Meinung

Von Postenschachern und Parteibuchwirtschaft

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Wie hieß es in den Zeiten der alten großen Koalition und des rot–schwarzen Proporzes so treffend: In der verstaatlichten Industrie gibt es jeweils drei Direktoren, einen schwarzen, einen roten, und einen, der die Arbeit macht.

Und tatsächlich war die alte Parteibuchwirtschaft des rot–schwarzen Proporzsystems ein Krebs im politischen System der Zweiten Republik, welches zurecht von oppositionellen Gruppierunge, wie etwa den Freiheitlichen unter Jörg Haider und Strache oder den von links außen kommenden Grünen kritisiert und bekämpft wurde.

Postenschacher, Freunderlwirtschaft und die Besetzung von Spitzenpositionen nach Parteibuch-Präferenzen müssten abgeschafft werden, wichtige Funktionen im Staat und in der Wirtschaft müssten viel mehr ausgeschrieben werden und nach objektiven Kriterien ausschließlich nach Kompetenz und Fähigkeiten besetzt werden.

Regierungszeiten

Soweit, so fromm. Dass nun just die beiden genannten politischen Bewegungen, die rechts stehenden Freiheitlichen und die von weit links kommenden Grünen durch die Veröffentlichung der so genannten „sideletter“, welche es zu den Koalitionsabkommen zwischen Türkis–Blau und danach zwischen Türkis–Grün gibt, desavouiert werden, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Wenn die Freiheitlichen zuerst schon unter Norbert Steger, dann unter Jörg Haider sowie zu guter Letzt unter HC Strache jahrelang gegen die Parteibuchwirtschaft der alten großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP getrommelt hatten, um dann danach – kaum dass sie selbst in den Ministerien und der Regierung saßen – flugs den alten Proporz zu einem Proporz unter der Einbeziehung von Blau machen wollten, war dies schon ein Sündenfall. Besonders großen Erfolg hatten sie damit allerdings nicht.

Von der Ära Norbert Stegers und der damaligen rot–blauen Koalition blieben allenfalls einige Sektionschefs noch für Jahre in den Ministerien, die indessen längst auf dem Altenteil oder verstorben sind. Von der schwarz–blauen Koalition und deren schwarz–orangen Nachfolger sind eigentlich nur mehr Strafprozesse in Erinnerung, wie sie gegen den einstigen Star im Finanzministerium Karl-Heinz Grasser geführt werden. Und jene Postenbesetzungen, die im „sideletter“ der Regierungsbildung von 2017 von der Strache-FPÖ durchgesetzt wurden, sind auch schon Geschichte.

Dies deshalb, da die Grünen, die der FPÖ als Koalitionspartner der Volkspartei nachgefolgt sind, sofort nach Amtsantritt gnadenlos, konsequent und beinhart umgefärbt haben und alle blauen Restposten, und seien sie noch so kompetent gewesen, eliminiert haben. Alles, was Norbert Hofer zum Beispiel als Infrastrukturminister an Personalentscheidungen im freiheitlichen Sinne gesetzt hatte, wurde von Gewessler ebenso flugs wie knallhart eliminiert.

Regierung unter Beschuss

Und damit sind wir schon beim zweiten „sideletter“, bei jenem, den Sebastian Kurz und sein Koalitionspartner, der grüne Kogler, vereinbart hatten. Da sichern die Grünen den Türkisen Dinge zu, die vor Regierungsantritt für alle Linksgrüne als absoluter Sündenfall gegolten hätten, etwa das Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Und dafür gewährt die türkise Familie der grünen Gang den einen oder anderen schönen Spitzenposten. So soll etwa der Wahlkampfleiter des ach so überparteilichen Herrn Bundespräsidenten Lothar Lockl Kuratoriumsvorsitzender im ORF werden. Er, der gegenwärtig sein Dasein als „Berater des Bundespräsidenten“ fristet – wie viel verdient man da? – ist natürlich ein ausgewiesener Medienexperte und seine Bestellung wäre natürlich keinerlei Postenschacher, so zumindest die grüne Lesart. Und die Zustimmung der Grünen zum Kopftuchverbot ist laut Kogler schlicht und einfach „ein Nullum“, weil dies der Verfassungsgerichtshof ohnedies gekippt hätte. Mit diesem Versuch den türkis–grünen „side letter“ zu verniedlichen, erweist sich der Schmähführer Kogler als veritabler Lügenbeutel, weil er sagt, er hätte mit diesem „Nullum“ nur Rücksicht auf die „Psychologie der ÖVP“ nehmen wollen.

So ist also Postenschacher gewissermaßen eine Usance der österreichischen Innenpolitik. Eine Usance, die es nicht nur in Zeiten des rot–schwarzen Proporzes gegeben hat, sondern die offenbar auch danach munter weiter gepflogen wird. Und natürlich sind solche Absprachen über Postenbesetzung und Ähnliches, die geheim, jenseits der offiziellen Koalitionsverträge getroffen werden, keineswegs ungesetzlich. Vielmehr sind sie schlicht üblich und auch notwendig, wie uns gegenwärtig der eine oder andere Wortspender mitteilt.

Da muss allerdings schon gesagt werden, dass es eben gesetzliche Vorgaben für die Besetzung von Spitzenposten wie die Notwendigkeit von Ausschreibungen und der Objektivierung gibt. Und weiter muss festgestellt werden, dass es zwar legitim sein mag Persönlichkeiten des eigenen Vertrauens in jene Positionen zu hieven, die die Politik beziehungsweise die Regierung besetzen kann, dass aber die Betreffenden über die entsprechenden Fähigkeiten und die notwendige Kompetenz verfügen müssen.

Diese kann man beispielsweise im Hinblick auf Postenbesetzungen der „sideletter“ von 2017 Persönlichkeiten wie den Eisenbahn-Spitzenmanager Arnold Schiefer oder dem gegenwärtigen Nationalbankgouverneur Holzmann, der zuvor immerhin Direktor bei der Weltbank war, kaum absprechen. Beide wurden von den Freiheitlichen nominiert. Ob man gleiches von einem Wahlkampfleiter der Präsidentschaftswahl im Hinblick auf die Führung des ORFs sagen kann, darf dagegen bezweifelt werden.
 

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