Kritik von allen Seiten hat sich Vizekanzler und ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer mit seiner "Rede zur Lage der Nation" eingehandelt.
Nicht nur die Opposition, sondern auch der Koalitionspartner ließ kein gutes Haar am Auftritt des Finanzministers.
SPÖ: "Kurs der sozialen Gleichgültigkeit"
SPÖ-Bundesgeschäftsführer
Josef Kalina hielt Molterer vor, er könne sich "aus der gelebten Kälte der
Schüssel-Politik nicht befreien". Verantwortungsvolle Politik bedeute,
solidarisch für alle, vor allem die Schwächeren in unserer Gesellschaft
einzustehen, und könne nicht bedeuten, auf die Selbstregulierungskräfte
eines ungezügelten Marktes zu setzen, wie das Molterer getan habe. Wohin
dieser "Kurs der sozialen Gleichgültigkeit" und das Negieren und Ignorieren
von Problemen geführt habe, hätten die Menschen sieben Jahre lang unter
Schwarz-Blau gesehen. Unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer stünden die
Sorgen der Menschen wieder im Mittelpunkt. Den von Molterer geforderten
weiteren Privatisierungen erteilte Kalina ein klare Absage, das sei im
Regierungsprogramm nicht vorgesehen. "Und das ist gut so. Denn Österreich
hat durch die Privatisierungen in den Schüssel-Jahren sehr viel Geld
verloren, wenn man etwa an die Austria Tabak oder Böhler-Uddeholm denkt."
Grüne: "Protektionist der oberen 10.000"
Der Grüne
Bundessprecher Alexander Van der Bellen warf Molterer eine Diffamierung des
Sozialstaates vor, den er verächtlich als "Vollkasko-Staat" bezeichnete
habe. Molterers Steuerreformvorschläge zielten darauf ab, dass vor allem
auch die Reichen und Superreichen entlastet werden, er geriere sich damit
als "Protektionist der oberen 10.000". Damit wolle er "einen Keil in die
Gesellschaft treiben und die Entsolidarisierung forcieren", kritisiert Van
der Bellen. Bezeichnend ist für ihn auch, dass der Klimawandel kaum
Erwähnung in Molterers Rede fand.
FPÖ: "Verhöhnung der Bevölkerung"
Für
FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache ist es "heuchlerisch", wenn Molterer
einen "neuen Patriotismus" einfordere, gleichzeitig aber alles dazu
beitrage, dass Österreich seine Souveränität verliere. Gerade im
Zusammenhang mit dem EU-Vertrag habe diese Bundesregierung "unser Land in
keiner Weise selbstbewusst vertreten, sondern alle Interessen Österreichs
verraten und verkauft". Strache findet es auch "eine regelrechte Verhöhnung
der Bevölkerung", dass Molterer seine Rede ausgerechnet am Jahrestag der
Unterzeichnung des Staatsvertrags halte, dessen Errungenschaften mit dem
EU-Reformvertrag abgeschafft würden. Auch Strache hielt Molterer vor, "die
gleiche Politik der gesellschaftlichen Kälte" zu betreiben wie sein
Vorgänger Wolfgang Schüssel.
BZÖ spricht vom "Barolo-Fredi und Pater Willi"
Für
BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz liegt das Problem Molterers darin, "dass
seinen Sonntagsreden zur Lage der Nation keinerlei Taten folgen. Tatsache
ist, dass die ÖVP teilweise richtige und gute Reformansätze vortäuscht, aber
in Regierung und Parlament eine völlig konträre Politik gegen die Menschen
beschließt und umsetzt." Wenn Molterer wirklich einen neuen Patriotismus
wolle, müsse erst die Politik dafür Sorge tragen, dass die Menschen auf die
Politiker und deren Arbeit wieder stolz sein können anstatt sich wie bisher
von Rot und Schwarz "mit Grauen" abzuwenden. "Patriotismus bedeutet auch,
dass das Land mit der Staatsführung zufrieden ist, was aber angesichts des
umfallenden Reisekanzlers Barolo-Fredi und des Schmalspurdynamikers Pater
Willi schwer möglich ist", sagte Grosz.