräch gesucht worden, habe Swaraj zu verstehen gegeben. Doch hätten sich die Fronten auch durch jüngste Terroranschläge wieder verhärtet. Über Terror könne nicht verhandelt werden, umriss die Außenministerin die indische Position. Indien und Pakistan streiten seit Beginn ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1947 um die Herrschaft über das Himalaya-Tal Kaschmir. Die beiden heutigen Atommächte führten bereits zwei Kriege um das Gebiet.
Verhältnis zu China entspannter als angenommen
Hingegen dürfte das Verhältnis zu China sogar etwas entspannter sein, als sie vor dem Gespräch angenommen habe, meinte Kneissl. "Die Außenministerin hat gesagt, wir werden mit China nicht um Grenzen kämpfen." In manchen Bereichen seien die beiden Länder Partner, habe Swaraj erklärt, in anderen eben Rivalen.
Beide Außenministerinnen "outeten" sich als Vegetarierinnen
Immer herzlicher sei das Gespräch geworden, nachdem sich beide Außenministerinnen als Vegetarierinnen geoutet hätten, berichtete Kneissl. Auch dass sie den Respekt vor der Natur und die Verbundenheit zwischen Menschen und Natur in Ländern wie Indien hervorgestrichen habe, habe die Kollegin erfreut. Dabei seien das keineswegs Höflichkeitsfloskeln gewesen, betonte Kneissl. "Der Gedanke einer Fleischindustrie, wie sie bei uns üblich ist, würde einem Hindu nie einfallen."
Indien sei der Meinung, dass ihm ein fester Sitz im UNO-Gremium zusteht
Multilateral habe Swaraj vehement eine Reform des UNO-Sicherheitsrats gefordert. Das 1,4 Milliarden Einwohner zählende Land ist schon lange der Meinung, dass ihm ein fester Sitz in dem Gremium zusteht. Bilateral seien neben dem heurigen 70-Jahr-Jubiläum der Aufnahme bilateraler Beziehungen auch Wirtschaftsthemen besprochen worden. So habe etwa der Gesundheitskonzern VAMED Interesse, in Indien Spitäler zu bauen. Insgesamt seien in Indien 155 österreichische Firmen tätig. Die Kooperation sei aber noch ausbaufähig.
In Sachen Tourismus habe die Zahl der Inder, die im Vorjahr nach Österreich gereist sein, immerhin die 200.000er-Marke überschritten. Im Schnitt sind sie drei Tage geblieben, hieß es aus Delegationskreisen. Das indische Interesse an Österreich stamme unter anderem auch daher, dass in Österreich auch Bollywood-Streifen der Hindi-Filmindustrie gedreht würden.
Insbesondere die "Cine Tirol Film Commission" sei aktiv dahinter, indische Filmproduzenten nach Österreich und speziell nach Tirol zu locken, wo dann vor allem in der verschneiten Bergwelt gedreht werde. Viele der indischen Touristen würden sich dann die Drehorte der populären Produktionen anschauen wollen.
Kneissl am Dienstag bei Vortrag einer Frauen-NGO
Am Dienstag stehen für Kneissl vor ihrer für Mittwoch geplanten Rückkehr nach Wien auch Gespräche bei einer Frauen-NGO sowie ein Vortrag zum Thema "The Energy Mix of the Future" auf dem Programm. Sie wird zudem das Museum "Gandhi Smriti" besuchen. In dem Gebäude hatte der Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, Mahatma Gandhi, die letzten Wochen seines Lebens verbracht, ehe er am 30. Jänner 1948 erschossen wurde.
Indien feiert heuer intensiv den 150. Geburtstag Gandhis, der am 2. Oktober 1869 geboren worden war. "Auf Gandhi ist man stolz", resümierte Kneissl. Aus Sicht der Inder habe er die "Dekolonialisierung" gestartet. Nach Indien im Jahr 1947 hätten sich - auch in Afrika - nach und nach weitere Staaten von ihren Kolonialmächten losgesprochen.