Der von Kurz gewählte Ausdruck einer "Achse Rom-Berlin-Wien" in der Flüchtlingsfrage hatte international für Kritik gesorgt.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verteidigt die von ihm verwendete Bezeichnung "Achse" für die Zusammenarbeit mit Rom und Berlin in der Migrationsfrage. Im Gespräch mit dem "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo erklärte Kurz, dass es in der EU bereits mehrfach Achsen gegeben habe. Was den Mini-Gipfel am Sonntag anbelangt, erwartet er sich keine großen Ergebnisse. Gespräche über bilaterale Verträge mit Deutschland gab es noch nicht.
Kurz kontert Kritik
Der von Kurz gewählte Ausdruck einer "Achse Rom-Berlin-Wien" in der Flüchtlingsfrage hatte international für Kritik gesorgt. "Ich fand die Aufregung etwas merkwürdig. Das Wort Achse gehört zumindest zu meinem normalen Sprachgebrauch", stellte Kurz dazu am Freitagabend fest. Es habe die Achse Wien-Berlin-Rom historisch nie gegeben, da es Österreich zu dem Zeitpunkt in der Form nicht gegeben habe. Di Lorenzo wies den ÖVP-Chef daraufhin auf die "engen Beziehungen" Österreichs zum Deutschen Reich hin, was Kurz mit Verweis auf sein "anständiges Geschichtsbewusstsein" quittierte, das er in allen Reden zum Gedenkjahr bewiesen habe.
Es habe in der EU schon mehrfach verschiedene Achsen gegeben, dies sei nie ein Problem gewesen. Wenn einige Staaten bei unterschiedlichen Themen vorangehen, sei es auch nie ein Problem gewesen, von den Willigen zu sprechen: "Wir können immer eine Diskussion über gewisse Worte führen und ihm (jemandem, Anm.) unterstellen, dass er ein Nazi ist, wenn er gewisse Worte verwendet." Kurz räumte aber ein, dass er heute wohl das Wort "Allianz" wählen würde. Andererseits habe er aber ein Problem mit dem Diktat, welche Worte verwendet werden dürfen: "Ich habe einen gesunden Geschichtsbegriff und möchte mir Worte wie Achse oder Heimat nicht von Nazis nehmen lassen", betonte der Bundeskanzler.
Kurz sorgte mit einer Aussage für Verwunderung
Für Verwunderung beim Interviewer sorgte Kurz dann noch mit seinen Aussagen zu den aktuellen Vorgängen in der USA an der mexikanischen Grenze, wo Kinder von ihren Eltern getrennt werden. "Ich habe nicht nachvollziehen können, welchen Sinn das machen sollte", erklärte der Kanzler auf die Frage, was er sich bei derartigen Bildern denke. Di Lorenzo meinte, diese Antwort sei kühl, denn ihm selbst "dreht es den Magen um". Kurz erklärte aber, dass er mittlerweile vorsichtig sei, was auf Bildern gezeigt werde. Im weiteren Gespräch räumte der ÖVP-Chef ein, dass die Bilder "natürlich grauslich" seien. Er habe die Vorgänge aber zu wenig mitverfolgt.
Großen Raum nahm beim Event im Volkstheater in Wien naturgemäß die Migration ein. Zum Plan, außerhalb der EU Schutzzentren für Flüchtlinge einzurichten, ließ Kurz offen, wo diese aufgebaut werden. Die Verhandlungen sollen nicht über die Medien geführt werden, Albanien, aber auch die Türkei oder afrikanische Länder wären aber möglich.
Was den Mini-Flüchtlingsgipfel am kommenden Sonntag betrifft, sei es richtig, die Erwartungshaltung nicht in den Himmel zu schrauben: "Ich habe leider für Sonntag nicht die Hoffnung, dass ein großes Ergebnis stattfinden wird." Kurz sieht aber die Chance, dass die Priorität des Streits der letzten Jahre über die verpflichtende Quotenverteilung von Flüchtlingen zurückgereiht wird und man sich stattdessen auf den Außengrenzschutz und die Hilfe vor Ort fokussiert. Bis zum Gipfel im Salzburg im September unter österreichischem EU-Vorsitz soll dann eine Stärkung von Frontex geschafft werden.
Wenn Deutschland Grenzen sichert, dann auch Österreich
Verhandlungen mit Deutschland über bilaterale Verträge gebe es jedenfalls noch nicht. Die aktuelle innerdeutsche Diskussion verfolge er natürlich, diese lasse sich aber nicht in der EU lösen. Sollte Deutschland Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich abweisen, werde Österreich "mit voller Konsequenz" ebenfalls relevante Grenzen sichern. Kurz erwartet sich - wie auf der Westbalkanroute - einen "Dominoeffekt" in Richtung EU-Außengrenze. Für Flüchtlinge soll es "unattraktiv" sein, sich überhaupt auf den Weg zu machen. Die Politik der offenen Grenzen habe nämlich dazu geführt, dass sich Menschen auf den Weg machen, kritisierte Kurz einmal mehr.
Die Analyse, dass es momentan einen Aufschwung rechtsradikaler und rechtsnationaler populistischer Bewegungen gibt, teilte Kurz nicht ganz. So erwartet er bei der Europawahl etwa gute Ergebnisse für die Liberalen. Generell räumte er eine Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den etablierten Parteien ein. Das Parteiensystem sei im Umbruch, es würden eher Personen gewählt, so der ÖVP-Obmann. Viele - auch er selbst - würden auch eine "übertriebene political correctness" nicht aushalten, denn in der Diskussion darüber gehe die Sache selbst unter. Angst macht ihm die Verrohung der Sprache, meinte er in Richtung SPÖ, nun Oppositionspartei.
Kurz lobt Zusammenarbeit mit FPÖ
Die Zusammenarbeit mit der FPÖ in der Regierung hingegen lobte er, mit der deutschen AfD könne man diese nicht vergleichen. Aussagen wie jene von AfD-Chef Alexander Gauland - "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." - seien "höchst inakzeptabel": "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand in der Regierungsriege sagen würde", so Kurz.
Das Vorgehen bei den Moscheenschließungen verteidigte Kurz. In einem Rechtsstaat seien aber Einsprüche möglich. Dass nun offenbar einige Moscheen doch weiter in Betrieb sind, werde geprüft. Diese würden seiner Meinung nach "rechtswidrig agieren".