Handelsgericht sah Tweet als gerechtfertigtes Werturteil.
Wien/San Francisco: Das Handelsgericht Wien hat einem Antrag von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gegen einen Twitter-Nutzer wegen Korruptionsvorwürfen nicht stattgegeben.
"Nicht rechtskräftig"
Ende August war der Mann dafür vom Straflandesgericht wegen übler Nachrede - nicht rechtskräftig - verurteilt worden.
Auslöser der Nachricht auf Twitter waren die wochenlangen Berichte über geleakte Chatprotokolle und die Meldung, wonach Blümels Frau während einer Hausdurchsuchung mit dem privaten Laptop des Ehepaars im Kinderwagen spazieren gegangen sein soll. Auf sozialen Medien sorgte dies für kritische Postings. Blümel sah bei manchen der Äußerungen eine Grenze überschritten und ergriff rechtliche Schritte.
Bezug auf Hausdurchsuchung
Der Twitter-Nutzer Wolfgang P. hatte in einem Posting Anfang März ebenfalls Bezug auf die Hausdurchsuchung genommen und unter anderem geschrieben: "Die jetzige türkise Führung ist nur mehr korrupt und machtgeil. Und wenn mich auch der laptoplose Blümel klagt, diese Partei ist vergesslich oder korrupt." Genau das tat Blümel - und zwar sowohl straf- als auch zivilrechtlich.
Im Strafverfahren wurde P. erstinstanzlich verurteilt, das Handelsgericht ist daran allerdings nicht gebunden. Laut dem zuständigen Richter habe den zugespitzten Äußerungen ein "hinreichendes Tatsachensubstrat" zugrunde gelegen.
Da der Tweet auch kein "Wertungsexzess" sei, liege ein "gerechtfertigtes" Werturteil vor. Dem "Durchschnittsadressaten" sei der politische Gesamtkontext des Tweets geläufig gewesen. Das Geschriebene hätte daher vor dem Hintergrund der medialen Berichterstattung über den Ibiza-U-Ausschuss sowie der Korruptionsermittlungen im Umfeld der ÖVP beurteilt werden müssen.
Der Tweet sei zwar "stark zugespitzt", habe sich aber auf kein bestimmtes "korruptes" Verhalten bezogen. Es sei dem Publikum daher klar gewesen, dass P. Blümel kein strafbares Handeln im Sinne des Korruptionsstrafrechts vorwerfe, sondern vielmehr Kritik am Handeln der "türkisen Führung" übe.