Ex-Kanzler schmeißt hin

Kern feiert Polit-Aus mit Glas Rotwein

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Gestern zog Kern seine EU-Kandidatur zurück. Die SPÖ will nun Schieder schicken.

Am Ende waren es die „ständigen Intrigen“ und das „Klein-Klein“ der Innenpolitik, die ihn dazu bewogen hätten „den Schlussstrich als Berufspolitiker zu ziehen“, sagte Christian Kern gestern Mittag in der SPÖ-Zentrale in Wien. Der Noch-SPÖ-Chef verkündete damit auch seinen Rückzug als SPÖ-EU-Spitzenkandidat. Das nächste Polit-Beben in der SPÖ innerhalb von nur zwei Wochen.

Der Ex-SP-Kanzler – der am 18. September übberraschend seinen Rückzug von der Parteispitze und seine Kandidatur für die EU-Wahl angekündigt hatte – wird nach dem SP-Parteitag am 24. November alle seine politischen Funktionen in der SPÖ zurücklegen. Die designierte SPÖ-Chefin, Pamela Rendi-Wagner sei seine absolute Wunschkandidatin gewesen, betonte Kern gestern erneut (siehe rechts). Die Ex-Gesundheitsministerin muss jetzt freilich das neuerliche Chaos rasch beenden.

Andreas Schieder neuer Favorit als EU-Kandidat

Ganz überraschend trifft Rendi-Wagner der Rückzug von Kern freilich nicht: Wie ÖSTERREICH bereits vergangene Woche berichtet hatte, bastelte die SPÖ-Spitze bereits an einem Plan B: Ex-SP-Klubchef Andreas Schieder als roter EU-Spitzenkandidat. Heute versammelt Rendi-Wagner ihr Präsidium auf dem Kahlenberg, bei dem Schieder vorgeschlagen werden soll.

Im Hintergrund tobte jedenfalls bereits seit Tagen ein Konflikt wegen Kerns EU-Allianz-Plänen mit Macron. Dieses Pläne hätte das Präsidium heute klar abgelehnt. Kern kam dem zuvor (siehe Insider).

Der Ex-Kanzler als Spitzenkandidat hätte freilich mehr Aufmerksamkeit und – laut Meinungsforschern – die besten Aussichten auf einen Sieg bei der EU-Wahl im Frühjahr 2019 gehabt. Schieder bringe hingegen einen „Rucksack mit“, warnen SP-Insider.

In der SPÖ zeigt man sich dennoch erleichtert, dass Kern jetzt seinen Rückzug bekanntgeben habe, als „knapp vor der Wahl“. Am 20. Oktober will Kern übrigens trotzdem eine Veranstaltung mit Macron in Paris besuchen. Ein klares Zeichen. Nachfolger freilich bereits abgelehnt.

Christian Kern rechnet jetzt ab: "Ständige Intrigen und innenpolitische Spiele"

Gestern gab der Noch-SP-Chef seinen völligen Rückzug bekannt. Seine Erklärung.

Über Intrigen: „Ich habe festgestellt, dass ich als ehemaliger Regierungschef das Klein-klein der Innenpolitik nicht loswerde. In der ­Politik dominieren ständige Intrigen – hüben wie drüben. Mein Bedarf nach diesen innenpolitischen Spielen ist extrem begrenzt. Mir fehlt im Unterschied zu manchen anderen auch die Sucht nach einem politischen Amt des politischen Amtes wegen.“

"Rückzug war mit Parteispitze abgestimmt"

Über Rendi-Wagner: „Es wurde von überhastetem Rückzug berichtet, aber ich hatte eine langfristige personalpolitische Planung. ­Pamela Rendi-Wagner war meine Wunschkandidatin. Und es war klar, dass das nicht ohne Friktionen gehen würde, da sie noch nicht lange Parteimitglied ist und erst seit Kurzem im Vorstand war. Es hatte eines gewissen Kraftakts bedurft, das durchzusetzen. Das ist gelungen. Ich möchte, dass Rendi-Wagner die Möglichkeit erhält, eigene Akzente zu setzen. Da darf nicht ständig ein Schatten drüber liegen. Das ist ein weiterer Grund für meinen Rückzug, der mit der Parteiführung abgestimmt war.“

Über seinen Weg. „Wie schon Bruno Kreisky sagte, Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Ich habe die SPÖ im Mai 2016 übernommen, als sie bei unter 20 Prozent lag und den größten Zugewinn einer sozialdemokratischen Partei in Europa hinterlassen. Mit Rendi-Wagner hat die SPÖ eine Vorsitzende, die diesen erfolgreichen Kurs fortsetzen kann.“

Neue Bündnisse für Europa. „Die alten Muster von Mitte-links und Mitte-rechts haben sich überholt. Die europäischen Sozialdemokraten sind in einem schlechten Zustand. Wir brauchen neue Bündnisse gegen die Rechtspopulisten, die Europa zerstören wollen. Da muss man Allianzen mit Grünen, Liberalen, vielleicht auch Tsipras und natürlich vor allem mit Emmanuel Macron schließen. Das gebe ich meiner Partei mit auf den Weg. Die Sozialdemokraten werden sich darauf vorbereiten müssen, wie man die Mitte zurückgewinnt.“

Schlacht aller Schlachten und ein "guter Roter"

Über die EU-Wahl. „Ich halte Europapolitik für wichtiger als Innenpolitik. Die EU-Wahl wird die Schlacht aller Schlachten, die über die Zukunft Europas entscheidet. Die SPÖ hat gute Chancen, den ersten Platz zu erreichen.“

Seine Zukunft. „Freue mich, in Wirtschaft und Unternehmertum zurückzukehren. Ich werde mir jetzt ein gutes Glas Rotwein gönnen. Wie Strache sagte: einen guten Roten erkennt man am Abgang. Vielleicht gehe ich mir jetzt einen Designeranzug und ein Krönchen kaufen, damit diese Geschichten zumindest im Nachhinein stimmen.“

Kern wollte EU-Allianz mit Macron: SP lehnte ab, dann sagte er Adieu

Am Freitagabend – während er der Hochzeitsparty von Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder im Hotel Adlon in Berlin beiwohnte – dämmerte es Christian Kern, dass er seine SPÖ nicht von einer Allianz mit Emmanuel Macron bei der EU-Wahl überzeugen könne. Das hatte ihm Pamela Rendi-Wagner klar gesagt. Die SPÖ wollte von Kern ein klares „Commitment“, dass er sich „ganz dem SPÖ-Wahlkampf verschreibt“, sagt ein SP-Insider. Zudem hatte Kern mitbekommen, dass seine eigenen Parteifreunde ständig Geschichten lancierten, dass er hinschmeißen könne. Im kleinen Kreis erklärte der Ex-Kanzler: „Noch einmal ein Wahlkampf mit dauernden parteiinternen Intrigen hab ich nicht nötig“.

Bestärkt durch seine Frau, Eveline Steinberger-Kern, entschloss sich der Ex-Kanzler Samstagfrüh – auf dem Weg zum Flughafen – endgültig zum Rückzug.

Bei einem Gespräch mit Heinz Fischer vor wenigen Tagen, als dieser ihm erzählte, dass Bruno Kreisky „Politiksüchtig war, bist du das auch“, beantwortete er sich das selbst mit „Nein“. Und sagte es am Samstag auch offiziell.

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