Mit 1. Oktober wird dem Sprit in Österreich mehr Biotreibstoff beigemengt. Der Anteil steigt auf 5,75 Prozent. Die Maßnahme ist umstritten.
Ab heute steigt in Österreich der Anteil der Agrotreibstoffe an der Gesamtspritmenge von derzeit 4,3 auf 5,75 Prozent. EU-weit war dieses Ziel für 2010 geplant. Bis dahin soll der Anteil des "Treibstoffes vom Acker" hierzulande bei zehn Prozent liegen, was aber in der Kraftstoffverordnung noch nicht festgeschrieben ist.
EU rudert zurück
Das EU-Parlament hat sich jedoch Anfang
September geeinigt, die Biospritziele nach Kritik von UNO, OECD,
Verbraucher-und Umweltschützern sowie Menschenrechtsgruppen nochmals zu
überdenken und möglicherweise nach unten zu revidieren. Die Rede war von
sechs Prozent bis 2020.
Pröll argumentiert mit "Kyoto"
Landwirtschafts-
und Umweltminister Josef Pröll (V) begründet den hohen Anteil in Österreich
mit den Erfordernissen des Kyoto-Zieles, wo Österreich weit hinter den
Vorgaben liegt. Unterstützung bekommt Pröll von Bauernbund und
Landwirtschaftskammer. "Wer Klimaschutz will, muss auch ja zu
Biotreibstoffen sagen", so Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch.
Vor zwei Wochen haben zwölf österreichische Umweltschutzorganisationen eine Petition aufgelegt, in der Pröll zu einem Überdenken der Agrospritziele aufgefordert wurde. Eines der Argumente: Biosprit besteht aus essbaren Lebensmitteln und die Beimengung trägt mit zur Verteuerung der Nahrungsmittel bei.
UN: "Das ist ein Verbrechen"
Darüber gehen allerdings
die Meinungen auseinander. "Es gibt sehr viel effizientere Wege, etwas
für den Klimaschutz zu tun", meint OECD-Agrardirektor Stefan
Tangermann. So koste die Förderung für den Agrosprit die Verbraucher
Milliarden, gleichzeitig sei der Nutzen für den Klimaschutz "minimal",
hieß es kürzlich in einer Studie der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, meinte zum Biosprit-Boom: "Das ist ein Verbrechen und müsste total verboten werden."
Regenwälder gefährdet
Während bei Biodiesel rund drei
Viertel der Rohstoffe vom Weltmarkt kommen, kommen die Ausgangsstoffe für
Biobenzin nahezu gänzlich aus Österreich, sagt die Industrie. Zu den größten
Exporteuren gehören Länder mit einem hohen Anteil an Regenwäldern, die laut
Umweltschützern und Menschenrechtsgruppen für die Palmölprodukion gerodet
und die Ureinwohner vertrieben werden. "Die Palmölimporte haben sich in
den vergangenen Jahren verdreifacht", rechnet Greenpeace vor. Pröll
betont, dass "Österreich selbstverständlich eine etwaige Gefährdung von
Biodiversität z.B. durch Abholzung von Regenwäldern zum Zwecke der Nutzung
der Flächen z.B. als Palmölplantagen ablehnt".
ÖAMTC und ARBÖ-Reaktionen
Die heimischen
Autofahrerclubs sehen die Beimischung differenziert. Der ÖAMTC "begrüßt
die Beimengung grundsätzlich". Allerdings werde ausschließlich
eine Erhöhung des Biodieselanteils befürwortet, der Bioethanolanteil in
Benzin darf aus Sicht des ÖAMTC aufgrund der fehlenden Freigaben der
Automobilindustrie - insbesondere für ältere Fahrzeuge - derzeit nicht
erhöht werden. In Deutschland wurden die Agrospritziele zurückgeschraubt,
nachdem die Autoindustrie darauf hinwies, dass hunderttausende Autos höhere
Beimischungsgrade nicht vertragen würden.
Der ARBÖ plädiert für eine Nachdenkpause. "Die wachsende Skepsis der Umweltschützer, die Preisexplosion bei Grundnahrungsmitteln und die Hungersnöte auf der Welt sind ernst zu nehmen", hieß es. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) weist darauf hin, dass die höhere Beimengungsgrenze den Bedarf von Agrokraftstoffen in Österreich von rund 355.000 Tonnen auf rund 475.000 Tonnen pro Jahr erhöhen wird.